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Udo Jürgens: 80 Jahr’ – ganz stark da

Adabei
27.09.2014 17:00
Er fühlt sich erst wie 51, sagt er, und denkt auch nach 100 Millionen verkauften Platten nicht ans Aufhören. Viele musikalische Glücksmomente kommen Udo Jürgens in den Sinn, wenn er auf sein Leben zurückblickt – und ein bisschen Wehmut über zerbrochene Ehen und den verpatzten Familienalltag. Am Dienstag wird er 80.

Dienstag, der 14. Dezember 2004: Im Hinterzimmer des Restaurants "Zum Schwarzen Kameel" in der Wiener Innenstadt versammelte sich diskret die Familie Bockelmann. Als Gastgeber, festlich gekleidet, die drei Brüder John, Manfred und natürlich Udo. Der Sänger und Komponist, der am Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, hatte da grade erst den Siebziger hinter sich, mit freudigem Lächeln begrüßte er seine Schwägerinnen Christa und Maria. An der Stirnseite der Tafel stand ein großes Foto – von Rudolf Bockelmann. Der Vater der drei Herren wäre an diesem Tag 100 Jahre alt geworden. Und auch wenn er schon seit 1984 tot war – die Familie wollte das rundeste aller Jubiläen feiern. Man stieß mit Champagner an, eine Schokoladentorte wurde aufgetragen, man ließ den Papa, Opa, Onkel, Großonkel hochleben.

Es sollte eines der letzten Zusammentreffen gewesen sein, denn zwei Jahre später starb John, der Älteste, an Krebs. Die Brüder verbrachten die letzten Stunden an seinem Bett, denn Udo Jürgens war im Grunde seines Herzens immer ein Familienmensch. Obwohl sein eigenes Leben von Affären und Trennungen gekennzeichnet war, obwohl er von sich selber sagt: "Für die Ehe bin ich vollkommen ungeeignet", und neben zwei ehelichen auch zwei uneheliche Kinder zeugte – an seinem eigenen Elternhaus hing er stets sehr, vor allem an Mutter Käthe, geborene Arp (der Dadaist Hans Arp war ihr Bruder). Sie und den Vater Rudolf besuchte er oft, stets in aller Stille, denn das zurückgezogene Leben der Eltern auf einem Landgut in Kärnten diente als willkommener Kontrast zum schrillen Dasein als Weltstar und Plattenmillionär.

Udo, der Italo-Popstar
Zu den wenig bekannten Seiten des knapp 80-Jährigen gehört auch seine kurze, aber heftige Karriere als Cantautore in Italien. Es begann 1965 beim Festival della canzone di San Remo, bei dem damals jedes eingereichte Lied von zwei Sängern interpretiert werden musste, zum Vergleich, gewissermaßen. "Il Jurgens" teilte sich den Song "Abbracciami forte" mit der berühmten Ornella Vanoni – 2. Platz, beide Interpretationen erschienen auf Platte und waren erfolgreich. Also wurde wenige Monate später die Single "Diciotto anni, capelli biondi" nachgeschickt. Ja, genau, das Mädchen aus 17 Jahr, blondes Haar machte man für den italienischen Markt um ein Jahr älter, was aber wohl nicht der Grund gewesen sein kann, dass sich die Italo-Version fast doppelt so gut verkaufte wie das ebenfalls erfolgreiche deutsche Original.

Und schon hatte Udo auch ein Filmangebot aus Rom. Sein markanter dichter schwarzer Haarschopf am Klavier ist in einer Komödie mit dem umständlichen Titel "Questo pazzo, pazzo mondo della canzone" ("Diese verrückte, verrückte Welt des Liedes") zu sehen, wo er, na ja, einen Schlagersänger spielt. In den Folgejahren konnte er noch mehrere Italo-Hits landen, etwa 1967 "E' tutto qui", die italienische Fassung von "Immer, immer wieder geht die Sonne" auf. 1968 trat er neuerlich in San Remo an, schied aber schon in der Vorrunde aus.

Udo, der Frauenschwarm
Doch da hatte er dank "Merci chérie" seine Karriere ohnehin schon auf das gesamte Europa ausgedehnt, lebte in einem modernistisch designten Bungalow mit Swimmingpool in Vaterstetten bei München, war mit dem Fotomodell Erika Meier, genannt Panja, verheiratet und hätte mit den Kindern John (*1964) und Jenny (*1967) eine Illustrierten-Musterfamilie darstellen können. Nur dass sich der Papa alles andere als musterhaft benahm: ständig unterwegs, Auftritte zwischen Hamburg, Rom und Paris, Termine im Studio, selten zu Hause. Und überall weibliche Fans, sie lagen ihm zu Füßen, er konnte halt so schwer nein sagen, im Gegenteil: "Ich war vom Wesen her immer ein Strohfeuer-Typ." Immens umschwärmt, da wird man eben schwach: "Ich war nie der Verführer, sondern immer der Verführte. Treue ist keine Frage des Charakters, sondern der Gelegenheit."

Schon im August 1968 gab Ehefrau Panja der deutschen "Quick" ein Interview mit dem bezeichnenden Titel "Udo verzeihe ich alles", in dem resignierte Seufzer niedergeschrieben sind wie: "Ein Seitensprung hat keine Bedeutung" oder "Die Versuchungen im Schaugeschäft sind so groß, dass kaum ein Mann stark genug ist, ihnen zu widerstehen." Dabei wusste die zierliche Schwarzhaarige da noch gar nicht, dass Udo bereits seit zwei Jahren eine uneheliche Tochter hatte – Sonja, geboren im Jänner 1966, von der die Welt erst 30 Jahre später erfuhr. Die Ehe mit Panja dauerte trotz aller Kränkungen bis 1989.

Danach versuchte Udo immerhin, sein Liebesleben aus den Schlagzeilen zu halten. Die Fans wussten nichts von seiner Affäre mit der Wiener Juristin Sabrina Burda, nichts von der Trennung kurz vor der Geburt der gemeinsamen Tochter Gloria 1994. Ebenso blieb die 1999 geschlossene Hochzeit in New York mit seiner Jugendliebe und späteren Lebensgefährtin Corinna Reinhold lange Zeit geheim. Freilich ging auch diese Ehe nach sieben Jahren in die Brüche.

Heute tut ihm sein Versagen als Familienvater leid, wie er in einem "Krone"-Interview gestand: "Wenn ich meinen Sohn beobachte, wie er mit seinen drei Kindern umgeht, beschleicht mich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht so viel Zeit für ihn hatte." Im Angesicht der Enkel entdeckt er doch Freudvolles: "Ich finde den Begriff Opa zwar nicht sehr schön, weil er mit 'alt und vorbei' verbunden ist, aber es ist dennoch ein wunderbarer Zustand."

Udo, der Bühnenmagier
Glück und Freude im Privaten, daheim mit den Kleinen – das ist eine neue Erfahrung für den Vollblutmusiker, der sich bisher nur im Rampenlicht so richtig wohlfühlte, vom Applaus umbrandet. "Das jeweils größte Glück ging immer Hand in Hand mit der Musik", sagt er selbst, "sogar bei der Geburt meiner Kinder habe ich nicht so einen Rausch empfunden wie damals beim Sieg im Song Contest."

Hier liegt wohl auch das Geheimnis des über Jahrzehnte anhaltenden Erfolgs. Die Zuhörer merken, dass ihr Star mit Hingabe am Werk ist, vom ersten Ton am Klavier bis zum Auftritt im Bademantel, der längst zum Ritual wurde und bei jedem Konzert mit ungeduldigem Klatschen eingefordert wird. "Ich habe den Leuten immer vermittelt, dass ich auf der Bühne für sie singe und kämpfe", lautet sein Motto.

Anders als viele Schlagerstars seiner Generation verfügt Udo über eine solide musikalische Ausbildung. Er studierte am Konservatorium in Klagenfurt, tourte in den 50er-Jahren als Jazzpianist unter anderem mit dem Rias-Tanzorchester und dem Orchester Max Greger. Anfang der 60er-Jahre beschloss er, das Singen aufzugeben und sich ganz dem Piano und der Komposition zu widmen – immerhin hatte er gerade einen Welthit für Shirley Bassey geschrieben, Jazz-Diva Sarah Vaughn sang ebenso Nummern aus seiner Feder wie Nana Mouskouri und Sammy Davis junior. Udo erinnert sich: "Ich dachte, sollte ich als Musiker scheitern, dann sitze ich wenigstens in einer Bar am Klavier. Und das ist immer noch besser, als in einem Büro zu hocken."

Es war der Manager Hans Rudolf Beierlein, der den jungen Mann wieder auf die Bühne schickte – und ihn dreimal hintereinander beim Song Contest antreten ließ, bis der Erfolg da war. Heute, nach 100 Millionen verkauften Platten, denkt Udo immer noch an neue Herausforderungen, nämlich eine große Oper zu schreiben: "Das wäre ein Lebenstraum von mir, sicher. Die Scheu, das anzupacken, hätte ich jedenfalls nicht."

Udo und der Lebensabend
Auch wenn er reich an Jahren und reich an Erfahrung ist – vom Altern will er nichts hören, er empfindet es als "eine von der Natur eingerichtete Ungerechtigkeit". Da heißt es einfach dagegenhalten. Er hat sich ein jugendlich-agiles Erscheinungsbild bewahrt und fühlt sich auch so. Schon zu seinem 70er schätzte er sein biologisches Alter auf "ungefähr 50", jetzt, ein Jahrzehnt später, "fühle ich mich wie 51".

Ein Nachtmensch ist er geblieben, "ich sitze gerne in Gesellschaft, diskutiere und lache. Aber das Leben in der Disco bis 5 Uhr Früh, wo man vielleicht noch mit jemanden, den man kennengelernt hat, die Disco verlässt, das erscheint mir heute lächerlich. Dieser Zsenheit, weitermachen zu können, aber nicht zu müssen: "Ich weiß, dass ich nicht die ewige Jugend gepachtet habe. Ich spüre schon deutlich das Verrinnen der Zeit und den daraus entstehenden Druck. Aber auch eine gewisse Entspannung – ich bin viel relaxter in meinem Beruf. Und ich bin voller Demut, wenn ich mir mein Leben ansehe, das ich da hingezaubert habe."

Die Frage, wann er Schluss machen will mit dem Singen, den Konzerten, der Musik, beantwortet sich da ganz leicht: "Ich möchte dann aufhören, wenn es peinlich ist. Das wird ganz plötzlich sein. Irgendwann fällt mir die Feder aus der Hand und ich sage, Freunde, das war's. Das letzte Konzert war gestern."

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(Bild: kmm)



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