Stadthallen-Konzert

Sixto Rodriguez: Kultiges Musik-Mysterium

Musik
27.03.2014 11:30
Ein kräftiger Hauch von Kult wehte Mittwochabend durch die Wiener Stadthalle F. Sixto Rodriguez, der einst verschwundene und heute hochverehrte Superstar der bluesigen Folk-'n'-Roll-Musik, gab sich ein kurzes Stelldichein, das die Fans mit seltener Hingabe quittierten. Ein Triumphzug mit Charisma, Bescheidenheit und musikalischer Ausdrucksstärke.
(Bild: kmm)

In Zeiten der allumfassenden und immer greifbaren Information, der versteckten Bespitzelung und dem konstanten Schwinden jedweder Privatsphäre, mutet die Geschichte des Amerikaners Sixto Rodriguez wie eine Sage aus längst vergessenen Tagen an. Nach zwei künstlerisch wertvollen, aber kommerziell erfolglosen Alben Anfang der 70er-Jahre verschwand der Gitarrist mit mexikanischen Wurzeln in der Versenkung, arbeitete am Bau, an einer Tankstelle und machte seinen Bachelor in Philosophie. Selbst das Gerücht über seinen Bühnentod machte die mediale Runde. Währenddessen wurden seine Songs in Südafrika als Protestlieder geschätzt und der Künstler selbst von einem Fan Ende der 90er-Jahre aufgestöbert und ins Rampenlicht zurückbefördert.

Kein Promibonus
Der Hype um die Kultfigur ist seither ungebrochen – die Dokumentation "Searching For Sugar Man", die Leben und Werdegang des Musikers nacherzählt, wurde mit einem Oscar geadelt und auch die Wiener Stadthalle F ist mit ihren etwa 2.000 Plätzen viel zu klein, da die Show bereits seit Wochen ausverkauft ist. Da hilft nicht einmal der Promibonus – selbst Moderator und Kabarettist Dirk Stermann blitzt an der Abendkasse ab.

Der mythenumrankte Rodriguez, mittlerweile stolze 71 Jahre alt, wird von zwei Begleitern gestützt auf die Bühne geführt, sieht sich mit tosendem Applaus konfrontiert und erinnert mit purpurfarbenem Anzug und Zylinder über den langen, krausen Locken an eine mit Lebenserfahrung gesegnete Version des Top-Gitarristen Slash.

Gitarrenwucht
Den Sammy-Davis-Jr.-Klassiker "Love Me Or Leave Me" und "Climb Up On My Music" zelebriert der charmante Musiker zu Beginn noch alleine. Mit stoischer Ruhe und einer beneidenswerten Gelassenheit federt er eine eingängige Mischung aus Folk-Kunst im Bob-Dylan-Stil, sanften Blues-Zitaten und erdigen Rock'n'Roll längst vergessener Tage durch das Oval. Ihre volle Kraft entfachen die Kompositionen aber erst mit der Backing-Band rund um den hervorragenden Lead-Gitarristen Matt Smith, der Rodriguez‘ nicht immer blitzsauber gespielte Rhythmus-Takte mit kantigen Soli verstärkt.

Die gelassene Grundstimmung geht mit dem charmanten Witz des Kultstars einher. "Ich bin fast 72 und hätte nicht erwartet, so alt zu werden", gibt er schmunzelnd kund. Der Vermutung, in den zahlreichen auf der Bühne postierten Trinkbechern würde sich Alkohol befinden, stellt er sich mit einem trockenen "es ist doch nur Tee" entgegen. Drogen erteilt er mit dem Spruch "Stay Smart, Don't Start" schon von vornherein eine klare Abfuhr.

Coolness und Charisma
Musikalisch lukriert er den größten Applaus für seine Eigenkompositionen. Das flott-rockende "I Wonder" animiert die Fans schon nach kurzer Zeit zu Standing Ovations, "Sugar Man", der fraglos größte und bekannteste Hit seiner einzigartigen Karriere, bringt den Saal endgültig zum Kochen. Ohne Frage – Sixto Rodriguez' feurige Rhythmen sind stehplatztauglich. Immer wieder improvisieren die Musiker auf der Bühne, halten kurz inne und beraten sich über den Fortlauf des Programms, ohne sich stressen zu lassen. Die Gemütlichkeit der Band wird nur von Rodriguez' charmanter Bescheidenheit und der charismatischen Bühnenpräsenz überboten.

Eigene Songs wie "I Think Of You", "Inner City Blues" oder "Crucify Your Mind" schleichen sich ebenso wohlig durch die Gehörgänge, wie gekonnt praktizierte Cover-Versionen. Diese haben mal viel Groove ("Lucille"), mal tanzbaren Sex-Appeal ("Fever") oder führen die intensive, aber mit insgesamt etwa 75 Minuten viel zu kurz geratene Show thematisch und musikalisch zu einem perfekten Ende ("I'm Gonna Live Till I Die"). Die Menge tobt und fordert nach dem endgültigen Abgang des "Sugar Mans" noch minutenlang Zugaben.

Rodriguez kommt wieder!
Nun heißt es Geduld bewahren – immerhin bekommen all jene, die heute zu kurz geraten sind oder nicht genug kriegen können, am 19. Juli bei der Nova Jazz & Blues Night in Wiesen die Chance, ihn auf der Freiluftbühne zu erleben. Karten für das Konzert erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop. Zudem hat Rodriguez erst unlängst angekündigt, 30 neue Songs geschrieben zu haben. Totgesagte leben eben länger – und das mit ausgeprägter Gelassenheit.

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