Demos in ganz Ö

Wütende Studenten stürmen Landtag in Graz

Österreich
18.12.2013 09:01
Rund 9.500 Studenten haben am Dienstagnachmittag österreichweit gegen die Abschaffung eines eigenständigen Wissenschaftsministeriums demonstriert. Zum Rieseneklat kam es nach einer Landtagssitzung in Graz: Mehr als 200 Studenten stürmten wutentbrannt den Sitzungssaal, besetzten Abgeordnetenstühle und Rednerpult, wo zuvor noch Politiker gesessen waren. Diese mussten dem Treiben fassungslos zusehen.

In Graz hatte sich die Stimmung schon den ganzen Tag über aufgeschaukelt: Rund 1.100 Studenten waren dem Ruf der Hochschülerschaft gefolgt und hatten vor der Uni lautstark gegen die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums protestiert. Zeitgleich fand im Grazer Landesparlament eine Sitzung (siehe Infobox) statt, in der Zwangsfusionierungen von Gemeinden beschlossen wurden. Während die Abgeordneten die Sitzung ausklingen ließen, marschierten mehr als 200 Demonstranten in Richtung Landhaus. Mit Trillerpfeifen im Mund, Transparenten in der Hand und Wut im Bauch.

Kaum hatten die Mandatare den Saal verlassen, kam es durch die Studenten zu dramatischen Szenen: Ordner wurden überrumpelt, der Saal gestürmt (Bilder). Schreie, Parolen und ein fassungsloser Landtagspräsident Franz Majcen (Bild 2): "Diese Räume werden unrechtmäßig besetzt, die Türen waren offen. Ich hoffe nur, man richtet keine Schäden an."

"Das Haus gehört auch uns!", brüllten Studenten ins Mikrofon. "Es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder!" Inzwischen war auch ein Großaufgebot der Polizei vor Ort, ließ niemanden mehr durch. 55 Minuten lang regierte das Chaos im Landhaus, dann zogen die Demonstranten ab, Verletzte gab es nicht.

"Seid's wo angrennt?"
In Wien zogen am Dienstag laut Polizeiangaben rund 7.000 Studenten von der Uni für Bodenkultur, von der Technischen Uni und der Hauptuniversität lautstark mit Trillerpfeifen, Tröten und unter Topfgeklapper in einem Sternenmarsch zum Minoritenplatz (Video siehe Infobox). Sie skandierten: "Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten! Und wer war mit dabei - die Volkspartei." "Seid's wo angrennt?", fragten Teilnehmer auf einem Transparent, andere verkündeten auf einem Plakat den "Winterschlussverkauf - Minus 100 Prozent auf Wissenschaft" und forderten in Anlehnung an Harry Potter ironisch "Dumbledore for Wissenschaftsminister" (kleine Bilder).

"Unsere Bildung ist Eure Gesundheit", ließen Demonstranten der Meduni Wien wissen. Der Demozug der Uni für Bodenkultur rückte mit Traktor, Trommelgruppe und Blaskapelle an. Auf dem Traktoranhänger hatte Rektor Martin Gerzabek vor dem Start des Protestzugs noch eine Ansprache gehalten.

In Salzburg zählte die Polizei 800 bis 1.000 Teilnehmer, in Klagenfurt rund 300. In Innsbruck wurde das alte Wissenschaftsministerium symbolisch "zu Grabe getragen". Neben knapp über 100 teils in Schwarz gewandeten Studenten nahm auch Rektor Tillmann Märk an der "Trauerzeremonie" teil, bei der beim Sarg und dem Grabstein mit der Aufschrift "Hier ruht in Unfrieden: Das BMWF" Blumen niederlegt wurden.

"Forschung kann nicht immer rentabel sein"
Laut dem ÖH-Vorsitzenden Florian Kraushofer von den Fachschaftslisten (FLÖ) soll mit den Demonstrationen die Wut darüber ausgedrückt werden, dass Bildung und Wissenschaft in der neuen Regierung keine Rolle spielen, was sich auch darin zeige, dass Wissenschaft der Wirtschaft untergeordnet werde. "Wissenschaft folgt aber einer anderen Logik, in der Grundlagen- aber auch angewandten Wissenschaft muss es möglich sein, dass Forschung auch einmal ins Leere geht, sie kann nicht immer rentabel sein."

Seine Stellvertreterin Julia Freidl (VSStÖ) nannte das Bildungsprogramm der neuen Regierung "der Sozialdemokratie nicht würdig". Sie appellierte an die Regierung, die Proteste nicht zu ignorieren und der Bildung einen stärkeren Stellenwert zu geben. "Erster Schritt wäre die Wiedereinführung eines Wissenschaftsministeriums."

Auslöser für die Proteste war, dass es in der Regierung Faymann II kein eigenes Wissenschaftsressort mehr gibt, die Agenden werden nunmehr von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner mitbetreut. Mehrere Hochschulen hatten den Studenten für die Teilnahme an den Demonstrationen vorlesungsfrei gegeben. Weitere Großdemos sind auch für Mittwoch geplant.

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