Defekte Implantate

Vier Jahre Haft für PIP-Gründer in Marseille

Ausland
10.12.2013 13:05
Im ersten Strafprozess um den weltweiten Verkauf von Brustimplantaten aus Billig-Silikon, von dem auch Dutzende Österreicherinnen betroffen sind, ist der Gründer des französischen Herstellerunternehmens PIP (Poly Implant Prothese) zu vier Jahren unbedingter Haft und 75.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Marseille sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der 74 Jahre alte Jean-Claude Mas seine Kunden jahrelang bewusst getäuscht hat, und sprach daher auch ein Berufsverbot aus. Der Anwalt des PIP-Chefs legte Berufung ein, sein Mandant darf vorläufig auf freiem Fuß bleiben.

Die vier mitangeklagten ehemaligen Mitarbeiter von Mas seien ebenfalls schuldig gesprochen worden, berichtete Jurist Peter Kolba vom Verein für Konsumenteninformation. Sie kamen allerdings mit milderen Strafen davon, die zwischen 18 Monaten Haft auf Bewährung und drei Jahren Haft liegen. "Das aktuelle Urteil ist für die betroffenen Frauen zunächst einmal eine Genugtuung. Es zeigt, dass Praktiken wie bei PIP nicht ungestraft bleiben", erklärte die Juristin Ulrike Wolf, die die Urteilsverkündung in Marseille für den VKI verfolgte.

73 geschädigte Frauen aus Österreich
Der Wiener Verein für Konsumenteninformation vertritt bei dem Verfahren 73 geschädigte Frauen aus Österreich. Die Gruppe der Österreicherinnen ist die größte Gruppe ausländischer Betroffener in dem riesigen französischen Strafverfahren. In Summe geht es für die österreichischen Geschädigten um rund 580.000 Euro. Insgesamt hatten sich rund 7.400 Frauen dem Prozess als Privatbeteiligte angeschlossen.

Anklage auf vorsätzliche Täuschung und Betrug
Die Anklage im aktuellen Verfahren lautete auf vorsätzliche Täuschung und Betrug. PIP hatte für seine Produkte offenbar billiges Industriesilikon verwendet, was der Firmenchef im Prozess auch zugab. Die Folgen für Tausende Frauen weltweit waren platzende Implantate und Entzündungen, die einen raschen Austausch erforderten. Manche Ärzte rieten auch ohne akute Beschwerden zum Austausch der Implantate, was für die Betroffenen erneute Operationen, Schmerzen und Angst vor Folgeschäden bedeutete. Die aus dem mangelhaften Produkt entstandenen Schäden können die Betroffenen gegen den Hersteller geltend machen. Doch PIP ist insolvent - und aus heutiger Sicht ist damit für die Geschädigten dort nichts zu holen.

Sobald die Urteile rechtskräftig sind, können allerdings Schadenersatzansprüche bei einem französischen Fonds für Verbrechensopfer angemeldet werden. So kann zumindest bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro Entschädigung verlangt werden. "Da sich die Täter als vermögenslos deklariert hatten, bleibt nur dieser Weg, um zumindest einen Teil des Schadens ersetzt zu bekommen", erläuterte Juristin Wolf.

VKI-Zivilverfahren weiterhin anhängig
Die Zivilverfahren des VKI gegen den Haftpflichtversicherer der PIP, die Allianz Versicherung in Paris, sind weiterhin anhängig. Die Allianz bestreitet die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages und die Zuständigkeit für Frauen außerhalb Frankreichs. Die Versicherung war bislang auch nicht bereit, zumindest auf die Verjährung von möglichen Forderungen zu verzichten und damit eine - für beide Seiten - kostengünstige Klärung der Rechtsfragen zu ermöglichen, so der VKI in einer Aussendung.

"Es überrascht uns sehr, dass eine Versicherung ganz offensichtlich darauf setzt, dass sich die Betroffenen eine Klage in Frankreich nicht leisten können und daher auf ihre möglichen Ansprüche verzichten", sagte dazu VKI-Jurist Kolba. "Der Schadensfall PIP ist ein weit über die Grenzen von Frankreich hinausgehender Massenschaden, die Regeln der Europäischen Union stehen auf dem Prüfstand, ob Geschädigte ihre Ansprüche auch tatsächlich über alle Grenzen hinweg durchsetzen können."

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