Seit mehr als einem Vierteljahrhundert steht Will Brooks mit seinem Projekt Dälek für Hip-Hop, der sich nicht von den selbsternannten Fesseln des Genres vereinnahmen lässt. Vor dem Auftritt am 28. Mai im Wiener Flucc sprechen er und Partner Mike Manteca mit der „Krone“ über amerikanische Politik, das Leid mit den Waffen und die Lust, Erwartungen nicht zu entsprechen.
Wenn im popkulturellen Kontext ein Subgenre in den letzten Jahren revolutionär war, dann das weite Feld des Hip-Hop. Dort schwangen sich Künstler nicht nur in kommerziell lichte Sphären hoch, auch im Untergrund haben sich Acts formiert, die die Grenzen des Möglichen immer wieder aufs Neue verschoben haben und versuchen, Musik neu zu denken, zu formen und zu präsentieren. Einer der wichtigsten Köpfe dieser Szene ist Rapper Will Brooks, der 1998 gemeinsam mit Alap Momin aka Oktopus als Instrumentalist und Produzent im rauen New Jersey das Projekt Dälek ins Leben rief. Entstanden aus einer College-Freundschaft entwickelt sich aus dem Duo mit temporären anderen Mitstreitern eine klangliche Macht, die sich über die Jahre zu einer der wichtigsten Sprachrohre progressiver Hip-Hop-Kultur in den USA aufschwang.
Gegen kommerzielle Ausrichtungen
Frei nach dem anfangs zelebrierten Motto „unterschiedliche Talente, ein Geist und keine Grenzen“ entsteht früh das wegweisende Werk „Negro, Necro, Nekros“, das mit seiner politischen und gesellschaftskritischen Ausrichtung einen neuen Farbklecks auf die Hip-Hop-Landkarte der US-Ostküste patzt. Während die beiden Musiker sich entwickeln und experimentieren, entdecken sie immer mehr Musik. Jazz, Krautrock, Elektronik. Dälek sehen all diese Einflüsse nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung. Das gestaltet die eigene Musik mit Fortdauer der Jahre spannender und vielseitiger, geht aber von Anfang an total entgegen einer kommerziellen Ausrichtung. Wegweisend ist dann Anfang der 2000er-Jahre, dass man auf Mike Pattons Label Ipecac unterschreibt und als Vorband seines Projekts Tomahawk mit auf Tour nimmt.
Mit Alben wie „From Filthy Tongue Of Gods And Griots” (2002), „Absence” (2005) oder „Abandoned Language” (2007) verbreitet man die Kunde der Vielseitigkeit und eröffnet sich neben einer steigenden Anzahl an Fans auch die Türen in diverse Feuilletons. 2011 purzelt Oktopus raus, aber man bleibt im Frieden vereint. 2015 stößt dafür Mike Manteca ins Team und vor allem live wird aus dem Neuen und Brooks ein etabliertes Duo, das sich auch schon das eine oder andere Mal in Österreich von seiner besten Seite gezeigt hat. Der kleinste gemeinsame Nenner sind treibende Beats, eine geisterhafte Atmosphäre und eine unkontrollierte Wut auf Politik, Weltlage und das gesamte System. „Ich kann mich noch gut an den Herbst 2008 erinnern“, erzählt Brooks im Gespräch mit der „Krone“, „damals wurde Barack Obama erstmals zum US-Präsidenten gewählt und Freunde haben mich gefragt, was ich denn jetzt machen und wogegen ich ansingen würde. Ich wusste, dass auch er Amerika nicht zu einem Fantasia-Land umbauen könnte – es gibt immer was zu bekritteln.“
Ein Land, auf Waffen gestützt
Gerade in den letzten Jahren wurden die USA zu einer Dystopie, wie sie George Orwell in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte vorhersehen können. Das noch immer aktuellste Dälek-Album „Precipice“ aus dem Jahr 2022 behandelt die Folgen der Corona-Pandemie, die stete Polizeibrutalität, „Black Lives Matter“ und andere Verrohungen, die das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ seit geraumer Zeit erschüttert. „Wir sind schon eine sonderbare Spezies“, lachen Brooks und Manteca bittersüß, „warum finden es schon Kinder so toll, mit ihren Fingern eine Waffe zu formen und auf andere Menschen zu zielen? Schau dir an, was in Texas, Buffalo, Oklahoma oder sonst wo passiert. Man ist nirgends mehr sicher und Waffen sind uns in den USA wichtiger als alles andere. Nicht jedes Kind kann zwischen Spiel und Ernst unterscheiden. Das ganze Land stützt sich auf seine Waffen. Ich bin kein Fan von dieser Art des Faustrechts, aber wir entwickeln uns scheinbar immer weiter zurück.“
Natürlich sei Donald Trump die Spitze des negativen Eisberges, aber auf eine klare Demokraten- vs. Republikaner-Haltung lässt sich Brooks erst gar nicht ein. Er sieht die Problematik viel breitflächiger verortet. „Es sollte überhaupt ein paar Grundregeln für dieses Amt geben. Ist man jung genug? Geistig noch auf der Höhe? Ist die Herausforderung nicht zu groß? Ich zweifle überhaupt jede Person an, die in der Politik arbeitet. Ein Posten dort ist gleichbedeutend mit der Tatsache, dass irgendjemand an den Strippen zieht und du seine Marionette bist.“ Dass die Texte bei Dälek zuweilen explizit und klar definiert sind, ist den beiden ein Anliegen. „Ich halte nicht so viel davon, den Hörern immer allen Interpretationsspielraum zu geben. Die Musik ist für mich wie Therapie. Ich muss mich in ihr klar und deutlich ausdrücken können und kann nicht darauf achten, ob ich zu 1000 Prozent niemandem auf die Füße trete oder seine Gefühle verletzte. Das ist nicht mein Ansatz von Kunst.“
25 Jahre außerhalb aller Schubladen
Brooks geht nach mehr als einem Vierteljahrhundert Dälek steil auf die 50 zu und weiß, dass er sich in den letzten Jahren in jeder Hinsicht entwickelt hat. „Mann, ich weiß doch noch immer einen Scheiß über das Leben und mit Mitte 20 wusste ich noch weniger. Ich bin aber stolz auf jedes Dälek-Album, weil es immer den jeweiligen Moment eingefangen hat und mein Wesen zu dieser Zeit perfekt widerspiegelte. Diese Band hat mir die Möglichkeit gegeben, zu reisen, die Welt zu sehen und Menschen aller möglichen Kulturen kennenzulernen. Ich bin heute etwas ruhiger und weiser geworden, aber das ist in der Musik kein Thema. Acts wie die Death Grips, Fatboi Sharif oder Armand Hammer revolutionieren das Genre und erneuern es immer wieder. Sie pushen mich dazu, selbst immer besser zu werden.“ Dälek kreieren seit Karrierebeginn Musik, die in keine Schubladen passt und zuweilen unangenehm ist. Damit seit mehr als 25 Jahren zu überleben und um die Welt zu touren ist mehr, als sich Brooks anfangs selbst gedacht hat.
Live in Wien
Am 28. Mai besuchen uns Dälek wieder einmal in Österreich - das Duo spielt ein Konzert im Wiener Flucc. Unter www.ntry.at gibt es noch Karten für das spannende Undergroundhighlight, das am Tag vor dem Feiertag stattfindet. Partystimmung ist also garantiert!
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