„Fast Fashion“ überschwemmt die ganze Welt mit Billigkleidung. Währenddessen müssen die Näherinnen in Armut leben und unsere Meere werden mit Mikroplastik geflutet.
Glanz und Glamour auf der eine Seite, Ausbeutung, Umweltverschmutzung und Leid auf der anderen – die Modeindustrie ist eine der ressourcenintensivsten und sozial problematischsten Branchen weltweit. Frauen stehen dabei in einer paradoxen Doppelrolle: Einerseits sind sie die Hauptzielgruppe der Modewerbung und stellen die Mehrheit der Käufer, andererseits sind es ebenfalls zum großen Teil Frauen, die in den Produktionsländern als Billigarbeitskräfte ausgebeutet werden. Niedriglöhne, unmenschliche Arbeitszeiten und gefährliche Arbeitsbedingungen sind Alltag für viele Textilarbeiterinnen, insbesondere in Ländern wie Bangladesch, Indien oder China.
Die aktuelle Ausstellung „Stoffwechsel“ im Frauenmuseum Hittisau versucht diese ambivalente Rolle der Frauen beim Thema Mode sichtbar zu machen, wie Museumsdirektorin Stefania Pitscheider-Soraperra betont. „Geschlecht, Konsumverhalten und globale Ungleichheiten sind eng miteinander verflochten. Frauen sind nicht nur Konsumentinnen, sondern auch diejenigen, die unter prekären Bedingungen für unseren Überkonsum produzieren.“
„Stoffwechsel“ basiert auf der Wiener Ausstellung CRITICAL CONSUMPTION des Museums für angewandte Kunst, wurde aber für Hittisau entscheidend erweitert. Das Museum setzt nicht nur auf eine kritische Auseinandersetzung mit Fast Fashion, sondern auch auf eine geschlechtergerechte und regionale Perspektive. Denn Vorarlberg war bekanntlich einst ein Zentrum der Textilindustrie – „diese Geschichte ist tief in der kollektiven Erinnerung unserer Region verankert“.
Die fatalen Auswirkungen der Modeindustrie
Laut der Europäischen Umweltagentur verursacht die globale Modeindustrie rund zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als der internationale Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Zudem ist sie einer der größten Wasserverschwender. Für die Herstellung einer einzigen Jeans werden bis zu 7500 Liter Wasser benötigt. Darüber hinaus ist die Branche eine Hauptquelle für Mikroplastik in den Weltmeeren, da synthetische Fasern wie Polyester bei jedem Waschgang Mikrofasern absondern. Modeketten bringen heute bis zu 52 Kollektionen pro Jahr auf den Markt – im Vergleich zu den traditionell zwei bis vier Kollektionen großer Modehäuser früherer Jahrzehnte. Pitscheider-Soraperra hebt hervor, wie Soziale Medien diese Entwicklung noch beschleunigen: „Social-Media-Kanäle wirken heute wie ein Turbo im Modekarussell. Plattformen wie Instagram und TikTok erzeugen einen stetigen Strom neuer Trends. Die Modeindustrie reagiert darauf mit immer kürzeren Produktionszyklen, die Mode zur Wegwerfware machen.“
Frauen sind nicht nur Konsumentinnen, sondern auch diejenigen, die unter prekären Bedingungen für unseren Überkonsum produzieren.
Stefania Pitscheider-Soraperra, Direktorin des Frauenmuseums Hittisau
Bild: Frauenmuseum Hittisau
Ein eindrückliches Beispiel für die Folgen des exzessiven Konsums zeigt eine Kooperation des Frauenmuseums mit carla Tex, einem sozialen Unternehmen der Caritas Vorarlberg, auf. Dort werden täglich rund zehn Tonnen Altkleider sortiert – allein aus Vorarlberg! „Diese Zahl steht sinnbildlich für das Ausmaß unserer Überproduktion und Überkonsumation.“
Der globale Süden als Opfer des Konsumwahns
Doch nicht alles, was gespendet wird, kann weiterverwendet werden. Vieles landet auf Mülldeponien oder in Ländern des globalen Südens, wo die Überflutung mit billiger Secondhand-Kleidung lokale Märkte zerstört. Die Ausstellung beleuchtet diese Zusammenhänge anhand künstlerischer Arbeiten und dokumentarischer Beiträge. „Wir präsentieren ein breites Spektrum an historischen Objekten, künstlerischen Arbeiten, Designbeispielen und filmischen Beiträgen.“
Besonders eindrucksvoll sind die Fotografien von Ulrike Köb, die gewaltige Altkleiderberge zeigen, oder die Filmsequenzen aus Wang Bings „15 Hours“, die den belastenden Alltag chinesischer Textilarbeiterinnen dokumentieren.
Fast Fashion ist nicht alternativlos. Im Frauenmuseum werden konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, wie Mode bewusst konsumiert werden kann. Dazu gehören nachhaltige Labels, Kleidertauschbörsen oder die Entscheidung für langlebige Kleidung. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Wertschätzung und Reparatur von Textilien.
Doch individuelles Konsumverhalten allein reicht nicht aus, weshalb Pitscheider-Soraperra auch dafür plädiert, gesetzliche Mindeststandards und transnationale Regelungen einzuführen. „Mode ist nicht nur ein persönlicher Ausdruck, sie ist auch politisch. Was wir tragen, woher es kommt und wie wir damit umgehen, hat globale Auswirkungen. Unser Ziel ist es, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern zum Nachdenken und Handeln anzuregen.“ Oder wie es die Designer-Ikone Vivienne Westwood einmal so treffend formulierte: „Buy less, choose well, make it last.“
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