"Großer Wurf"

NR: Familienrecht, Grundbuchgebühr und Co.

Österreich
05.12.2012 20:31
Einen Schritt in Richtung moderneres Familienrecht hat am Mittwoch der Nationalrat mit dem Beschluss des Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetzes 2013 gemacht. Während sich die Koalition über einen "großen Wurf" freute, hätte sich die Opposition mehr gewünscht. Neben der neuen Obsorge sowie der Neuregelung der Fußfessel für Sexualstraftäter (siehe Infobox) passierten u.a. die neue Grundbuchgebühr, ein zentrales Personenstandsregister sowie die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension den Nationalrat.

Die neue gemeinsame Obsorge ermöglicht ab 2013 auch im Falle strittiger Trennungen das gemeinsame Sorgerecht für beide Elternteile nach einer sechsmonatigen "Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung". Das "Vetorecht" der Mütter bei unehelichen Kindern entfällt, erstmals haben Väter damit ein uneingeschränktes Antragsrecht auf Obsorge. Neuerungen gibt es auch beim Besuchsrecht und dem Namensrecht.

In Patchworkfamilien können Personen, die im gleichen Haushalt leben und "in einem familiären Verhältnis" zum Elternteil stehen (wie Großmutter oder Lebensgefährte) diesen in Notfällen in "Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens" vertreten. Das "Kindeswohl" wird im Gesetz definiert und in den Mittelpunkt der Entscheidungen gerückt. Erneuert wird auch das Namensrecht: Kinder und ganze Familien können künftig - was bisher nur einem Elternteil erlaubt war - Doppelnamen führen.

Es sei ein "umfassendes Paket", das "über eine bloße Reparatur bei Weitem hinausgeht", betonte Justizministerin Beatrix Karl. Die drei Hauptziele seien erfüllt: Beschleunigung der Verfahren beim Familiengericht, Kontinuität für die Kinder und eine menschenrechtskonforme Lösung für ledige Väter. FPÖ, Grünen und BZÖ ging der Schritt hingegen nicht weit genug, sodass die Parteien der Neuregelung nicht zustimmten.

Grundbuchgebühr neu geregelt
Bei der Grundbuchgebühr gilt in Zukunft folgende Regelung: Immobilien-Übertragungen innerhalb der Familie - ganz gleich, ob entgeltlich oder unentgeltlich bzw. privat, von Unternehmen oder in der Landwirtschaft - sowie Immobilien-Übertragungen zur Restrukturierung von Unternehmen werden weiterhin mit 1,1 Prozent des dreifachen Einheitswertes belastet. Für alle anderen Transaktionen stellt künftig der Verkehrswert die Ausgangsbasis dar.

Zentrales Personenstandsregister kommt
Für verkürzte Behördenwege wird bald ein zentrales Personenstandsregister sorgen. In diesem werden sich die wichtigsten Daten zu einer Person - Geburt, Sterbefall, Heirat etc. - finden. Damit soll der zeitaufwendige Informationsaustausch zwischen den Behörden auf dem Papierweg bald der Vergangenheit angehören.

Für die Bürger ergibt sich als Vorteil, dass künftig jedes Standesamt z.B. Heirats- und Sterbeurkunden ausstellen kann und die Vorlage von Urkunden bei vielen Behördenwegen entfällt, weil diese online abrufbar sein werden. Nur im Falle einer Geburt muss man wie bisher die örtlich zuständige Personenstandsbehörde aufsuchen. Die Eintragung des Religionsbekenntnisses in das Personenstandsregister erfolgt nur auf Wunsch.

Weitere Inhalte der Novelle: Eltern wird die Möglichkeit eingeräumt, tot geborenen Kindern Vor- und Familiennamen zu geben. Der Wohnsitz kann nunmehr mittels Bürgerkarte abgemeldet werden, die Abmeldung eines Nebenwohnsitzes bei jeder beliebigen Meldebehörde vorgenommen werden.

Aus für befristete Invaliditätspension
Beschlossen wurde am Mittwoch mit den Stimmen der Koalition auch die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension. Diese wird es künftig nur noch für Menschen geben, die nicht mehr in den Arbeitsplatz integriert werden können. Die befristete I-Pension wird - für Versicherte, die am 1. Jänner 2014 jünger als 50 Jahre sind - abgeschafft. Stattdessen werden Rehabilitations- oder Umschulungsmaßnahmen eingeleitet. Während dieser Zeit wird eine entsprechende finanzielle Leistung gewährt.

Bis 2015 verlängert wurde zudem im Rahmen des Sozialrechts-Abänderungsgesetzes bei der Kurzarbeiter-Regelung die 24-Monate-Variante. Außerdem gibt es eine Erleichterung für die Unternehmen. Für sie wird die Kurzarbeit billiger, der Staat übernimmt ab Jahresbeginn den Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung nicht erst ab dem siebenten Monat in Kurzarbeit, sondern bereits ab dem fünften Monat.

Bilanzpolizei und Bundesfinanzgericht
Weiters wurde beschlossen, dass Österreich in Umsetzung einer EU-Richtlinie als letzter EU-Staat eine Bilanzpolizei bekommt. Als oberste Prüfbehörde fungiert die Finanzmarktaufsicht, die dabei extern durch private Prüfstellen unterstützt werden soll. Demnach soll sie künftig Jahresabschlüsse, Konzernabschlüsse und andere Informationen börsenotierter Firmen auf Rechtmäßigkeit, Richtigkeit und Einhaltung der Rechnungslegungsstandards überprüfen. Bei Verstößen hat sie nach "Maßgabe des öffentlichen Interesses" eine Veröffentlichung anzuordnen. Strafen können bis zu 100.000 Euro ausmachen, wenn ein Unternehmen den Prüfern gegenüber Falschangaben macht.

Als Folge der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird auch ein Bundesfinanzgericht eingeführt, das am 1. Jänner 2014 an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates tritt. Es wird damit für alle Berufungen in Steuer-, Zoll-und Finanzstrafsachen zuständig sein. Angesiedelt wird es in Wien - in Feldkirch, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg wird es Außenstellen geben.

Wilder Schlagabtausch zum Kartellrecht
Zu einem wilden Schlagabtausch kam es rund um die Kartellrechtsnovelle - diese wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach beschlossen - zwischen dem BZÖ-Abgeordneten Peter Westenthaler und SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim.

Aufgrund einer Änderung der Novelle im Justizausschuss warf Westenthaler den beiden Koalitionspartnern vor, von Lobbyisten der Energiewirtschaft beeinflusst worden zu sein. Der BZÖ-Abgeordnete sprach von einem "Skandal", der "ganz massiv stinkt" und ein Fall für die Korruptionsstaatsanwaltschaft sei. "Wer war bei Ihnen? Der OMV-Chef? Wer hat lobbyiert?", fragte er die beiden koalitionären Justizsprecher Jarolim und Michael Ikrath (ÖVP).

Die geharnischte Antwort Jarolims ließ nicht lange auf sich warten. Er hielt Westenthaler vor, dass er als "Vorbestrafter, mitten drinnen im Eurofighter-Skandal, auf miese Art und Weise ablenken" wolle und dessen "Niveaulosigkeit kaum mehr zu unterbieten" sei. Was wiederum eine tatsächliche Berichtigung Westenthalers zur Folge hatte, der aus seinem Strafregisterauszug vorlas, dass er nicht vorbestraft sei. Daraufhin entgegnete Jarolim, dass Westenthaler "vorbestraft war, aber nicht nicht mehr ist", wozu er "herzlich gratuliere".

Beweislastumkehr im Justizausschuss gestrichen
Bei der geänderten Passage handelt es sich um die sogenannte Beweislastumkehr. Im ursprünglichen Entwurf von Justiz- und Wirtschaftsministerium zum Kartell- und Wettbewerbsrecht war vorgesehen, dass marktbeherrschende Energieunternehmen höhere Preise begründen müssen - also die Beweislast bei ihnen und nicht bei den Behörden liegt. Dies wurde im Justizausschuss gestrichen.

Aus Sicht der SPÖ sei die Debatte über die Beweislastumkehr aber nicht beendet, in der vorgesehenen Form wären nur Landes-Energieunternehmen betroffen gewesen. Das habe zu kurz gegriffen, denn man wolle auch z.B. Tankstellen oder den Lebensmittelhandel erfassen.

Justizministerin Karl äußerte sich nicht zur Beweislastumkehr. Sie unterstrich lediglich, dass die Novelle erhebliche Verbesserungen mit sich bringe - und zwar sowohl im Sinn eines "fairen und angemessenen Wettbewerbs" als auch der Konsumenten.

Höhere Strafen für Verkauf von NS-Devotionalien
Deutlich strenger bestraft wird künftig der Verkauf von NS-Abzeichen oder -Devotionalien auf Flohmärkten oder in Antiquariaten. Mit einer am Mittwoch einstimmig beschlossenen Änderung des Abzeichengesetzes wurde die Höchststrafe von rund 727 auf 4.000 Euro angehoben. Initiiert wurde diese Gesetzesänderung von den Grünen. Der Strafrahmen war seit Einführung des Gesetzes im Jahr 1960 nicht mehr geändert worden.

Ebenfalls einstimmig novelliert wurde das Sprengmittelgesetz. Damit ist künftig grundsätzlich das Verteidigungsministerium für die Sicherung und Vernichtung von Kriegsmaterial zuständig. Festgeschrieben wurde u.a., dass die zuständige Behörde - etwa mittels Megafon oder durch Anzeige in Medien - ein Platzverbot verhängen kann, solange eine Gefährdung der Bevölkerung nicht ausgeschlossen ist.

Die Ausnahmen von dnzeichnet werden können oder einen geringen Gefährlichkeitsgrad aufweisen.

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