Investoren sagen ab

Versandhändler Neckermann schließt mit 30.9.

Wirtschaft
27.09.2012 16:50
Beim insolventen deutschen Versandhändler Neckermann ist der letzte Interessent abgesprungen. Damit wird das Unternehmen zum 30. September geschlossen, wie die vorläufige Insolvenzverwaltung Joachim Kühne am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Weiterhin zuversichtlich gibt man sich bei der Österreich-Niederlassung.

Der potenzielle Investor habe, so wie zahlreiche andere Interessenten, letztlich abgewunken, heißt es. Der finanzielle Aufwand sei wegen des lange Jahre entstandenen Investitionsstaus im zweistelligen Millionenbereich zu groß gewesen. Die Schuld für das Scheitern sieht der Insolvenzverwalter bei den Vorbesitzern Neckermanns: Alle Interessenten schreckten vor der Höhe der für eine Sanierung nötigen Investitionen zurück, nachdem sie einen Blick in die Bücher geworfen hatten.

Mit der Entscheidung verlieren zum 1. Oktober rund 2.000 Beschäftigte des Traditionsunternehmens in Frankfurt und Sachsen-Anhalt ihre Jobs. Am Freitag haben die meisten ihren letzten Arbeitstag. Nur einige wenige werden für Abwicklungsarbeiten benötigt. Die übrigen Beschäftigten müssen sich neue Arbeit suchen. Die Arbeitsagentur hatte in Hessen die Daten bereits in der vergangenen Woche aufgenommen. Genaue Zahlen liegen nach Angaben einer Sprecherin der Regionaldirektion noch nicht vor.

Bereits am Mittwoch Mitarbeiter informiert
Insolvenzverwalter Kühne hatte aus rechtlichen Gründen trotz der letzten Gespräche mit dem noch verbliebenen Interessenten bereits am Mittwoch das Aus für Neckermann ankündigen müssen. Die Mitarbeiter wurden bereits über ihre bevorstehende Kündigung informiert. Mit dem Ausscheiden des letzten Interessenten ist das einst zu den führenden Versandhäusern Europas gehörende Unternehmen mehr als 60 Jahre nach seiner Gründung Geschichte.

Das Aus zeichnete sich bereits vor zwei Wochen ab. Die Insolvenzverwalter aus der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle werfen dem Management unter dem bisherigen Eigentümer, dem Finanzinvestor Sun Capital, indirekt Geldverschwendung vor. Die Interessenten hätten vor allem moniert, dass über einen langen Zeitraum hinweg nicht kostenbewusst gewirtschaftet worden sei. Überall seien sie bei ihrer Prüfung auf die sichtbar schlimmen Folgen für die Wirtschaftlichkeit des Betriebs gestoßen. Die Kanzlei hatte nach eigenen Angaben mehr als 200 Interessenten angesprochen. 50 hätten Neckermann auf Herz und Nieren geprüft.

Sun Capital hatte 2008 die Mehrheit an dem Unternehmen übernommen. Der US-Finanzinvestor drehte im Juli den Geldhahn zu, nachdem er nach eigenen Angaben 200 Millionen Euro investiert hatte. Nicht von der Insolvenz betroffen ist der Touristik-Anbieter Neckermann Reisen, der seit Längerem zu Thomas Cook gehört. Neckermann hatte mit seinem Kataloggeschäft und dem berühmten Slogan "Neckermann macht's möglich" über Jahrzehnte den Versandhandel in Deutschland geprägt. Auf das boomende Internetgeschäft hatte der Konzern aber zu spät gesetzt.

Neckermann Österreich weiter zuversichtlich
Weiterhin zuversichtlich gab man sich am Mittwoch bei der Österreich-Niederlassung des Versandhauses. "Die Zerschlagung der deutschen Neckermann bereitet uns keine größeren Probleme", versichert Clemens Jaufer, der mit Masseverwalter Norbert Scherbaum die Fortführung der Neckermann Versand Österreich AG (NVÖ) begleitet. Man sei "guter Dinge", bis zur Sanierungstagsatzung am 22. Oktober einen Investor präsentieren zu können. Derzeit gebe es mehrere Interessenten, darunter auch solche, die sich ursprünglich bei Neckermann Deutschland umgesehen hätten.

Jaufer verwies einmal mehr auf die unterschiedlichen Modalitäten bei den Insolvenzverfahren in Deutschland und Österreich. Schon vor der Konkursanmeldung im Juli habe man an der Loslösung von der Muttergesellschaft gearbeitet, "ein Prozess, der mittlerweile weit fortgeschritten ist". Dass die Abwicklung in Deutschland ab kommender Woche für Neckermann Österreich nun eine Art Bewährungsprobe für die Überlebensfähigkeit sei, will der Wirtschaftsanwalt nicht gelten lassen: "Wir wissen ja schon, dass es funktioniert." Wegen der Markenrechte, die immer wieder als Fußangel genannt werden, macht sich Jaufer keine großen Sorgen, die Rechte für Österreich sollen herausgelöst werden.

Insolvenz ohne Überschuldung angemeldet
Nach der Pleite der deutschen Mutter meldete NVÖ Ende Juli - ohne Überschuldung - Insolvenz an und suchte um ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung mit einer 20-prozentigen Quote an. Gleichzeitig mit der schrittweise Reduktion des ursprünglich 70-prozentigen Bezugs von der Mutter konnte die Liquidität durch einen neu abgeschlossenen Factoringvertrag sowie durch einen Kontokorrentkredit der Hausbank RLB OÖ über 2 Millionen Euro bis Ende November sichergestellt werden. Dazu erzielte man eine Einigung mit dem Vertriebspartner Post AG.

Spätestens am 22. Oktober, wenn es vor dem Grazer Handelsgericht um die Annahme des Sanierungsplans geht, soll ein Partner mittels Share- oder Assetdeal an Bord sein und das insolvente Versandhandelsunternehmen mit seinen fast 300 Mitarbeitern ein neues Durchstarten ermöglichen.

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