Album & Tour

Scooter: 30 Jahre voll kompromissloser Eskalation

Musik
23.03.2024 09:00

60 Jahre H.P. Baxxter, 30 Jahre Scooter – dieses Doppeljubiläum feiert die Hamburger Techno-Institution mit dem neuen Album „Open Your Mind And Your Trousers“ und einer üppigen Europatour samt „Krone“-Wien-Termin am 12. April in der Stadthalle. Auch auf dem neuen Werk ist fix: Die Verstärker sind wieder auf Anschlag gedreht.

(Bild: kmm)

Ob das Cover-Artwork der neuen Scooter-Platte wirklich dem legendären Rolling-Stones-Album „Sticky Fingers“ nachempfunden ist? Mag sein, man kann es aber nicht mit Gewissheit sagen. Während Mick Jagger und Co. vor 53 Jahren ein markantes Gemächt durch die Jeans blitzen ließen, machen moderne Grafikelemente es heute möglich, dass sich hinter der (eindeutig weiblich geformten) Hose das Konterfei von Band-Zampano H.P. Baxxter verbirgt. Um schlüpfrige und seichte Schmähs waren die Techno-Könige aus Hamburg noch nie verlegen, das ändert sich auch beim mittlerweile 21. Studioalbum nicht mehr, das einer mehr als gut verkauften Europa-Tour zuvorkommt und den Heldenstatus von Scooter weiter einzementieren soll. Während andere Bands durch die Corona-Jahre siechten, erwachten Baxxter und seine wechselnden Mitstreiter in einer Art zweiten Frühling.

Skibadee, skibadanger
Zuerst gelang mit „FCK 2020“ nicht nur die ultimative Corona-Hymne, der Song reihte sich nach knapp 25 Karrierejahren mühelos zu den allerbesten der Bandhistorie. Mit dem dazugehörigen Album „God Save The Rave“ (am Cover H.P. und seine Jünger beim letzten Abendmahl vor fulminanten Verstärkertürmen) kletterte die Band erstmals seit 2009 wieder unter die Top-5 der deutschen Albumcharts und die 2023 erschienene Dokumentation „FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter“ brachte die Band auch einem Publikum näher, das bislang verächtlich die Nase rümpfte oder mit dem dauerblondierten Musikfreak noch gar nichts am Hut hatte. 2024 gehen die Feierlichkeiten munter weiter. Vor wenigen Tagen feierte Baxxter im engeren Kreis seinen – man mag es nicht glauben – 60. Geburtstag, exakt das halbe Leben davon wendet er bereits für Scooter auf.

Zum Jubiläum gibt es nun nicht nur die „Thirty, Rough And Dirty!“-Tour samt „Krone“-Konzert in der fast schon knallvollen Wiener Stadthalle, sondern auch das lyrisch einmal mehr hochwertig betitelte Studiowerk „Open Your Mind And Your Trousers“. In 15 Songkapiteln verquirlt H.P. wieder genau jene Ingredienzien, die sein Leben in mehrfacher Hinsicht rapide verbessert haben: markantes Shouting, sinnentleerte und aberwitzige Texte und Wortspiele, krachende Beats und ein paar Gäste, die zahlreiche Fans aus anderen Sub-Stilen bzw. Generationen zur deutschen Techno-Urmutter Scooter heranziehen sollen. Dass einem dabei die frisch geöffnete Hose sodann gleich wegfliegt, liegt auf der Hand. Tracks wie die pumpende Berghain-Liebeserklärung „Berliner Luft“, „Rave & Shout“ oder das von H.P.s Schiffsfahrten inspirierte „I Keep Hearing Bingo“ donnern mit Vollstromgeschwindigkeit durch die Boxen und schieben jedweden Anflug von Alltagsmelancholie sofort zur Seite. Tutto Gas!

Techno Is Back
Neben dem etablierten österreichischen Erfolgsduo Harris & Ford hat sich H.P. für „For Those About To Rave“ den leidlich erfolgreichen Blasinstrumentenkünstler Timmy Trumpet ins Boot geholt. Berlins Asi-Rapper Finch, König des schlechten Geschmacks und der Spotify-Playlists, begleitet sein Idol Baxxter hingegen auf dem durchaus gelungenen „Posse Reloaded“. Das Original, „Posse – I Need You On The Floor“, hat schon 23 Jahre auf dem Buckel und zählt zu den absolut Fan-Favoriten, ging im Wulst der Riesenhits von Scooter aber unverdient unter. Für Baxxter war das „Reloaded“-Projekt ein willkommener Anlass für Nostalgie, schließlich trennte sich Scooter damals vom alten, sehr trancigen Stil und ging in eine neue, kommerziellere Richtung. Da darf man zum 30er der Band schon einmal stolz zurückblicken. Auch das nach einem luxuriösen schottischen Spa benannte Instrumental „Ardrhu“ stößt mit seiner Melodieführung in die seligen Frühzeiten Scooters, als Trance noch das Gebot der Stunde war.

In dieser Mischung aus zeitgemäßer Hit-Tauglichkeit und Rückschau auf die eigenen Meriten liegt mitunter das Erfolgsgeheimnis, wie Baxxter im „Krone“-Interview anmerkt. „Früher wollte ich mit New-Wave-Musik berühmt werden und keinen Menschen hat das interessiert. Scooter war dann als kleines Producer-Projekt gedacht und wurde zu einem Riesending. Was ich gelernt habe ist, dass man im Leben absolut nichts planen kann.“ Nach 30 Jahren Scooter kann sich H.P. Baxxter nicht nur einen noblen Landsitz und allerlei britische Oldtimer und Sportautos leisten, er hat sich wie kein Zweiter in der Szene selbst zu einer Marke inszeniert, die längst größer ist als ihr Ruf und die Vergangenheit. Wurde einem als Scooter-Fan jahrelang verächtlich und mit gerümpfter Nase entgegnet, ist es in Hipster-Kreisen heute längst sonderbar, wenn man die doppelbödige Selbstironie und Baxxters einzigartiges Humorverständnis nicht genial findet. The Times They Are A-Changin‘, sagte einst schon ein nicht allzu unbekannter Folk-Rock-Barde aus Amerika.

Be Savage – Not Average
Bis zum Wien-Konzert sind nun noch ein paar Wochen Zeit und man kann die Stimmbänder bei den neuen Songs bereits vorab ölen. Natürlich werden auch All-Time-Klassiker wie „Hyper Hyper“, „Maria (I Like It Loud)“ oder „One“ nicht fehlen. Nach drei Dekaden Scooter ist die Auswahl der Setlist nicht mehr so leicht. Schon gar nicht dann, wenn alle paar Jahre und mit jedem weiteren Studioalbum neue Songs für die Live-Ewigkeit dazustoßen. H.P. selbst bleibt fit wie ein Turnschuh, was wohl auch mit adaptierten Lebensgewohnheiten zu tun hat. Zum 60er will er seine Freundin Sara ehelichen und tatsächlich noch Vater werden, außerdem hat er den in der Doku so berühmt gewordenen Barzwang für sich selbst gelockert und genießt im heimatlichen Blankenese auch einmal eine gute Tasse warmen Tee. Wichtig ist nur, dass der wilde Blonde allabendlich auf der Bühne von den Ketten gelassen wird. „Be savage – not average“, um es mit Baxxters eigenen Worten im Song „Sun Comes Around“ zu sagen. Wo bleibt eigentlich der verdiente Literaturnobelpreis?

Live in Wien
Am 12. April sind Scooter im Zuge ihrer „Thirty, Rough & Dirty!“-Tour für ein „Krone“-Konzert in der Wiener Stadthalle zu sehen. Unter www.oeticket.com gibt es noch vereinzelte Restkarten, es ist aber mit einer vollen Hütte zu rechnen. Hyper Hyper!

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