Machtwechsel in Polen

Parlament bestimmt Tusk zum neuen Regierungschef

Ausland
11.12.2023 19:34

Polens Parlament hat am Montag den früheren Oppositionsführer Donald Tusk zum künftigen Regierungschef bestimmt. 248 der 449 anwesenden Abgeordneten stimmten für den Chef der liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO). Der bisherige amtierende Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kritisiert in einer letzten Rede seinen Nachfolger. 

Zuvor war der amtierende Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit seinem neuen Kabinett im Parlament gescheitert. In einer Vertrauensabstimmung votierten am Montag nur 190 von 456 Abgeordneten für Morawieckis nationalkonservative PiS-Regierung, 266 dagegen.

Noch-Premier attackiert Tusk in letzter Rede
Morawiecki nutzte seinen letzten Auftritt als Regierungschef für Kritik an Tusk. Dessen liberale Politik als Regierungschef von 2007 bis 2014 habe Polen ausländischen Interessen unterworfen und die Wirtschaft belastet, sagte er. Der rechtskonservative Politiker entwarf in seiner Rede die Vision eines Polens, das zum „Land gut bezahlter Spezialisten“ werde und einen „Lebensstandard auf dem Niveau Westeuropas, ohne die dortigen Fehler zu wiederholen“ habe.

Eine Abgeordnete von Tusks Bürgerkoalition (KO) stand während Morawieckis Rede als Zeichen des Protests mit dem Rücken zu ihm. Tusk kommentierte den Schwanengesang des PiS-Regierungschefs auf der Plattform X mit folgenden Worten: „Auf die Plätze, fertig, los!“ („Ready, steady, go!“).

Stehende Ovationen für Lech Wałęsa
Der erste demokratisch gewählte Präsident Polens nach dem Fall des Kommunismus, der Gewerkschaftsführer und Friedensnobelpreisträger, Lech Wałęsa, war im Sejm anwesend und erhielt stehende Ovationen der Opposition. Der 80-Jährige trug einen Pullover mit der Aufschrift „Verfassung“. Damit äußern Gegner der Regierungspartei PiS ihre Kritik an der Herrschaft der Partei, die sie als demokratischen Rückfall sehen.

Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober hatten drei proeuropäische Parteien der bisherigen Opposition unter Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Tusk eine klare Mehrheit von 248 der insgesamt 460 Sitze im Sejm errungen. Ein Koalitionsvertrag ist bereits unterschrieben. Die PiS erhielt nur 194 Sitze und hat keinen Koalitionspartner.

Trotz dieser Mehrheitsverhältnisse hatte Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt und dessen Kabinett Ende November vereidigt. Die Verfassung sieht vor, dass der Regierungschef innerhalb von 14 Tagen nach der Vereidigung die Vertrauensfrage im Parlament stellen muss. Erst wenn er scheitert, ist das Parlament am Zug und kann aus seiner Mehrheit heraus eine Regierung bestimmen.

Regierung soll am Mittwoch vereidigt werden
Tusk hat angekündigt, dass er am Dienstag eine Regierungserklärung abgeben und seinerseits die Vertrauensfrage stellen will. Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es dazu am Samstag, Präsident Duda beabsichtige „keine Verzögerung“. Die neue Regierung könne daher am Mittwochvormittag vereidigt werden.

Mit Spannung wird erwartet, wie sich unter Tusk das Verhältnis der bisherigen engen EU-Verbündeten Polen und Ungarn entwickelt. Das ungarische Onlineportal nepszava.hu schrieb am Montag, dass sich das Verhältnis abkühlen werde.

Das Portal verwies auf Aussagen von Tusk, wonach Polen einer ungarischen Regierung gegenüberstehe, die sich offen auf die Seite der Russen gestellt habe. Es werde sich zeigen, was der 66-Jährige in einer solchen Situation unternehmen könne. Tusk wolle versuchen, mit dem ungarischen Premier Viktor Orbán zu verhandeln. Er glaube jedoch nicht, dass er angesichts dessen engen Beziehungen zu Russland und Wladimir Putin den Standpunkt von Orbán werde ändern können.

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