Sturm muss ausweichen

Grazer Stadion-Debatte entbrennt einmal mehr

Steiermark
09.08.2023 06:00

Dieser Bauchfleck lässt die Wogen hochgehen: Sturm darf selbst in der Europa League nur noch mit Ausnahmegenehmigung in Liebenau spielen. Plus: Lesen Sie in unserem Kommentar, wieso das eine einzige Lachnummer ist.

Kein „Pickerl“ mehr für die Merkur Arena. Der europäische Fußballverband UEFA hat dem Liebenauer Stadion die Zulassung für europäische Bewerbe verweigert. „Die Blamage für die Sportstadt Graz ist perfekt“, schüttelt Sturm-Boss Christian Jauk den Kopf. „Das sind Erschwernisse, die so nicht hätten sein müssen. So nicht hätten sein dürfen!“

Von Schuldzuweisungen versucht der Banker Abstand zu nehmen. Aber: „Ich will Lösungen, wir wollen Spitzenfußball in Graz. Das ist derzeit laut UEFA nicht möglich. Ich fühle mich an die Rasenthematik erinnert, da ist erst etwas passiert, als uns die Bundesliga das Stadion gesperrt hat. Hoffentlich ist das auch jetzt ein Weckruf zur rechten Zeit.“

Christian Jauk (Bild: Pail Sepp)
Christian Jauk

Klagenfurt statt Graz
Würde man gegen Eindhoven doch noch ins Play-off einziehen, müsste man nach Klagenfurt auswandern. Champions-League-Gruppenphase ist in Graz nicht mehr möglich, selbst die Europa-League darf nächstes Jahr nicht mehr in Liebenau ausgetragen werden.

Seit dem „Nein“ aus Nyon ist die Schuldfrage für diese Blamage entbrannt. Für ÖVP, KFG und FPÖ ist (wenig überraschend) die Stadtregierung schuld am Desaster. Dort wirkte man einigermaßen überrascht: „Die von der UEFA geforderten Maßnahmen werden in Absprache zwischen Sturm und dem Stadionmanagement ja umgesetzt“, sagt Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). Parteikollege und Finanzstadtrat Manfred Eber hat dafür 650.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Elke Kahr (Bild: ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com)
Elke Kahr

Kein Pickerl, aber Grund unbekannt
Doch was ist damit bisher in Liebenau passiert? „Abgeschlossen ist bisher etwa die Erweiterung der Flächen für Medien im Innenraum und auch ein vergrößertes Büro für die UEFA“, gibt Stadionmanager Gerald Pototschnig Auskunft. Bis zum Play-off wäre auch eine Erweiterung des TV-Bereichs auf knapp 1000 Quadratmeter abgeschlossen – bis zur Gruppenphase würde dazu die neue Medientribüne fertig sein.

Zitat Icon

Von der UEFA war nie jemand in Graz. Deshalb werden wir Vertreter einladen, damit sie uns erklären, woran es hakt. Fakt ist, dass wir uns ja an der Grenze der Kapazität bewegen.

Gerald Pototschnig, Leiter Sportstättenmanagement Liebenau

Warum es dennoch kein Pickerl gab? „Das wissen wir nicht“, ist Pototschnig ehrlich. „Die Kommunikation läuft nur über Sturm. Von der UEFA war nie jemand in Graz, deshalb werden wir jetzt aktiv Vertreter einladen, um zu klären, woran es hakt.“

Kommentar: Eine einzige Lachnummer
Nein, wir können es nicht wirklich verifizieren, aber es ist nicht auszuschließen, dass hohe Verantwortliche in Graz gestern Sturms Gegner aus Eindhoven vorm TV die Daumen drückten. Passierte das einst mehr oder weniger offen aus (sportlicher) Überzeugung, hofft man jetzt im Rathaus mit einem Ausscheiden Sturms aus der Qualifikation zur Champions League ein PR-Desaster zu vermeiden. Man muss sich das nur einmal vorstellen: Der SK Sturm empfängt in der Königsklasse Real Madrid - und die auf einem Werk von Georg Friedrich Händel basierende Hymne ertönt nicht in Graz, sondern in Klagenfurt. Ausgerechnet im von Steirern gern und oft belächelten Kärnten!

Dabei ist die einzige Lachnummer in diesem Trauerspiel die Grazer Politik. Es ist schon erstaunlich, mit welchem Selbstbild etwa die ÖVP in dieser Causa gegen die Regierungskoalition pestet. Jene Volkspartei, die fast zwei Jahrzehnte hinweg den Bürgermeister stellte und in dieser Zeit nur wenig Geld und noch weniger Liebe in Liebenau investierte.

Bei KPÖ, Grünen und SPÖ sollte man aber nun nicht allzu enthusiastisch mit dem Kopf nicken. Von der im Wahlkampf immer wieder angekündigten Zwei-Stadien-Lösung blieb außer gefühlt 70 Stadion-Gipfeln wenig übrig. Gleichzeitig wurde eine Straßenbahngarage für über 200 Millionen Euro oder eine millionenschwere Verschönerungskur für den Tummelplatz auf Schiene gebracht. Lässt sich alles argumentieren, nur sollte man Sturm endlich reinen Wein einschenken. Und zwar, dass die Politik an Spitzenfußball nicht interessiert ist.

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