Schmerzen im Griff

Leicht und locker arbeiten statt verspannt leiden

Gesünder leben
20.06.2023 06:00

Wohl jeder leidet ab und zu an Verspannungen und Schmerzen in Nacken, Schulter oder Rücken. Schuld tragen Stress, psychischer Druck und Arbeitsüberlastung. Powercouple Manuela und Alec verraten im Interview Gegenstrategien, die einfacher nicht sein könnten - wenn man sie zum täglichen Ritual macht.

Es geht nichts über eine wohltuende Massage nach oder während eines anstrengenden Tages vor dem Computer. Das wird uns zweimal im Monat in der Redaktion zuteil, wo Alec Roger Smith, Experte für div. Massagetechniken, Teamleader, und Practitioner mit Unterstützung unseres Arbeitgebers dafür sorgt, dass Stress, Druck und Muskelverspannungen eine Zeit lang ausgeblendet werden können. Doch das allein bringt noch keine nachhaltige Schmerzfreiheit - man muss und kann auch selbst etwas dafür tun. Davon lesen Sie in diesem Interview.

Gemeinsam mit seiner Frau Dr. Manuela Weber-Smith, Sportwissenschaftlerin und Expertin für Psychosomatisches Training, hat er Wellbeing Solutions in Korneuburg, NÖ, und Wien gegründet. Der Name ist Programm. Denn es geht nicht um kurzfristige Erleichterung, sondern Erlernen eines Lebensstils, der für mehr Leichtigkeit, Freude und Körperbewusstsein sorgt.

Gesünder Leben“: Warum nehmen Nacken- und Rückenschmerzen immer mehr zu? Es gibt ja eigentlich niemanden mehr, nicht einmal Kinder und Jugendliche, die nicht darüber klagen.
Alec: Ständiger Zeitdruck, Stress, langes Sitzen vor dem Bildschirm sind für den Körper sehr belastend. Dauerndes Sitzen, Schultern hochziehen - das bemerkt man meist gar nicht - Fokussieren auf den Bildschirm, führen unweigerlich zu Dysbalancen.

Manuela: Je konzentrierter man ist, desto mehr „wandert“ man sozusagen in den Bildschirm hinein.
Alec: Genau. Dann kommt noch die Anstrengung für die Augen dazu. Das führt zu noch mehr Muskelverhärtungen, in erster Linie im Nacken und gesamten Schultergürtel.
Manuela: Unsere Wirbelsäule ist nicht dafür gedacht, stundenlang unbeweglich zu verharren. Auch die Bandscheiben brauchen Bewegung. Das ist eigentlich das Hauptproblem des modernen Lebensstils.

Die Arbeitsanforderungen sind ja kaum beeinflussbar, die Digitalisierung und damit die Nutzung von Computer, Tablet und Handy schreitet weiter voran. Was kann oder soll man also tun?
Manuela: Da geht es einmal darum, körperlich aus der angespannten Situation herauszukommen. Regelmäßig aufstehen, die Wirbelsäule mobilisieren, Arme über den Kopf heben, sich durchschütteln, strecken, durchatmen, ein paar Schlucke Wasser trinken als Ritual während des gesamten Arbeitstages jede halbe Stunde, wäre schon ein wichtiger Ansatz.

Man muss gar kein Gymnastikprogramm oder Ähnliches durchführen, das ist vielen Menschen verständlicherweise zu kompliziert. Es ist natürlich einfacher, wenn man allein in einem Zimmer sitzt. Im Großraumbüro müsste man es als Art Gemeinschaftsübung einführen. Warum geht man denn schnell einmal einen Kaffee holen, eine Zigarette rauchen? Weil man instinktiv spürt, dass man raus muss, kurz einen Platzwechsel nötig hat. Aber das ist weder eine gezielte Entlastung noch eine Gesundheitsmaßnahme.

In den wenigsten Firmen wird es wohl so etwas wie ein gemeinschaftliches Dehnen, Strecken, Bewegen geben. Wie gewöhnt man es sich aber an?
Manuela: Am besten man stellt sich alle 30 Minuten einen Wecker/eine Erinnerungsfunktion im Kalender mit Ton. Dabei kommt es vor allem anderen auf die Regelmäßigkeit an. Es muss ein Bestandteil des Arbeitsalltages, des Lebens sein, immer wieder aufzustehen und in Bewegung zu kommen. So wie das Kinder tun - bis wir es ihnen leider abgewöhnen.

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Mein Traum wäre es, wenn in jedem Büro alle regelmäßig Bewegungseinheiten durchführen. Das würde nicht nur dem Körper und dem Wohlbefinden nützen, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl stärken.

Manuela Weber-Smith

Einmal in der Woche zum Yoga, ins Fitnessstudio, zum Laufen zu gehen, ist aber doch auch eine Regelmäßigkeit.
Manuela: Ja, schon, und auf jeden Fall viel besser als gar keine Bewegung, aber man darf sich davon nicht zwingend erwarten, arbeitsbedingte Schmerzen auf Dauer loszuwerden. Dafür muss man eben seine täglichen kleinen Einheiten einbauen. Es sollte einfach und selbstverständlich sein. Zum Beispiel beim Telefonieren ein Bein im Stehen am Sessel auflegen und dehnen, die Arme schwingen, die Hände hinter dem Rücken verschränken.

Simple Abläufe, die man verinnerlicht und gar nicht mehr darüber nachdenken muss. Dazwischen darf man auch einmal lümmeln, die Arme hängen lassen. Es muss locker und leicht sein, ohne Zwang. Dann fühlt sich das Leben auch gleich lockerer an! Dazu zählt auch das Gähnen. Obwohl es in Gesellschaft als unhöflich gilt, hat es viele positive Effekte.

Das klingt ungewöhnlich - wie ist das gemeint?
Manuela: Wenn man den Mund aufreißt und herzhaft gähnt, schaltet der Körper auf Entspannung. Es öffnet sich das Zwerchfell, der ganze Organismus geht aus dem „Angriffsmodus“. Das nimmt Druck heraus, der Drang, sich zu strecken, tut der Wirbelsäule gut, die Spannung in der Muskulatur lässt nach, bis hinauf in den Kopf. Letztlich profitiert davon nicht nur der Bewegungsapparat, sondern auch Organe, Faszien und die psychische Verfassung. Psychische Belastungen verstärken das Problem noch.

Sollte man sich zum Beispiel einen Sitzball oder ein anderes solches Tool fürs Büro anschaffen?
Alec: Dynamisches Sitzen, wie etwa auf Bällen sorgt für Lockerung. Mikrobewegungen sorgen für wichtige Muskelimpulse. Das ist nie verkehrt und ergänzt einen ergonomischen Arbeitsplatz.
Manuela: Aber auch Pezzibälle statt Schreibtischsessel dürfen nicht zu tief sein, sonst zieht man die Schulter erst recht wieder hoch und verspannt sich trotzdem.

Das führt zur psychischen Komponente von Schmerzen. Die wird ja meist übersehen, oder?
Manuela: Die Körperhaltung hat ganz enormen Einfluss auf das Befinden. Wenn sich die Brustmuskulatur durch häufige vorgeneigte Haltung und gesenktem Kopf zusammenzieht, macht einen das kleiner, man fällt in sich zusammen. Das bewirkt oft auch ein Zusammensinken des Selbstbewusstseins, welches durch diese Fehlhaltung signalisiert wird. Es macht uns unsicher oder sogar ängstlich.

Die erste Maßnahme ist daher: Gerade und aufrecht stehen, ohne übertrieben die Brust rauszustrecken, aber mit erhobenem Kopf. Man muss es verinnerlichen. Dann entsteht eine Ausgewogenheit, die emotionale Stärke baut sich wieder auf. Ebenso durch lachen und gezieltes Atmen. Den Atem fließen lassen. Achten Sie darauf, ob Sie stockend oder flach atmen. Fühlt es sich an wie ein Korsett, wenn Sie in der Spannung die Luft anhalten? Dann heißt es: loslassen, ausatmen, wieder in den Fluss kommen. Es entsteht ein höherer Energielevel, was wiederum die Arbeitsleistung und den Selbstwert verbessert.

Alec: Noch ein Beispiel für eine Achtsamkeitsübung: Gedanken auf die Naseninnenflügel richten, den Luftzug spüren, der darüber gleitet, dann ist man in Gedanken kurz komplett fokussiert, nur bei sich, alles andere ist ausgeblendet. Das benötigt nur wenige Minuten.

Welchen Part nimmt die Massage ein?
Alec: Auch als Masseur muss man ganzheitlich denken und erkennen, woher die Verspannungen eines Klienten kommen. Ein guter Masseur kann das nach einiger Zeit erspüren. Überhaupt, wenn dasselbe Symptom immer wieder auftritt. In erster Linie kommt ja jemand zur Massage, um seine Verspannungen loszuwerden und das kann man natürlich mit geübten Handgriffen und Methoden sehr gut erreichen. Mit einem 08/15-Massageprogramm ist es aber dennoch nicht getan, man muss es individuell abstimmen.

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Auch als Masseur muss man ganzheitlich denken. Ein Symptom kann an ganz anderer Stelle entstehen, an der es auftritt.

Alec Roger Smith

Ein Schwerpunkt dabei sind betriebliche Gesundheitsmaßnahmen. Worauf kommt es an?
Alec: Es geht nicht allein um die Möglichkeit, einen Masseur oder andere solcher Angebote im Haus zu haben, sondern auch um Wertschätzung der Mitarbeiter und deren Leistung. Wenn ein Unternehmen so etwas anbietet, zeugt das von Interesse - auch oder gerade, wenn viel Druck auf den Arbeitnehmern lastet. Das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

Mit Maßnahmen für Gesundheit und Wohlbefinden lässt sich den gröbsten Beschwerden schon entgegenwirken. Zudem hilft es, seinen Körper besser zu verstehen und Verspannungen vorzubeugen. Und wo könnte das besser in Gang gebracht werden als einem Ort, wo die Verspannungen meist entstehen.

Manuela: Unser Ziel ist daher, dass diese Philosophie in Unternehmen Einzug hält. Dazu zählt neben den wertschätzenden, präventiven Massagen, das regelmäßige, gemeinsame Bewegen gleich am Arbeitsplatz und ja, warum nicht, auch das Gähnen. Es ist ja bekanntlich ansteckend. Da wäre ein Großraumbüro geradezu optimal dafür, um dies unkompliziert und einfach umzusetzen.

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(Bild: KMM)



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