Prämien-Plan stößt auf

Warum Schnitzel-Bonus nicht jedem Wirt schmeckt

Wirtschaft
26.03.2023 12:30

Die neue Prämie gegen das Gasthaussterben in Niederösterreich sorgt für geteilte Meinungen im Land ...

„Auf dem Weg nach Linz hielten wir uns in Lambach auf, um Schnitzel mit Erdäpfeln und Bouillon zu uns zu nehmen“, notierte der damals zwölfjährige Erzherzog Ferdinand Max, der spätere Kaiser von Mexiko, am 26. September 1844 in sein Tagebuch. Damit gerät die kulinarische These ins Wanken, dass unser Klassiker eine Variante der „Cotoletta alla milanese“ sei, die Feldmarschall Radetzky 1848 in Mailand kennenlernte und dann in die Reichshauptstadt brachte.

„Wirtshauskultur“-Förderung
Fest steht jedenfalls, dass das Panierte vom Kalb oder Schwein bei uns jahrhundertelange Speisetradition hat. Dennoch ist rund um Küche, Tisch und Teller eine heiße Debatte um die Spezialität entbrannt. Denn in Niederösterreich sollen Betriebe nur dann in den Genuss einer speziellen „Wirtshauskultur“-Förderung kommen können, wenn sie auf regionale sowie typisch heimische Kulinarik setzen und mehrere Tage in der Woche geöffnet haben.

Diese quasi Schnitzel- und Schweinsbraten-Prämie reklamierten die Freiheitlichen - wie berichtet - extra ins Koalitionsabkommen. Demnach schauen Fast-Food-Ketten und Kebab-Standln & Co. durch die Finger. Landeshauptmann-Stellvertreter Udo Landbauer will sich in diesem Punkt nicht weichklopfen lassen. Die Treffpunkte der Dorfbevölkerung und die freie Meinungsäußerung am Stammtisch dürften nicht verloren gehen.

Und doch wird in den Topf geworfen, dass zwischen Boden- und Neusiedler See Hunderte Griechen, Inder, Chinesen, Pizzerias oder türkische Restaurants ebenfalls soziale Treffpunkte sind. Auch bei einer landesweiten „Krone“-Umfrage schmeckt nicht jedem Wirt das Bonus-Vorbild.

„Gäste freuen sich auf Abwechslung im Menüplan
„Das ist eine Frechheit. Alleine schon deswegen, weil wir zum Beispiel unser Lammfleisch für unser Innsbrucker Lokal auch regional einkaufen. Das importiere ich ja auch nicht aus Griechenland“, erklärt Michalis Raslanos vom Tiroler Lokal Posidonas. „Wir verwenden nur regionale Produkte. Aber unsere Gäste wollen zudem eine kulinarische Vielfalt in Wien und freuen sich auf Abwechslung im Menüplan“, so Viktoria Habetler vom Coretto in Wien.

„Das klingt für mich etwas seltsam. Soll jetzt jede Pizzeria einen Schweinsbraten auf die Karte nehmen? Das geht ja völlig am eigentlichen Ziel vorbei“, schüttelt Isabella Edler vom Glöckl Bräu Graz den Kopf. „Ich finde es gut, dass endlich was für die Gastronomie getan wird, aber es sollte nicht nur für eine spezielle Gruppe, sondern für alle Betriebe etwas passieren“, meint Dorfwirt-Betreiber Thomas Scharner aus Niederösterreich.

Starker Rückgang bei Zahl der NÖ-Gasthäuser
Dass in blau-gelben Landen Kochlöffelnot herrscht, steht freilich außer Frage! Denn in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Gasthäuser um etwa 35 Prozent gesunken. Von 2800 „Schnitzel“-Wirten im Jahr 2000 hielten 2022 nur noch etwas mehr als 1800 die Stellung hinter der Schank.

Die Rettungsaktion der Blauen ist allerdings nicht neu. Ein ähnliches Konzept war 2019 schon in Tirol ohne große Aufregung und Zungeschnalzen umgesetzt worden - damals von der schwarz-grünen Regierung. Kriterien da wie dort: Betriebe müssen - um die begehrte Wirtshauskultur-Plakette zu erlangen - über ein „stimmiges Ambiente und großteils noch über die traditionelle Einrichtung mit Stammtisch und Schank“ verfügen. Etwas, das beispielsweise weder ein Kebab- noch ein Würstelstandl aufweist.

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Nur den klassischen Wirtshäusern einen Bonus zu geben, ist der falsche Weg.

Wirtschaftskammer-Tourismussprecher Robert Seeber

Schnitzel-Bonus „eindimensional und eine Diskriminierung“
Robert Seeber, oberster Wirtschaftskammersprecher für Tourismus und Freizeitwirtschaft, will eine ergänzende Traditionsliste und sieht den „Schnitzel-Bonus sehr problematisch. Denn er ist eindimensional und eine Diskriminierung anderen Betrieben gegenüber“, bringt Seeber das Thema, das derzeit in der Gastronomie in aller Munde ist, auf den Punkt.

Natürlich wisse er, dass es bei der niederösterreichischen Idee um die Pflege heimischer Tradition geht, um die Wirtshauskultur vor dem Sterben zu bewahren. „Aber nur den klassischen Wirtshäusern einen Bonus zu geben, ist der falsche Weg“, so Seeber. Eine Bevorzugung ausschließlich sogenannter österreichischer Küche wäre eine gastronomische Eintopfsuppe.

Kompromiss-Menü mit Traditionsgerichten?
Allerdings serviert Österreichs oberster Tourismussprecher auch ein Kompromiss-Menü auf dem Diskussionsteller. Er würde die Ausschüttung von Prämien auf andere Lokale ausweiten. „Man sollte etwa fünf oder sechs traditionelle Speisen klar definieren.“ Diese müssten dann „Ethno-Lokale“ – also Italiener, Griechen, Inder, türkische Lokale etc. – neben ihren Angeboten ebenso auf ihren Speisekarten haben. Kurzum: So könnte eine Pizzeria, die diese fünf österreichischen Traditionsgerichte ebenso serviert, mit einer Prämie unterstützt werden.

Und welches Lieblingsgericht hätte der Linzer Tourismusexperte gerne auf der Liste? „Faschierte Laberln (Laibchen) mit hausgemachtem Erdäpfelsalat“, schmunzelt Seeber. „Denn die erinnern mich an meine Kindheit.“

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