Interview zum Album

Sam Ryder: Die Krönung eines unglaublichen Jahres

Kultur
08.12.2022 06:00

Hinter dem britischen Song-Contest-Durchstarter Sam Ryder liegt ein goldenes Jahr, das er nun mit der Veröffentlichung seines neuen Albums „There‘s Nothing But Space, Man!“ würdig krönt. Doch dem 33-Jährigen war die helle Seite des Geschäfts nicht immer vergönnt, wie er uns im großen „Krone“-Interview erzählt.

Wenn das so schwierige und leidvolle Jahr 2022 einen großen Gewinner hervorgebracht hat, dann ist das definitiv der Brite Sam Ryder. Beim Song-Contest in Turin musste er sich mit mit dem mitreißenden Song „Space Man“ nur dem ukrainischen Kalush Orchestra geschlagen geben und bugsierte Großbritannien damit aus der jahrelangen Bedeutungslosigkeit. Anfang September begeisterte er beim Londoner Tribute-Konzert für den verstorbenen Foo-Fighters-Drummer Taylor Hawkins mit einer beeindruckenden Cover-Version von Queens Kult-Hit „Somebody To Love“, während er mit Brian May und Roger Taylor die Bühne teilte. Im Herbst gab es als Krönung auf der Erfolgstorte noch eine fast querbeet erfolgreiche Europa-Tour (Wien war leider einer der wenigen negativen Ausreißer) und nun legt uns der quirlige Blondschopf noch sein Album „There’s Nothing But Space, Man!“ in den Geschenkekorb.

Am Anfang war der Metal
„Ich kann unmöglich ordnen, was davon das größte Highlight war“, erklärt uns der 33-Jährige im „Krone“-Gespräch, „das ist so, als müsste ich den hellsten Teil aus der Sonne herausbrechen. Absolut unmöglich. Men Leben hat sich in allen Bereichen fundamental verändert und ich bin einfach nur dankbar dafür, dort zu sein, wo ich gerade bin.“ Die relativ späte Karriere des Briten liest sich wie ein Märchen. Als Ryder im Alter von elf Jahren ein Konzert von Sum 41 besucht, ist es um ihn geschehen und der Berufswunsch Musiker löste andere Interessen ab. Inspiriert von den von ihm immer noch heißgeliebten Iron Maiden gründet er die Metalcore-Band The Morning After. Danach verdingt er sich als Gitarrist bei Blessed By A Broken Heart und dann als Frontmann bei Close Your Eyes. Mit zwei von diesen drei Projekten war er in den 2010er-Jahren auch im Wiener Viper Room zu Gast.

„Ich habe Musik schon immer in all ihren Ausformungen geliebt und wollte mich stets vielseitig ausdrücken.“ Vom Metalcore kommt Ryder nach Nashville, um als Solokünstler ein Album aufzunehmen, das nie veröffentlicht wird. Zurück in England eröffnet er 2016 mit einem guten Freund eine vegane Saftbar, die er 2019 wieder schließen muss. Nebenbei verdingt er sich als Hochzeitssänger, was er noch heute als „Gamechanger“ seiner Karriere betrachtet. „Im Singen und dem Teilen meiner Gefühle habe ich meine Erfüllung gefunden“, erzählt er mit leuchtenden Augen, „dem Brautpaar geht es um die richtige Atmosphäre und die muss ich kreieren. In dieser Zeit habe ich bemerkt, dass ich zum Glücklichsein keine Bestätigung von außen brauche, sondern die reine Freude beim puren Singen verspüre.“

Belohnung für den Knochenjob
Den Karriereraketenstart bringt ihm ausgerechnet der erste Lockdown. Gelangweilt vom Daheimsitzen lädt er Cover-Versionen unterschiedlichster Künstlerinnen von Sia über Justin Bieber bis Alicia Keys hoch und wird über Nacht zum TikTok-Star. Das führt 2021 zu einem Vertrag mit dem Majorlabel Parlophone, zur mehr als 100 Millionen Mal gestreamten EP „The Sun’s Gonna Rise“ und zum unglaublichen Jahr 2022, das eingangs bereits angerissen wurde. „Ich weiß aus eigener Erfahrung sehr gut, wie viel Schweiß und Arbeit hinter einer Karriere stecken, deshalb werde ich nie abheben. Die Musik ist ein Knochenjob. Ich kenne so viele Freunde und Kollegen, die alles geben müssen, um die nächste Tür in ihrem Leben öffnen zu können. Ich habe nichts als Respekt für diese Menschen und werde nie vergessen, woher ich komme.“

Wie man Glück und Zufriedenheit und Geld und Ruhm findet, hat ihm sein eigener Vater vorgezeigt. „Er ist leidenschaftlicher Tischler und liebt diese Tätigkeit über alles. So wie ich das Singen.“ Aus dem harten Metal-Kid mit derben Growls entwickelte sich ein moderner Freddie Mercury, der nicht nur während, sondern auch außerhalb des Song Contests die Botschaft von Liebe, Respekt, Toleranz, Akzeptanz und einem friedvollen Miteinander stolz vor sich herträgt. „Das fasst auch mein Album sehr gut zusammen. Glaube und Hoffnung sind elementare Themen. Ich habe mir selbst über die Jahre viele Fragen gestellt, aber nie aufgegeben. Diesem unglaublichen Jahr liegt ein Jahrzehnt voller Misserfolge, Rückschläge und falscher Entscheidungen zugrunde. Auch wenn es für viele jetzt so wirkt, es ist mir nichts über Nacht passiert.“

Ozean voller Zweifel
„There’s Nothing But Space, Man!“ ist ein musikalischer Ritt durch unterschiedliche Genres und musikalische Sphären. Ruhige Momente wie bei „All The Way Over“ reihen sich an impulsive Up-Tempo-Songs wie „Put A Light On Me“. Persönliches vermischt sich mit Weltlichem, wie im wegweisenden Opener „Deep Blue Doubt“. „Metaphorisch geht es darum, in einem tiefblauen Ozean voller Zweifel zu schwimmen. Du weißt nicht, wohin du schwimmst und ob du jemals wieder aus dem Wasser rauskommst, aber du schwimmst in erster Linie einfach mal weiter, weil du nicht aufgibst.“ Das sanfte „Somebody“ ist seiner treuen Lebenspartnerin gewidmet. „Wir sind mittlerweile seit elf Jahren zusammen, haben alle Hochs und Tiefs miteinander erlebt. Aber auf dem Weg des Lebens findet man immer wieder Brotkrumen voller Hoffnung und Glaube. Das ist das Allerwichtigste.“

Eine gewisse Spiritualität kann man Ryder nicht absprechen, die manifestiert sich mit Umarmungen und einer ungewöhnlichen Nähe zu seinen Fans vor allem im Kontext von Livekonzerten. Doch trotz manch kitschiger Ausritte ist „There’s Nothing But Space, Man!“ vor allem ein in sich geschlossenes Manifest über knapp drei Jahre voller persönlicher Superlative, in denen kein Stein auf dem anderen blieb. „Ich will Menschen mit dem Album unterstützen und sie mit positiven Gedanken füllen. Meine Erfahrungen zu meiner Selbstfindung teilen und damit auch andere erreichen. Ich komme aus der Musik, aber die Themenpalette ist in allen Bereichen des Lebens anwendbar. Wie können wir unser Leben so gut wie möglich leben? Wie bewahren wir uns in schwierigen Zeiten Optimismus und Positivismus? In diese Richtung gehen die Lieder.“

Ein musikalisches Dinner
Die auditive Vielseitigkeit auf dem Album war Ryder ein besonderes Anliegen. Auch wenn er mit Coverversionen und Singles seine größten Erfolge feierte, ist er mit dem großen Ganzen, das ein vollständiges Album widergibt, aufgewachsen. „Wenn du in einer Radiosendung eingeladen bist, hast du vielleicht zehn Minuten Zeit, um dich zu beweisen. Bei einem großen TV-Special muss aber eine Stunde gefüllt werden. Ein volles Album ist wie ein ausladendes Dinner mit guten Freunden. Man isst nicht nur und geht, sondern sitzt noch lange zusammen und hat sich sehr viel zu erzählen.“ Als Bonus-Track gibt es mit „Living Without You“ übrigens eine EDM-Nummer zu vermerken, die er mit Sigala und David Guetta einspielte. „Wir suchen bei Musik immer nach Nischen und Schubladen, dabei reagieren wir alle auf unterschiedliche Vibrationen, die unser Trommelfell berühren und durch den Körper fließen. Ich hoffe, das gelingt mir mit meinen Songs.“

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