Bürgerrat fordert:

City-Maut, Tempolimits, bald Aus für Verbrenner

Politik
04.07.2022 11:48

Klimaneutralität 2040 - dieses hohe Ziel hat sich der Klimarat der Bürgerinnen und Bürger gesetzt. Am Montag ist das Ergebnis aus dieser Arbeitsgruppe präsentiert worden, auf das sich 100 zufällig ausgewählten Österreichern in rund einem halben Jahr geeinigt haben. Mehr als 90 Maßnahmen wurden vorgestellt, die das Land klimagesund halten sollen - der Prozess wurde von 15 Wissenschaftlern und einem Moderationsteam begleitet. Die Empfehlungen werden am Nachmittag der Bundesregierung übergeben - darunter eine 90-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung auf Bundesstraßen, eine Citymaut und keine Erstzulassungen mehr von Pkw mit Verbrennungsmotoren ab 2027.

Der Klimarat einigte sich auf mehr als 90 Empfehlungen für ein klimagesundes Österreich. Er hat dabei die Handlungsfelder Mobilität, Energie, Ernährung und Landnutzung, Konsum und Produktion sowie Wohnen in Kleingruppen so lange diskutiert und verhandelt, bis sich die Teams weitestgehend einig waren. Danach ging es mit den Vorschlägen ins große Plenum, bis auch dort weitgehend Einigkeit herrschte.

Keine Einigung auf heiß diskutierte 100-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung
Am Montagvormittag präsentierten ausgewählte Teilnehmer in einer Pressekonferenz die Ergebnisse ihrer Arbeit. Dazu gehört unter anderem die Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz, ein Bodenversiegelungsstopp, die Abschaffung für Subventionen fossiler Energie, die Schaffung einer parteiunabhängigen Klimakommission, Treibhausgaszölle für Lebensmittel aus Drittstaaten und höhere Steuern für klimaschädliche Fahrzeuge. Ein heißes Eisen, die 100-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung, hat es nicht in den Bericht geschafft. Dafür jedoch 90-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung für Bundesstraßen und eine Citymaut.

Auch im Handel und bei Produkten sieht der Klimarat Verbesserungsbedarf. Mengenrabatte auf Lebensmittel („eins plus eins gratis“) sollen verboten werden, denn diese würden Lebensmittelverschwendung begünstigen. Zudem wird gefordert, klimafreundliche Produkte gegenüber klimaschädlichen Produkten „preislich bessergestellt“ werden und dass die Möglichkeit einer Reparatur von Produkten verpflichtend wird. 

Alle Empfehlungen des Klimarats der Bürgerinnen und Bürger: 

Allgemeine Empfehlungen

  • Grundrecht auf Klimaschutz
  • Klimaschädliche Subventionen abschaffen
  • Grenzüberschreitende Allianzen für Klimaschutz
  • Den Arbeitsmarkt in Richtung Klimaschutz unterstützen
  • Bewusstseinsbildung für unbequeme Maßnahmen

Energie

  • Klimaschutzgesetz umgehend verabschieden
  • Bis 2030 100% Strom aus erneuerbarer Energie
  • Energie soll bei Mehrverbrauch teurer pro Einheit werden
  • Subventionen für fossile Energie abschaffen:
  • Jährliche Erhöhung des CO2-Preises
  • Nur bereits versiegelte Flächen zur Energiegewinnung nutzen
  • Gemeinden, Finanzdienstleister, Unternehmen sollen Vorbildrolle einnehmen
  • Green Investments fördern
  • Bürgerbeteiligung bei Energiestrategien auf Bundes-, Länder und Gemeindeebene

Konsum und Produktion

  • Klimakommission soll Klimawirksamkeit von Gesetzen prüfen
  • Experimentierräume innovative Lösungen in der Praxis schaffen
  • Reparierbarkeit von Produkten verpflichtend machen
  • Die Vernichtung von Neuwaren verbieten
  • Verpflichtende Energielabels für weitere Konsumgüter
  • Gütesiegel EMAS auch auf den Handel ausweiten und verschärfen
  • Privates Anlagekapital in klimawirksame Investitionen erhöhen
  • Günstigere Kreditbedingungen für klimawirksame Projekte einführen
  • Bürger sollen sich an klimafreundlichen Projekten finanziell beteiligen können
  • Klimaschutz in Lehr- und Studienplänen verankern

Ernährung und Landnutzung

  • Politische Anreize schaffen
  • Klimafreundliche Lebensmittel sollen günstiger werden
  • Treibhausgas-Zölle basierend auf Klimafußabdruck für Lebensmittel
  • Vernichtungsverbot für Lebensmittel
  • Freiwerdende geeignete Agrarflächen zur Eindämmung der Klimakrise nutzen
  • Pflicht zu klimafreundlichen Lebensmittel in Restaurants und Großküchen
  • Flexible Portionsgrößen in Großküchen und Restaurants
  • Stückpreise statt Großpackungen umsetzen
  • Mengenrabatte für Lebensmittel verbieten (eins plus eins gratis)
  • Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien in Gemeinden fördern

Wohnen

  • Staatliches Sanierungsförderungsprogramm für Bestandsbauten
  • Sanierungen höher fördern als Neubau
  • Raumordnungskompetenzen auf Landesebene verlagern
  • Bebauungsfristen für Baugrundstücke umsetzen
  • Verpflichtende Installation von Photovoltaik
  • Leerstandsabgabe und Leerstandsmeldepflicht einführen
  • Energieautarkie von Gebäuden herstellen
  • Harmonisierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für klimaneutrale Gebäude
  • Klimafreundliche Sanierung fördern durch Co-Housing-Konzept
  • Klimafreundliche Bau- und Sanierungsstandards entwickeln

Mobilität

  • Klimaneutrale Mobilitätsgarantie einführen
  • Öffentlichen Verkehr forcieren
  • Radfahren und zu Fuß gehen fördern
  • Höhere Steuern für klimaschädliche Fahrzeuge einführen
  • Flächenwidmung von Gemeindeebene auf Regions- oder Landesebene verlagern
  • Keine Erstzulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotoren ab 2027
  • Parkraumbewirtschaftung verstärken, City-Maut und autofreie Innenstädte forcieren
  • Klimafreundlichen Güterverkehr forcieren
  • Pendlerpauschale und Kilometergeld ökologisieren
  • Geschwindigkeit auf Straßen reduzieren

Koordinator: „Klimarat kann politische Institutionen nicht ersetzen
Der wissenschaftliche Beirat unterstützt die Forderungen: „Die Tiefe, Breite und Sorgfalt des Diskussionsprozesses und der Entscheidungsfindung legitimiert das Ergebnis des Klimarats“, heißt es in dessen Stellungnahme. Die Bürgerinnen und Bürger hätten der Wissenschaft gezeigt, dass die Bevölkerung beim Klimaschutz um Vieles weitergehen würde als angenommen, resümierte Koordinator Georg Kaser. Georg Tappeiner vom Moderationsteam merkte aber an: „So ein Klimarat kann politische Institutionen nicht ersetzen.“

Am Nachmittag überreicht der Klimarat die Empfehlungen an Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP). Gewessler hatte im Vorfeld angekündigt, sämtliche Empfehlungen genau prüfen und einiges davon auch umsetzen zu wollen. „Ich kann aber nicht versprechen, dass wir alle umsetzen werden können“, so die Ministerin.

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 begrüßte via Aussendung die Ergebnisse des Klimarats und forderte zugleich die Politik zum Handeln auf.

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