"Sehr angefressen"

Razzia bei Grasser – seit 2003 Steuern hinterzogen?

Österreich
26.05.2011 16:43
Paukenschlag in den Ermittlungen gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser: Die Staatsanwaltschaft Wien hat am Donnerstag Hausdurchsuchungen an insgesamt zehn Privat- und Firmenadressen des Ex-Politikers in Wien, Kärnten und Tirol durchgeführt. Der Anlass wurde ganz konkret ausgesprochen: Verdacht auf Steuerhinterziehung - und zwar seit 2003, also während dem Gutteil seiner Zeit als Finanzminister. Über seinen Anwalt ließ der im Ausland weilende Grasser ausrichten, er sei "sehr angefressen".

An den gerichtlich bewilligten Durchsuchungen seien mehr als 60 Beamte der Steuerfahndung und des Bundeskriminalamtes beteiligt, teilte die Staatsanwaltschaft Wien am Vormittag in einer kurzen Stellungnahme mit. Auf Nachfrage erklärte Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft, dass auch bei weiteren Personen Razzien durchgeführt werden könnten. Details wollte er aber nicht nennen.

Die Beamten klopften in einer konzertierten Aktion um 9 Uhr früh bei zehn Privat- und Firmenanschriften Grassers an, die Durchsuchungen dauerten teilweise bis zum späten Nachmittag. Neben diversen Wiener Standorten, darunter auch Grassers Firma Valuecreation GmbH in Wien (Bild), filzten die Ermittler auch sein Bauernhaus in Kitzbühel und sein Domizil in Maria Wörth am Wörthersee, das über eine Firma seiner Stiftung in Liechtenstein gehört. Auch die Kanzlei seines Steuerberaters sei durchsucht worden, heißt es.

Anwalt: Grasser "sehr angefressen"
Grassers Anwalt Manfred Ainedter wollte am Vormittag zu den Razzien zunächst keine Stellungnahme abgeben. Er müsse vorher den Amtshandlungen beiwohnen, sagte er. Als dann zahlreiche Reporter vor dem Sitz der Valuecreation auftauchten, stellte sich Ainedter doch den Fragen. Er bezeichnete die Razzien "ebenso überraschend wie unangebracht". Grasser, der sich "geschäftlich im Ausland" befinde, habe "sehr angefressen" reagiert, so der Anwalt.

"Mein Mandant hat stets alle Unterlagen offengelegt." Grasser habe lediglich bei seiner letzten Einvernahme im Finanzstrafverfahren am 6. Mai die Aussage verweigert - "mit dem Hinweis, dass alles amtsmissbräuchlich in den Medien erscheint und er alles offengelegt hat". Es sei "höchst bedenklich", dass die Staatsanwaltschaft die Razzien bereits in der Früh bekannt gemacht habe und nun Reporter Grassers Privatsphäre "massiv" störten. "Es wird zu prüfen sein, ob diese Vorgangsweise rechtlich gedeckt ist", so Ainedter. Im Haus der Valuecreation hat Grasser auch eine Privatwohnung.

Seit 2003 noch als Minister Steuern hinterzogen?
Grasser, der von 2000 bis Anfang 2007 Finanzminister war, steht laut Angaben der Staatsanwaltschafts vom Donnerstag im Verdacht, seit dem Jahr 2003 unter Beteiligung seines Steuerberaters Abgaben hinterzogen zu haben. Dem Vernehmen nach geht es u.a. um unversteuerte Honorare im unteren einstelligen Millionenbereich. Das Finanzstrafverfahren ist vom Buwog-Verfahren, in dem weiterhin ermittelt wird, unabhängig, hieß es.

Heuer hat es dazu unter anderem im Februar einen Termin beim Bundeskriminalamt gegeben, bei dem Grasser mit seinem Anwalt nach eigenen Angaben Dokumente, die seine Unschuld beweisen sollen, vorlegte. Anfang Mai wurde Grasser beim Finanzamt zu seinen Liechtenstein-Stiftungen einvernommen. Anwalt Ainedter meinte danach, alle Vorwürfe seien ausgeräumt worden.

Am Donnerstag meinte der Anwalt, der Verdacht der Justiz sei "reine Spekulation". Angesprochen darauf, dass laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Grasser unter Verdacht stehe, bereits ab 2003 - also noch als aktiver Finanzminister - Steuern hinterzogen zu haben, meinte Ainedter, dass dies nicht im Durchsuchungsbefehl stehe.

Arbeitgeber des Steuerberaters legt Einspruch ein
Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirma Deloitte, bei der Grassers Steuerberater tätig ist, hat am Donnerstag indes gegen die Hausdurchsuchung Rechtsmittel eingelegt. Dass ihr Mitarbeiter an einer mutmaßlichen Steuerhinterziehung durch Grasser beteiligt sei, weist die Firma entschieden zurück.

Die Polizei hat offenbar Material beschlagnahmt, das nun wegen des Einspruchs versiegelt werden muss, da die Unterlagen von Steuerberatern einem speziellen Berufsschutz unterliegen. Bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel dürfen die gefundenen Unterlagen daher nicht eingesehen werden. Ungeachtet dessen werde man weiterhin mit der Staatsanwaltschaft kooperieren und alle erforderlichen Dokumente vorlegen, so Deloitte.

Staatsanwaltschaft: Konten nur teilweise offengelegt
Grasser soll ihm zugeflossene Honorarzahlungen über Gesellschaften in Liechtenstein, den British Virgin Islands und Zypern geleitet haben, um sie der österreichischen Besteuerung zu entziehen, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Nach den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden soll dem Finanzamt dabei unter Mithilfe des Steuerberaters nur ein Teil der gewählten Stiftungs- und Gesellschaftskonstruktion offengelegt worden sein, um eine Bestätigung steuerlicher Unbedenklichkeit zu erwirken, heißt es.

Ainedter dazu: "Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass übereinstimmend mit den Aussagen von Herrn Grasser und Herrn (Steuerberater) die steuerliche Konstruktion von Herrn (Steuerberater) entwickelt wurde." Das sei richtig. "Aber es wurde alles der Finanz offengelegt, von daher ist jeglicher Vorsatz geradezu absurd." Mehr könne man nicht machen, als zuerst zum Steuerberater und dann zur Finanz zu gehen, so Ainedter.

Verzweigtes Netzwerk an Stiftungen und Firmen
Das Geld - angeblich mehrere Millionen Euro - in den Stiftungen stammt laut Grassers früheren Angaben aus seiner Arbeit für die börsenotierte Meinl International Power (MIP, heute Power International) mit Sitz auf Jersey. Dort war Grasser nach seinem Rückzug aus der Politik bis 2008 als Vorsitzender der Meinl Power Management, der Managementgesellschaft der MIP, tätig.

Soweit bekannt, gibt es in Liechtenstein zwei Grasser-Stiftungen mit den Namen Waterland und Silverland. Sie sind laut seinem Anwalt "intransparente Stiftungen", wo der Stifter, also Grasser, nicht frei über das Vermögen verfügen kann, sondern nur unabhängige Stiftungsräte. Begünstiger der Stiftungserträge ist Grasser selber. Die Ermittler haben hingegen den Verdacht, dass die Stiftungen in Wahrheit als Verschleierungskonstruktion dienen, um Honorare am österreichischen Finanzamt vorbeizuschieben.

Die Stiftungen sind jedenfalls kompliziert verzweigt: Die Waterland hat Tochtergesellschaften, nämlich die Silverwater Invest and Trade Inc. mit Sitz auf Tortuga auf den British Virgin Islands sowie die Gesellschaft Man Angelus Ltd. mit Sitz auf Zypern. Die Silverland hat die Tochtergesellschaft Levesque-Holding mit Sitz auf Zypern, deren Tochter wiederum die Gesellschaft Gemain Ltd. ist.

Schwiegermutter-Geschäft Anlass für Razzien
Ainedter bestätigte am Donnerstag, dass Grassers Einkünfte aus dessen Tätigkeit für die MIP Anlass für die Razzien waren. Außerdem gehe es um das umstrittene Hypo-Investment in Höhe von 500.000 Euro, das Grasser laut Eigenangeben für seine Schwiegermutter getätigt hat. "Da wird unterstellt, dass es nicht das Geld der Schwiegermutter war, sondern sein eigenes", so Ainedter. "Es ist die alte Geschichte."

Die "alte Geschichte" ist konkret jene, dass Grasser 2006 nach eigenen Angaben für seine Schwiegermutter Marina Giori-Lhota Geld in das umstrittene Hypo-Alpe-Adria-Investment des Bankers Tilo Berlin gesteckt haben soll. Der Erlös aus dem Geschäft ist dann aber angeblich über die Stiftungen Grassers bzw. bei deren Tochterfirmen gewandert. Grasser sagt, er habe die halbe Million Euro in bar aus der Schweiz nach Österreich zur Meinl Bank transferiert, wo er das Geld dann - ohne eine Einzahlungsbestätigung anzufordern - einzahlte. Seine Schwiegermutter habe mit dem Geschäft sein "Veranlagungsgeschick" testen wollen, argumentierte er. Das Investment hat in kürzester Zeit rund 50 Prozent Gewinn gebracht.

Für Karl-Heinz Grasser gilt die Unschuldsvermutung.

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