Herwig Ertl hat vor 22 Jahren das Geschäft seiner Eltern in Kötschach übernommen und es zur „Edelgreißlerei“, dem Herzstück von „Kärntens köstlichstem Eck“, umgebaut. So blüht der Laden noch 90 Jahre nach seiner Gründung - auch dank der 38.000 Online-Kunden.
Alles begann mit Blumen und einem Versprechen. „Bei der Übergabe beim Notar hat uns der Herwig mit einem riesigen Blumenstrauß überrascht“, erinnern sich Christine und Gerald Ertl. Und er hat ihnen nicht nur versprochen, keine Schulden zu machen, sondern auch, dass sie weiterhin im Geschäft mitarbeiten können.
Was die beiden bis heute tun: Mit 83 Jahren kümmern sich die Eltern „im Hintergrund“ noch immer um die gesamte Buchhaltung und helfen aus, wenn sie gebraucht werden. „In 68 Dienstjahren waren wir beide zusammen nur drei Tage krank“, ist Gerald Ertl stolz. Das ist er auch auf ein zweites Jubiläum, welches dieses Jahr gefeiert wird: Christine und Gerald Ertl sind seit 60 Jahren verheiratet. Dass von den drei Söhnen ausgerechnet der jüngste das Kaufmannsgen der Familie geerbt hat, verwundert die beiden nicht weiter: „Der Herwig war schon in seiner Jugend außergewöhnlich.“
Das ist der Kötschacher geblieben. Philosoph, Genuss-Botschafter, Slow Food-Vorreiter, Mutmacher für die vielen kleinen Produzenten, dank derer in dem abgelegenen Tal „Kärntens köstlichstes Eck“ entstehen konnte – Herwig Ertl brilliert in vielen Rollen. Sein Herzensprojekt bleibt aber wohl die „Edelgreißlerei“ mit vielen überraschenden und ausgefallenen Produkten aus der Region und von seinen Freunden in Friaul, Slowenien und Kroatien. Und natürlich sein „zelebrierter Genuss“, Verkostungen, zu denen Fans von weither anreisen. Am großen Eichentisch, dem Mittelpunkt des Ladens, werden ausgefallene Häppchen serviert: Sei es Rohmilchkäse mit Essigduft, das kleinste Speckbrot der Welt oder die vielleicht doch ein wenig gewöhnungsbedürftige Käseschokolade, die Freund Josef Zotter mit Ertl gemeinsam kreiert hat.
Dazu gibt es jede Menge Information zu den Produkten von Kommunikationsgenie Herwig: „Jeder, der aus dem Geschäft hinausgeht, soll etwas gelernt haben.“
Als 1932 seine Großeltern den Kaufmannsladen gründeten, ging es noch ganz anders zu. „Damals gab es Salzspeck, Emmentaler, Schnaps, Zucker, Kaffee und Mehl“, weiß Ertl aus Erzählungen. Einkaufen mussten die Großeltern seinerzeit in großen Mengen: „So ein Salzspeck wog zwischen 70 und 80 Kilo, die Emmentaler brachten bis zu 100 Kilo auf die Waage. Das ging ins Geld und dauerte, bis man die Sachen wieder verkauft hatte.“
Während der Kriegsjahre war an Delikatessen überhaupt nicht zu denken. Mit Lebensmittelmarken gab es das Nötigste zum Überleben. Der erste Aufschwung kam dann in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. „Da hat bei uns der Tourismus floriert. Mit unserer Skipiste waren wir Vorreiter, wie so oft in Kärnten.“
1962 übernahmen Herwigs Eltern das Geschäft: „Meine Mutti hat beim Warmuth in Villach gelernt. Daher wurde auch Mode eingeführt.“ Der Laden war ein interessanter Mix: Links gab es alles vom Dirndl bis zur Skihose, rechts lockten bei den Lebensmitteln inzwischen auch so manche Leckerbissen: „Es war bei uns ein bissl teurer, aber wir haben immer gute Ware gehabt. Das haben die Leute zu schätzen gewusst.“
Dann kam die Zeit der Supermärkte. Überleben war angesagt, eine Aufgabe, die Herwig Ertl mit Bravour meisterte. Er baute den Laden um, startete mit der Ausnahmeköchin Sissy Sonnleitner die Genussfestspiele, verfasste mehrere Bücher, verewigte seine Mitstreiter in der ORF-Doku „Ein Dickkopf kommt selten allein“, war Mitbegründer der heimischen Slow Food-Bewegung. „Andere schaffen das im Leben nicht. Und wir haben nebenbei noch gearbeitet“, grinst Ertl, der längst neben dem Laden und seinen Verkostungen auf seinen Online-Shop mit rund 38.000 Kunden setzt. Und sich freut, wenn seine Produzenten ihn loben: „Herwig, Du bist der Beste!“
Bei allem Selbstbewusstsein ist dem „Edelgreißler“ aus dem Gailtal aber klar: „Ohne meine Eltern hätte ich es nicht geschafft. Sie haben mich immer unterstützt!“ So sei zum Schluss Vater Gerald zitiert: „Eigentlich sind wir stolz auf den Herwig!“
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