Fett abgesaugt

Chirurg plaudert über Gadafis Schönheits-OPs

Ausland
10.04.2011 09:59
Ob mit Regenschirm im Militärfahrzeug oder geifernd mit riesiger Sonnenbrille vor Anhängern: Libyens ebenso skrupelloser wie verschrobener Machthaber Muammar al-Gadafi liebt die Inszenierung. Und noch vor wenigen Jahren glaubte der heute 68-jährige Diktator, mit Hilfe der Chirurgie wieder wie einst als junger Revolutionsführer vor seine Anhänger treten zu können. Während in Libyen blutige Kämpfe toben, plaudert Gadafis Schönheitschirurg aus dem Nähkästchen.

Gadafi wollte für die Jugend seines Landes attraktiv bleiben und setzte dazu auf das Können eines renommierten plastischen Chirurgen aus Brasilien. Liacyr Ribeiro wusste 1994 zunächst gar nicht, wie ihm geschah. Der heute in Rio de Janeiro praktizierende Arzt fand sich unter abenteuerlichen Umständen im Bunker des damals 53-jährigen Gadafi in Tripolis wieder. Der Revolutionsführer begrüßte ihn freundlich. "Er sagte, er sei schon viele Jahre an der Macht und er wolle nicht, dass die Jugendlichen ihn als Alten ansähen", schilderte Ribeiro den Anfang der Begegnung.

Der Mediziner, der zwei Bücher zum Thema plastische Chirurgie schrieb, erzählte die erstaunliche Geschichte kürzlich der brasilianischen Zeitschrift "Epoca". "Seither kamen Journalisten aus aller Welt, aus Belgien, Portugal, den USA und Frankreich auf mich zu", sagte der 70-Jährige. Und jetzt geht auch das Bild um die Welt, das den Doktor gemeinsam zeigt mit dem damals noch viel jüngeren Gadafi. Lang ist's her. "Das war schon ein Abenteuer", erinnerte sich Ribeiro an das Jahr 1994.

Gadafi "liebenswerte Person"
Damals war er einer Einladung nach Tripolis zu einem Kongress gefolgt. Dort angekommen bat ihn ein Mann namens Mohamed Zaid mitzukommen und eine sehr "liebenswerte Person" zu behandeln. Gesagt, getan. Im Auto ging es durch verwinkelte Straßen von Tripolis, vorbei an Wachen und bewaffneten Soldaten, bis der Begleiter dem verblüfften Gast eröffnete: "Sie werden unseren Führer untersuchen." Der erschien dann in langer Tunika. Als "freundlich und gebildet", beschrieb ihn Ribeiro.

"Er schüttelte meine Hand und erklärte mir in einwandfreiem Englisch, was er wollte. Er machte mir keine Angst." Der Schönheitschirurg informierte seinen Patienten dann über die Optionen und empfahl ein komplettes Face-Lifting, bei dem die Gesichtshaut gespannt wird. Doch Gadafi lehnte eine solch radikale Behandlung ab. "Er verlangte einen natürlichen Eingriff, der keine Spuren wie Narben hinter den Ohren hinterlässt."

Bauchfett abgesaugt und Falten geglättet
Und so saugte Ribeiro bei ersten Treffen zunächst nur etwas Fett vom Bauch ab und glättete einige tiefe Falten auf der Stirn Gadafis. Im Jahr darauf - 1995 - kam er zurück und Gadafi unterzog sich einem weiteren Eingriff. Mitten in der Behandlung habe Gadafi dann einen Hamburger bestellt, erinnerte sich der Arzt, der früher auch Präsident der Vereinigung für Plastische Chirurgie in Brasilien war. Daraufhin seien die chirurgischen Instrumente weggeräumt und Sandwiches für das ganze Team serviert worden.

Ribeiro betreute Gadafi dann noch zehn Tage in Tripolis. "Dieser Ort ohne Frauen und alkoholische Getränke muss ein Opfer für Sie sein. Sie können gehen", beschied ihm dann der Gastgeber. Fünf Jahre später sei nochmals eine Anfrage aus Tripolis für eine erneute Behandlung gekommen. Die habe er aber wegen gesundheitlicher Probleme in seiner Familie abgelehnt. Danach war Ruhe. "Ich glaube, das hat ihn verletzt", vermutet der Mediziner.

"Geehrt, Staatschef zu behandeln"
Das Lüften des Geheimnisses nach so langer Zeit will Ribeiro nicht als PR-Maßnahme verstanden wissen, um neue Kunden in seine Praxis zu locken. "Zu erzählen, dass ich Gadafi operiert habe, ist eine Anti-Werbung, schließlich ist sein äußeres Erscheinen nicht gut." Er wolle vielmehr zum Verstehen einer historischen Figur beitragen, über die es viele Spekulationen und nur wenige Informationen gebe. Er habe Gadafi auch nichts in Rechnung gestellt. "Damals fühlte ich mich doch geehrt, einen Staatschef zu behandeln."

Indessen dauern die Kämpfe um die Rebellenhochburgen in Libyen weiter an. Die libysche Armee hat nach Regierungsangaben in der Region der Küstenstadt Brega im Osten des Landes zwei Hubschrauber der Rebellen abgeschossen. Vize-Außenminister Chaled Kaaim kritisierte in diesem Zusammenhang am Samstagabend die NATO. Obwohl es Aufgabe der Militärallianz sei, die über Libyen verhängte Flugverbotszone zu überwachen, habe sie zugelassen, dass die beiden Kampfhubschrauber der Rebellen aufgestiegen seien. Es stelle sich die Frage, ob die Flugverbotszone lediglich für die libysche Regierung oder aber für beide Seiten gelte. Die NATO sei zu einer "Konfliktpartei auf Seiten der Rebellen" geworden.

Gadafi benutzt Zivilisten als Schutzschild
Kampfflugzeuge der NATO haben neben Munitionslagern auch zahlreiche Panzerfahrzeuge der Gadafi-Regierung zerstört, wie der Kommandant des internationalen Militäreinsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, am Samstagabend in seinem Hauptquartier in Neapel mitteilte. Gut eine Woche nach der Übernahme der Verantwortung für den Militäreinsatz berichtete die NATO erstmals ausführlicher über militärische Erfolge. Die Widerstandskämpfer in Libyen hatten zuletzt eine zu geringe Schlagkraft der NATO beklagt.

Gadafi benutze weiterhin die eigene Bevölkerung als Schutzschild für schwere Waffen, indem er diese nahe bei Wohngebäuden und Moscheen stationiere. "Soldaten wurden auch beobachtet, wie sie sich hinter Frauen und Kindern verstecken. Dieses Verhalten verstößt gegen die Prinzipien des internationalen Rechts und wird nicht toleriert", so Bouchard.

Unterdessen zeigte sich Gadafi erstmals seit Wochen wieder in der Öffentlichkeit. In der Hauptstadt Tripolis besuchte er eine Schule. Die Kinder sprangen dabei auf die Tische und riefen: "Das Volk will Muammar, den Führer!" Gadafi, der eine schwarze Sonnenbrille, einen braunen Turban und eine Robe trug, gab keine öffentliche Stellungnahme ab, wie das Staatsfernsehen berichtete. Seit Beginn der NATO-Luftangriffe hielt sich Gadafi meist versteckt. Beim Staatsfernsehen hatte er sich nur telefonisch gemeldet, Aufnahmen gab es keine.

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