Pommers Feierabend

Tierkrawatten und Scherbenhaufen

Pommer am Abend
18.11.2021 15:13

Einen schönen Donnerstagabend.

Ich weiß ja nicht, welcher beruflichen Tätigkeit Sie nachgehen, aber wenn Sie sich am Arbeitsplatz so aufführen wie unsere Bundesregierung, kann ich mir vorstellen, dass Ihnen nicht gerade der Mitarbeiter des Monats winkt. Würde ich in der Redaktion den Mückstein machen, also alles irgendwie viel zu spät, schlecht kommuniziert, über den Schreibtisch gebeugt schlafen, dann panisch hochschrecken und irgendeine Story schreiben, etwa über gefundene Tagebücher oder Ähnliches, ich würde wohl meine Sachen packen müssen. Das ist nicht viel, das ist mein Privatlaptop, mit dem ich auch gerne spazieren gehe (ich habe die Aufregung um Gernot Blümels Ehefrau nie verstanden, vielleicht sollten wir einmal zu viert flanieren, also die zwei Laptops und wir beide, sie könnten Freunde werden), und ein Kugelschreiber, der mir wichtig ist. Nach 20 Jahren „Krone“ brauche ich nicht mehr als zwei Hände und keinen Karton. Das ist traurig und erfreulich zugleich. Wie es sich anfühlt, den Schallenberg zu machen, kann ich mir nicht vorstellen. Dass die Pandemie für Geimpfte vorbei ist, habe ich nie geglaubt, zudem besitze ich keine Tierkrawatten. Känguru in Magenta. Für mich eher ein Symptom und keine Stilfrage.

Und jetzt stehen wir vor dem Scherbenhaufen. Fließbandtote in den Intensivstationen, Schlauch rein, Schlauch raus, Oberösterreich und Salzburg gehen in den Lockdown - es wird erst der Anfang sein. Die Regierung will jetzt eine Impfpflicht prüfen. Jetzt! Man kann dafür sein oder dagegen, man kann sich auch fragen, wie das umgesetzt werden soll - werden Ungeimpfte jetzt per Blasrohr immunisiert? -, aber die Maßnahme jetzt zu prüfen, an einem Tag mit 15.145 Neuinfektionen und 55 neuen Toten, kommt skandalös spät. Wir stehen lichterloh in Flammen, organisieren aber zuerst in aller Ruhe einen Sesselkreis, um zu diskutieren, wie wir uns löschen wollen - mit Wasser oder Decke, Hand hoch, falls noch vorhanden. Daneben Herbert Kickl mit dem Brandbeschleuniger in der Hand. Der FPÖ-Chef empfiehlt ein Pferdeentwurmungsmittel im Kampf gegen Covid, vor dessen Einsatz sogar der Hersteller warnt - aber was weiß der schon? Eine Oststeirerin nimmt eine Überdosis davon und muss auf die Intensivstation. Wieder ein Bett weg für eine Frau, die sich für ein Nutztier hält. Würde ich den Kickl machen, müsste ich ins Gefängnis. Aber Politik darf alles, auch Sterbehilfe.

Am Samstag gibt es wieder so ein Massenselbstmordevent. Ungeimpfte demonstrieren gegen die Maßnahmen. Alle auf einem Haufen, ohne Maske, den anderen die Empörung ins Gesicht schreiend. Morgen berichten wir auf krone.at/wien und in der Wien-„Krone“, wie viele Polizisten sich dabei wieder anspucken lassen dürfen und welche Innenstadtzonen Sie am besten meiden sollten. Für die Intensivmediziner bedeutet der Auflauf vor allem eines: Nachschub!

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit

Mehr Nachrichten

explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele