Gotthard-Bauwerk
Weltlängster Tunnel in der Schweiz durchstoßen
Die Durchschlagsstelle befindet sich 27 Kilometer vom Nordportal im Kanton Uri und 30 Kilometer vom Südportal im Tessin entfernt. Der anwesende Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger bezeichnete den Tunnel als eines der größten Umweltprojekte des Kontinents und sagte, dass ihm die Tränen gekommen sind, weil eine "jahrzehntelange Hoffnung und ein Traum der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger umgesetzt" worden seien.
Österreicher kletterte als erster durch
Erster Mensch, der durch das neu gebohrte Loch unter Tag stieg, war der Kärntner Hubert Bär, Polier und Partieleiter der Tunnelbauer. Der Mölltaler, seit neun Jahren im Schweizer Tunnelbau tätig, ist nur einer von vielen Österreichern, die sich durch den Berg bohren. Bär trug eine hölzerne Statue der Heiligen Barbara mit sich, der Schutzpatronin der Bergleute und Tunnelbauer, und stellte sie in einen Schrein zu den Bildern der acht beim Bau getöteten Bauarbeiter. Bei der anschließenden Feier im Stollen mit knallenden Korken und Feuerwerk wurde neben der Schweizer Fahne und der Fahne des Kantons Graubünden auch die rot-weiß-rote Fahne geschwenkt.
Das Jahrhundertbauwerk ist Teil der europäischen Transportnetze. er Norden und der Süden des europäischen Kontinents rücken nun mehr als 2.000 Meter unter den Schweizer Alpen näher zusammen. Nach dem Ausbau gibt es eine schnelle Eisenbahnverbindung von der Nordsee bis nach Genua in Italien. Bis zu 300 Züge sollen ab 2017 mit einer Geschwindigkeit von bis zu 250 Stundenkilometern durch die beiden Röhren fahren.
Mammut-Bauwerk bricht alle Rekorde
Der Gotthard-Basistunnel, bereits 17 Jahre im Bau, ist der längste Tunnel der Welt. 57 Kilometer wird das Jahrhundert-Bauwerk - an dem die österreichische Strabag-Gruppe mitbaut - nach seiner Fertigstellung messen, mit allen Quer- und Verbindungsstollen misst das Tunnelsystem insgesamt sogar 152 Kilometer. Das Mammut-Bauwerk überragt den 53,8 Kilometer langen Seikan-Eisenbahntunnel zwischen den japanischen Hauptinseln Honshu und Hokkaido. Der drittlängste Tunnel ist mit 49,9 Kilometern der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und England, von dem gut 38 Kilometer unter dem Meer verlaufen.
Seit rund 15 Jahren werden für die "Jahrhundert-Baustelle", wie Schweizer Medien das Projekt getauft haben, Bohrköpfe mit einem Durchmesser von 9,5 Metern durch das Gebirge getrieben. Über 13 Millionen Kubikmeter Gestein mussten ausgebrochen werden - fünfmal das Volumen der Cheops-Pyramide oder ein Güterzug von Zürich nach New York. Acht von insgesamt rund 2.500 Arbeitern ließen dabei bisher ihr Leben.
Schweizer Initiative begeistert EU-Minister
Obwohl das Rekord-Projekt, das bisher rund 10 Milliarden Franken (7,5 Milliarden Euro) gekostet hat und insgesamt fast 19 Milliarden Franken (14,2 Milliarden Euro) kosten soll, ein rein schweizerisches ist, blickte auch die EU der Fertigstellung der unterirdischen Eisenbahntrasse mit großen Erwartungen entgegen.
Die Verkehrsminister der Staatengemeinschaft haben den feierlichen Durchstich bei einem Treffen in Luxemburg gemeinsam über eine Live-Übertragung verfolgt. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas bezeichnete den Basistunnel, mit dessen Hilfe auch der meiste Güterverkehr durch die Alpen auf der Schiene transportiert werden soll, als "außergewöhnliches Projekt".
Chronologie des "Jahrhundert-Projekts"
1947: Der Ingenieur Eduard Gruner beschreibt in der Zeitschrift "Prisma" die Idee eines Gotthard-Basistunnels als Teil eines Schnellbahnsystems.
1961/62: Die Schweizer Bahn (SBB) erarbeitet ein erstes Projekt für einen Tunnel.
1963-70: Eine vom Schweizer Verkehrsministerium eingesetzte Kommission empfiehlt den Bau eines Basistunnels am Gotthard.
1973: Die SBB erhalten den Auftrag, einen Gotthard-Basistunnel zu projektieren.
1990/91: Nach breiter Begutachtung schlägt der Bundesrat den Bau einer Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) unter anderem mit Basistunnel Gotthard vor. Das Schweizer Parlament billigt die Pläne.
27. September 1992: In einer Volksabstimmung sprechen sich 63,6 Prozent für den Bau der NEAT aus.
22. Sept. 1993: Die Bauarbeiten für den Gotthard-Basistunnel beginnen mit dem Sondierstollen.
1993-1998: Disput um die Rentabilität der NEAT. Bundesrat und Parlament redimensionieren das NEAT-Projekt.
Anfang Februar 2009: Die Piora-Mulde im Gotthard-Basistunnel, ein gefürchtetes geologisches Hindernis, wird überwunden.
15. Oktober 2010: Durchschlagsfeier im Gotthard-Basistunnel.
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