Attacke auf Top-Arzt

Weizsäcker musste wegen Hass auf Vater sterben

Ausland
20.11.2019 17:35

Schock und Entsetzen herrscht nach dem tödlichen Angriff auf den Mediziner Fritz von Weizsäcker. Der Sohn des früheren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker war am Dienstag während eines Vortrags erstochen worden (siehe Video oben). Der Angreifer, ein 57 Jahre alter Deutscher, hat nach den jüngsten Erkenntnissen der Ermittler im Wahn gehandelt. Er war für die Bluttat rund 630 Kilometer aus seinem Wohnort nach Berlin angereist. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin beantragte nach der Vernehmung des Mannes dessen Unterbringung wegen Mordes und versuchten Mordes in einer Psychiatrie.

Fritz von Weizsäcker, Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, war am Dienstagabend während eines Vortrags in der Schlosspark-Klinik im Berliner Stadtteil Charlottenburg erstochen worden. Ein privat anwesender Polizist konnte den Angreifer überwältigen, wurde dabei aber selbst schwer verletzt. Die Polizei nahm den 57-jährigen Angreifer fest.

Konnte zunächst über das Motiv des Angreifers nur spekuliert werden, hieß es am Mittwochabend, der Mann habe „im Wahn“ gehandelt. Die Wohnung des Mannes aus Rheinland-Pfalz sei durchsucht, aber nichts Auffälliges gefunden worden. Die Rede war davon, dass der Angreifer „psychisch auffällig“ sei. In der Vernehmung soll der als Gregor S. identifizierte Deutsche angegeben haben, schon länger mit dem Gedanken an eine Ermordung des Mediziners gespielt zu haben.

Das Tatmesser am Weg zur Klinik gekauft
Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft reiste der spätere Mörder aus seiner Heimat am Dienstag mit dem Zug rund 630 Kilometer nach Berlin zum Vortrag von Chefarzt Fritz von Weizsäcker. Der 57-Jährige soll „in einer wohl wahnbedingten allgemeinen Abneigung gegen die Familie von Weizsäcker“ gehandelt haben. Konkret soll Gregor S. Berichten zufolge gegenüber den Ermittlern angegeben haben, den ehemaligen Bundespräsidenten und Vater des Opfers zu hassen. So soll er im Vorfeld der Tat im Internet recherchiert haben und dabei auf den Vortrag gestoßen sein. Bevor er startete, soll er sich noch in Rheinland-Pfalz das spätere Tatmesser gekauft haben.

Hass auf Ex-Präsident als Motiv?
„Es gibt keine persönliche Beziehung zwischen dem Beschuldigten und dem Getöteten“, so der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Details zu der allgemeinen Abneigung des Verdächtigen gegen die Familie von Weizsäcker wollte Steltner nicht nennen. Als Grund habe Gregor S. laut „Bild“-Informationen seine Verbundenheit mit dem vietnamesischen Volk angegeben - und in diesem Zusammenhang die frühere Tätigkeit Richard von Weizsäckers in der Geschäftsführung des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Die Firma belieferte damals den US-Konzern Dow Chemical mit TCDD, jener Chemikalie, die Bestandteil des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ war und deren Einsatz im Vietnamkrieg Hunderttausende Menschen vergiftete.

Bestürzung auch in deutscher Politik
Die deutsche Regierung reagierte indessen bestürzt auf den Tod des Mediziners. Dies sei „ein entsetzlicher Schlag für die Familie von Weizsäcker“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Die Anteilnahme der Bundeskanzlerin und der Mitglieder der Bundesregierung insgesamt geht an die Witwe und die ganze Familie“, so Seibert. Auch ein Sprecher des Innenministeriums sagte, der tödliche Messerangriff auf von Weizsäcker sei „mit Entsetzen“ zur Kenntnis genommen worden.

Mediziner stand in der Tradition der Familiendynastie
Der am Dienstagabend erstochene Fritz von Weizsäcker war Chefarzt in der Schlosspark-Klinik in Berlin. Als Arzt mit großer Karriere stand er fest in der Tradition der Familie von Weizsäcker, die seit vielen Jahrzehnten bedeutende deutsche Politiker und Wissenschaftler hervorbringt.

Richard von Weizsäcker war der Vater des Getöteten, als sechster deutscher Bundespräsident ist er auch der bekannteste Vertreter der Familie. Der 2015 mit 94 Jahren gestorbene Freiherr war Anfang der 80er-Jahre zudem Regierender Bürgermeister von Berlin. Ein ähnlich bekannter Familienspross wie Richard war dessen Großvater, Carl Friedrich von Weizsäcker. Dieser war als Physiker im Zweiten Weltkrieg an der Entwicklung einer am Ende nie fertiggestellten deutschen Atombombe beteiligt, später baute das auch als Philosoph lehrende Universalgenie ein Friedensforschungsinstitut auf.

Familie 1916 in den Adelsstand erhoben
Carl Friedrich von Weizsäcker kokettierte einmal damit, dass die Vorfahren der Familie nur „einfache Müllersleute“ gewesen seien - der Name leite sich schließlich von Menschen ab, die Weizensäcke schleppten. Tatsächlich aber zählten die Weizsäckers mit bedeutenden Vertretern in Wissenschaft und Politik schon seit dem 19. Jahrhundert zu den Vordenkern in Deutschland. 1916 wurde die Familie in den Adelsstand erhoben. Anlass für diese Würdigung war das Wirken von Carl von Weizsäcker als königlich-württembergischer Ministerpräsident.

Richards Vater, Ernst Heinrich von Weizsäcker, gehört wegen seiner Karriere im Nationalsozialismus zu den umstrittensten Persönlichkeiten der Familie. Er begann schon in der Weimarer Republik eine Karriere als Diplomat und wurde unter Adolf Hitler Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Von diesem Posten trat er 1943 zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt, kam aber bald wieder frei.

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