"VdB" tritt zurück

Van der Bellen tritt zurück, Glawischnig folgt

Österreich
04.10.2008 13:33
Die "Grüne Eminenz" zieht Konsequenzen: Alexander Van der Bellen tritt nach fast elf Jahren als Grüner Bundessprecher und dem bescheidenen Abschneiden bei der Nationalratswahl letzten Sonntag ab. Ihm soll seine derzeitige Stellvertreterin Eva Glawischnig folgen. Das sagte Van der Bellen wenige Stunden nach seinem Besuch bei Bundespräsident Fischer in einer Pressekonferenz anlässlich des erweiterten Bundesvorstandes der Grünen am Freitag. Der Politik bleibt "VdB" aber erhalten.

"Es war eine interessante und schöne Zeit", resümierte der scheidende Grüne Parteichef. In den vergangenen elf Jahren habe es die Partei in alle Landtage geschafft, die österreichischen Grünen zählten zu den erfolgreichsten Europas, hob er die Erfolge seiner Amtszeit hervor.

"Liebe Eva", "Danke Sascha"
Am Wahlabend habe er bereits gewusst, dass es Zeit für einen Neubeginn in der Partei sei, erläuterte Van der Bellen. Er habe aber mit der Verkündung seiner Entscheidung auf den erweiterten Bundesvorstand warten wollen, sagte er. Nachdem er auf der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz seinen Rücktritt offiziell mitgeteilt hatte und Eva Glawischnig zu seiner Nachfolgerin erklärt hatte, schloss er mit "Liebe Eva, ich wünsche dir alles Gute". Glawischnig dankte es ihm mit den Worten, es tue ihr sehr leid, dass er gehe: "Danke Sascha, danke für die schöne Zeit". In ihrer Stellungnahme hob sie Van der Bellen als einen Politiker hervor, der Rituale in der Politik hinterfragt habe. Dafür würde er über alle Parteigrenzen hinweg geschätzt, so Glawischnig.

Von der "Chartstürmerin" zur Spitzenpolitikerin: Mehr über die neue Grünen-Chefin Eva Glawischnig findest du in der Infobox!

Van der Bellen bleibt im Nationalrat
Aus der Politik gänzlich ausscheiden will Van der Bellen offensichtlich nicht. Auf die Frage, ob er auch sein Nationalratsmandat niederlegen wolle, meinte der Professor: "Ich bin ein begeisterter Parlamentarier und sehe keinen Grund, warum ich nicht im Parlament bleiben soll."

Glawischnig wird die Agenden Van der Bellens sofort übernehmen. Beim Erweiterten Vorstand gab es zu dieser Lösung nur eine Gegenstimme, die vom EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber kam. Ausständig ist nun noch die Bestätigung Glawischnigs durch einen außerordentlichen Bundeskongress.

Bereits bei seinem Besuch bei Bundespräsident Fischer (siehe Infobox) gab sich Van der Bellen ungewohnt zugeknüpft, beantwortete die Personalfrage mit "No comment". Wenige Stunden später beriefen die Grünen dann die Pressekonferenz ein.

Wahl '08 war erster Dämpfer seit "VdB"-Antritt
Van der Bellen hatte als Bundessprecher alle Rekorde gebrochen: Mit fast elf Jahren war er ebenso lang an der Spitze wie alle seine Vorgänger zusammen. Denn bis zu seiner Kür im Dezember 1997 wechselte die seit 1986 im Parlament vertretene Partei ihre Frontleute alle zwei Jahre. Mit Van der Bellen schafften die Grünen den Sprung von der "Existenzgrenze" über die Zehn-Prozent-Marke, verankerten sich in allen Ländern und wandelten sich von der Oppositionstruppe zu einer Partei, die in Oberösterreich in einer schwarz-grünen Koalition regiert und dies gerne auch im Bund täte.

Zuletzt - nach den sehr erfolgreichen Jahren unter Schwarz-Blau-Orange - war allerdings der Schwung draußen. Nach ersten Misserfolgen bei Landtagswahlen verpassten die Grünen bei der heurigen Nationalratswahl bei weitem ihre Ziele, Dritte und Regierungspartei zu werden. Van der Bellen gelang es bei seiner vierten Spitzenkandidatur nicht, die von der Großen Koalition frustrierten Wähler für die Grünen zu gewinnen. Sie verloren sogar (erstmals mit Van der Bellen) Stimmen, während FPÖ und BZÖ massiv zulegten. Aber sie haben zum zweiten Mal in Folge die Zehn-Prozent-Marke genommen, die bei Van der Bellens Start 1997 - wo sie nur 4,8 Prozent hatten - in weiter Ferne schien.

"One-Man-Show"

Parteiintern gelang es dem Wirtschaftsprofessor, den Grünen - die zuvor meist das Bild eines zerstrittenen Haufens abgaben - das Aussehen einer vergleichsweise geeinten, professionellen Partei zu geben. Dies, obwohl 1997 einige Parteikollegen - u.a. Karl Öllinger, Monika Langthaler, Eva Lichtenberger - Nachfolger Christoph Chorherrs werden wollten, der entnervt das Handtuch geworfen hatte. Letztlich ließen sie aber dem damaligen stv. Klubchef Van der Bellen den Vortritt und der Bundeskongress wählte ihn mit 82,3 Prozent. Bei der zweiten Wiederwahl 2002 kam er sogar auf 90,5 Prozent. Heuer, bei der fünften Wiederwahl, reichte es bei zunehmendem Unmut über die "One-Man-Show" nur mehr für 80,7.

Die Funktion des Bundessprechers wurde bei den Grünen erst 1992 geschaffen, der erste in dieser Funktion war Peter Pilz. Nach zwei Jahren löste ihn Madeleine Petrovic ab, die nach dem schwachen Abschneiden bei der Wahl 1995 im Frühjahr 1996 Christoph Chorherr weichen musste. Der hielt sich nur eineinhalb Jahre, im Dezember 1997 begann die Ära Van der Bellens. Vor den "Bundessprechern" hatte es schon Parteisprecher gegeben, die die Grünen nach außen vertraten: Erste beim Einzug ins Parlament 1986 war Freda Meissner-Blau. 1988 übernahm der jetzige EU-Abg. Johannes Voggenhuber diese Funktion, 1990 folgte Franz Floss.

Bei den Klubchefs gab es mit Madeleine Petrovic neben Van der Bellen eine Grüne, die schon einmal länger als zwei Jahre eine Spitzenfunktion innehatte: Sie war 1992 bis 1999 - als Van der Bellen auch diese Funktion übernahm - Klubobfrau.

Parteichefs/Parteisprecher/Bundessprecher der Grünen
11/1986 - 11/1988 Freda Meissner-Blau
11/1988 - 12/1990 Johannes Voggenhuber
12/1990 - 10/1992 Franz Floss
10/1992 - 11/1994 Peter Pilz
11/1994 - 3/1996 Madeleine Petrovic
3/1996 - 12/1997 Christoph Chorherr
seit 12/1997 Alexander Van der Bellen, seit 1999 auch Klubchef

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