Köpferollen

Josef Pröll löst Wilhelm Molterer als ÖVP-Chef ab

Politik
01.10.2008 11:29
Köpferollen am Tag nach dem Wahldebakel: Wilhelm Molterer ist am Montagabend als ÖVP-Chef zurückgetreten, Josef Pröll folgt ihm nach. "Ich habe dem Bundesparteivorstand vorgeschlagen, dass Sepp Pröll ab heute als geschäftsführender Bundesparteiobmann die Führungsverantwortung in der ÖVP übernimmt", bestätigte Molterer bei einem gemeinsamen Auftritt mit Pröll nach der Vorstandssitzung. Der Führungswechsel solle "möglichst rasch" auf einem Sonderparteitag vollzogen werden. Ob die ÖVP die kommende Legislaturperiode in der Regierung oder in Opposition verbringen will, darauf wollte man sich am Montagabend noch nicht festlegen.

Neo-Parteichef Josef Pröll, der vom ÖVP-Vorstand in dieser Frage freie Hand bekommen hat, meinte dazu: "Es gibt in diesen Tagen keine Festlegung auf Koalitionen oder Opposition in welcher Form auch immer." Der scheidende Parteiobmann Molterer unterstrich, dass es im Falle einer Regierungszuammenarbeit auch keine Festlegung auf eine bestimmte Partei gebe.

Den ganzen Tag über war in der Partei gerungen worden, wie man sich nach dem Absturz auf nur noch gut 25 Prozent der Wählerstimmen neu positionieren wollte. Schüssel soll als Molterer-Nachfolger Innenministerin Maria Fekter und Wissenschaftsminister Johannes Hahn ersonnen haben, was er offiziell freilich dementieren ließ. Ganz im Gegenteil stellte er sich öffentlich hinter Molterer, wie übrigens auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein.

Parteigranden für Molterer-Ablöse
Der Druck vor allem seitens der Länder und des Wirtschaftsbundes war letztlich aber zu stark. Schon vor dem Parteivorstand legten sich die Granden fest, dass Pröll Molterer nachfolgen soll. Dieser tat der Partei dann auch den Gefallen und zog freiwillig zurück, um "nach einer intensiven Diskussion mit mir selbst" seinen Vize als Nachfolger vorzuschlagen. Dies wurde einstimmig angenommen.

Ob Molterer in der Politik bleibt, ließ er offen. Das müsse er sich noch genau überlegen. Auch ob Altkanzler Schüssel weiter den Klubchef gibt, blieb offen. Pröll wollte sich explizit nicht festlegen, ob er sich das wünschen würde. Die beiden gelten schon seit längerem als spinnefeind. Schüssel verließ ebenso wie seine Vertraute Außenministerin Ursula Plassnik die ÖVP-Zentrale ohne Kommentar. Als Kandidaten für die Klubführung gelten Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf und Fekter.

Pröll: "Ball liegt bei Faymann"
Von sich aus will Pröll keine Gespräche mit anderen Parteien beginnen. Der Ball liege nun bei SPÖ-Chef Werner Faymann. In Richtung Sozialdemokraten schoss Pröll schon einmal prophylaktisch scharf. Äußerungen vom Wahlabend seitens der SPÖ seien nicht unbedingt vertrauensbildend gewesen.

Keine Angaben des neuen ÖVP-Chefs gab es, was weitere Personalia in der Volkspartei betrifft. So bleibt vorerst unklar, wer Generalsekretär wird bzw. ob Hannes Missethon im Amt bleibt. Wie Sitzungsteilnehmer am Rande des ÖVP-Vorstandes berichteten, ist Sozialsprecher Werner Amon als neuer Generalsekretär im Gespräch. Eine offizielle Bestätigung gibt es vorerst noch nicht. Der Vorstand habe ihm in dieser Frage freie Hand gegeben, so Josef Pröll.

Faymann zu Personalrochade zurückhaltend
SPÖ-Chef Werner Faymann hat am Dienstag vor der Demissionierung bei Bundespräsident Heinz Fischer die neue Situation bei der ÖVP zurückhaltend kommentiert. Gefragt, ob mit dem Obmannwechsel hin zu Josef Pröll nun der Weg für eine Große Koalition frei sei, sagte Faymann lediglich: Er könne versprechen, dass, wenn er den Auftrag vom Bundespräsidenten zur Regierungsbildung habe, er sich sehr ernsthaft darum bemühen werde.

Gefragt ob mit Pröll nun sein Wunschkandidat designiertet ÖVP-Obmann ist, sagte Faymann, dass das die ÖVP alleine zu entscheiden gehabt habe. Er habe aber immer schon gesagt, dass er mit Pröll gut zusammenarbeiten könne. Aber die ÖVP suche sich selbst aus, wen sie wähle.

Bartenstein unter Rot-Schwarz nicht mehr Minister
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein steht für den Fall einer Neuauflage der Großen Koalition unter einem Kanzler Werner Faymann nicht mehr als Minister zur Verfügung. Bartenstein betonte nach dem ÖVP-Vorstand, er habe immer gesagt, dass er nicht unter Faymann in eine Regierung gehe und halte sich daran. Die Kür von Josef Pröll zum ÖVP-Chef hält für Bartenstein allerdings nicht für ein Präjudiz zugunsten einer Großen Koalition, wie er betonte.

Rot-Schwarz sei nur eine von drei Optionen, so Bartenstein. Die anderen beiden seien der Gang in die Opposition und eine "Koalition ohne SPÖ" (also Schwarz-Blau-Orange). Die ÖVP werde nun alle drei Optionen prüfen, in seinem Bundesland Steiermark sei allerdings nahezu die gesamte Parteibasis für die Opposition. Dass er selbst sich vor der Vorstandssitzung gegen eine Personaldebatte ausgesprochen hatte, Parteichef Molterer nun aber doch den Hut genommen hat, begründete Bartenstein mit den Worten: "Es hat keine Debatte gegeben, sondern die Erklärung des Bundesparteiobmanns und Vizekanzlers."

"Große Koalition keine ausgemachte Sache"
Der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger zeigte sich über den einstimmigen Vorstandsbeschluss für Pröll erfreut: "Ich wünsche Sepp Pröll, der ein genialer Typ ist, alles Gute." Eine Große Koalition ist auch für ihn keine ausgemachte Sache: "Das ist kein Zeichen, dass wir uns der Faymann-SPÖ unterwerfen, im Gegenteil."

Zufrieden zeigte sich auch Arbeitnehmerbundchef Fritz Neugebauer: "Gute Analyse, klare Entscheidung. Nach der Wahl ist vor der Wahl." In Sachen Koalition sei nun SPÖ-Chef Faymann am Zug, sobald er einen Regierungsbildungsauftrag erhalte. Dass AAB-Mann Werner Amon unter Pröll ÖVP-Generalsekretär werden soll, wie es zuvor gerüchtehalber geheißen hatte, bezeichnete Neugebauer als "Kaffeesudleserei": "Das war nicht Thema heute."

Innenministerin Maria Fekter sieht die Kür Prölls als Neubeginn. "Wir werden die ÖVP neu aufstellen. Das ist es, was der Wähler uns aufgetragen hat." Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter zeigte sich "sehr glücklich" über die Entscheidung des Parteivorstandes, für ihn ist Pröll eine "Zukunftsansage". Auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl zeigte sich in der "ZiB2" "zufrieden" mit der Personalentscheidung.

Neisser für Gang in die Opposition
Der frühere ÖVP-Klubobmann Heinrich Neisser sprach sich für einen Neubeginn aus, warnte am "Runden Tisch" des ORF aber zugleich davor, dass mit dem Wechsel an der Parteispitze zu Josef Pröll die Probleme noch nicht gelöst seien. Die ÖVP müsse ihre inneren Strukturen und ihr äußeres Erscheinungsbild verbessern. Neisser empfahl Pröll, sich einen neuen Generalsekretär zu suchen, der auch die strategische Führung der Partei übernehmen sollte. Außerdem empfahl der den Gang in die Opposition: Das Wahlresultat sei eine ziemlich deutliche Absage der Wähler an eine Fortführung der Großen Koalition.

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