Nach Wahldebakel

Bayerns Ministerpräsident Beckstein tritt zurück

Ausland
01.10.2008 17:47
Wilhelm Molterer hat es eben erst erlebt, jetzt widerfährt dem bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein dasselbe Schicksal: In der Fraktionssitzung der CSU in München hat Beckstein seinen Rücktritt angekündigt. Er zieht damit die Konsequenz aus den drastischen Stimmenverlusten der CSU bei der Landtagswahl am Sonntag, die nach 46 Jahren das Ende der absoluten Mehrheit markierten. Als möglicher Nachfolger wird der deutsche Agrarminister Horst Seehofer gehandelt.

Nach der Sitzung sagte Beckstein, er habe nicht mehr den notwendigen Rückhalt in der Partei gespürt. Dies sei aber angesichts der anstehenden Aufgaben unerlässlich. Das Vertrauen der Wähler sei leider deutlich niedriger, als er erhofft habe, so Beckstein. Nach der schmerzlichen Wahlniederlage spüre er, dass der Rückhalt in der Partei nicht groß genug sei. Er werde sich in der neuen Legislaturperiode nicht mehr im Landtag zur Wahl stellen. Es müssten nun richtige Weichenstellungen getroffen werden. Da seien alle gefordert.

Zur Nachfolge Becksteins gebe es noch keine Entscheidung, hieß es aus der Krisensitzung der Landtagsfraktion. Seehofer, der bereits das Amt des Parteichefs vom zurückgetretenen Erwin Huber übernehmen soll, könne auch Ministerpräsident werden, hieß es.

Oberbayern-CSU forderte Rücktritt
Die mächtige Oberbayern-CSU hatte vor der Sitzung Becksteins Rücktritt gefordert. Die niederbayerischen Abgeordneten schlossen sich der Forderung an. Nur die CSU Oberfranken wollte Beckstein im Amt halten. Beckstein sagte auf die Frage, welche Gefühle er habe: "Unterschiedliche, gute und schlechte." Zur Fraktionssitzung war auch Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber gekommen, obwohl er dem neuen Landtag nicht angehört.

Huber am Dienstag zurückgetreten
Als Konsequenz aus den schweren Verlusten seiner Partei ist am Dienstag bereits Erwin Huber zurücktreten. "Ich werde beim Parteitag mein Amt als CSU-Vorsitzender zur Verfügung stellen. Bis dahin nehme ich meine Aufgaben in vollem Umfang wahr. Ich gebe damit meiner Partei die Chance für einen personellen Neubeginn an der Spitze", sagte Huber wörtlich. Als sein Nachfolger als Parteichef wird Landwirtschaftsminister Horst Seehofer kandidieren, wie er nach einer Sondersitzung der CSU-Landesgruppe am Dienstag in Berlin ankündigte. Viele in der CSU plädieren dafür, dass der Minister auch das Amt des Ministerpräsidenten von Beckstein übernimmt.

Erleichterung bei den CSU-Granden
CSU-Spitzenpolitiker nahmen die Rückzugsankündigung ihres Parteichefs Erwin Huber mit Erleichterung auf. Der Führungswechsel an der CSU-Spitze ist für den Berliner CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ein Zeichen an die Wähler nach dem Wahldesaster in Bayern. Die CSU wolle ein "Signal an unsere Wähler geben, dass wir das Wahlergebnis ausgesprochen ernst nehmen", sagte Ramsauer in Berlin. Bei Inhalt und Personen sollten die Weichen dafür gestellt werden, dass die CSU die Bundestagswahl erfolgreich bestehe.

Beckstein konzentriert sich auf Koalitionsverhandlungen
Beckstein selbst hatte Rücktritts-Berichte am Dienstag noch als "vollständig falsch" dementiert. Er wolle zügig Koalitionsverhandlungen mit der FDP - die nach 14 Jahren wieder im Landtag vertreten ist - und den Freien Wählern aufnehmen. Die Sondierungsgespräche würden noch diese Woche beginnen und nächste Woche detaillierter fortgesetzt. Auf CSU-Seite werde er die Verhandlungen zusammen mit dem noch bis zum 25. Oktober amtierenden Parteichef Erwin Huber, Seehofer und dem Chef der Landtagsfraktion, Georg Schmid, führen, hatte es geheißen.

Verlust der absoluten Mehrheit nach Wahldebakel
Die CSU hatte am Sonntag ihr schlechtestes Ergebnis seit 50 Jahren eingefahren und mit einem Sturz um 17,3 Punkte auf 43,4 Prozent ihre langjährige absolute Mehrheit verloren. Die FDP legte um 5,4 Punkte zu und kehrt mit 8,0 Prozent in den Landtag zurück. Erstmals ziehen dort auch mit 10,2 Prozent - einem Plus von 6,2 Punkten - die Freien Wähler ein. Die SPD verlor 1 Punkt und erreichte nur 18,6 Prozent. Die Grünen verbesserten sich in Bayern um 1,7 Punkte auf 9,4 Prozent. Die Linke scheiterte mit 4,3 Prozent.

Stoiber: "Bitterster Moment" des politischen Lebens
Der langjährige CSU-Partei- und Regierungschef Edmund Stoiber, der vor einem Jahr zum Rücktritt gezwungen worden war, bezeichnete die Wahlniederlage als den bittersten Moment seines politischen Lebens. Nach seinen Worten sei die CSU gegenwärtig nicht mehr der Mythos, der sie jahrzehntelang gewesen sei.

Comeback von CSU-Rebellin Pauli
Die frühere CSU-Rebellin Gabriele Pauli zieht unterdessen für die Freien Wähler (FW) in den bayerischen Landtag ein. Die frühere Fürther Landrätin (1990 bis 2008) erhielt im Bezirk Mittelfranken insgesamt rund 35.500 Stimmen und erwies sich damit als Stimmen-Magnet. Nur die Listenführer von CSU und SPD, Beckstein und der Landtagsabgeordnete Thomas Beyer, erhielten in Mittelfranken mehr sogenannte Zweitstimmen als Pauli. Mit ihrer Kritik am damaligen Ministerpräsidenten und Parteichef Stoiber hatte Pauli die CSU-Führungskrise ausgelöst. Nachdem sie sich erfolglos um Stoibers Nachfolge beworben hatte, trat sie aus der Partei aus.

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