Elf Tote in Bayern

Unvorstellbar: Opfer filmte Minuten nach Zug-Crash

Ausland
11.02.2016 17:35

Es ist stockfinster, Menschen wimmern - ob aus Angst oder vor Schmerz oder beides: Ein von einem Passagier in einem der Dienstagfrüh in Bayern frontal kollidierten Unglückszüge aufgenommenes Handyvideo gibt einen beklemmenden Einblick in die Szenerie nach dem Crash. Manche Insassen versuchen zu helfen, andere sind von den Ereignissen verstört. Unglücksursache dürfte menschliches Versagen gewesen sein.

Insgesamt elf Menschen ließen ihr Leben, 17 weitere Fahrgäste wurden schwer, mehr als 60 Passagiere leicht verletzt - so lautet die schreckliche Bilanz der Zugkollision im bayrischen Bad Aibling. Zehn Insassen waren sofort tot, ein 47-Jähriger Mann erlag am Donnerstag seinen Verletzungen. Augenzeugen und Helfer zeigten sich schockiert von den Geschehnissen. Ein Passagier berichtete: "Es gab eine Vollbremsung. Eine Sekunde später flogen die Leute wie Puppen durch die Luft."

"Überall waren Schreie, es war schrecklich", schilderte ein 29-jähriger Mann, der gerade von der Nachtschicht auf dem Weg nach Hause war und im letzten Waggon saß, der "Bild"-Zeitung den Augenblick der Katastrophe. Der Chemiearbeiter kam mit einer Verletzung an der Nase noch glimpflich davon.

"Wir hörten Hilferufe, konnte aber nichts tun"
Ein weiterer Augenzeuge sagte, dass sich nach dem Crash die unverletzten Insassen der Züge um Opfer gekümmert hatten: "Wir brachten Zuginsassen an den Damm, nur einen Mann mit gebrochenem Bein konnten wir nicht transportieren. Aus den zertrümmerten Teilen des Zugs kamen Hilferufe, aber man konnte in der Dunkelheit nichts tun. Außerdem blitzte immer wieder die Oberleitung auf. Wir hätten gerne mehr rausgeholt, aber ohne Gerät hatten wir keine Chance."

Einen Einblick, welch dramatische Bilder sich den Rettungskräften boten, gab ein Notarzt: "Beim Aufprall wurden enorme Kräfte freigesetzt. Schwerverletzte waren teilweise stundenlang eingeklemmt. Mit solchen Verletzungen ist man auch als langjähriger Notarzt eher selten konfrontiert", schilderte der Mediziner.

Dobrindt: "Das sind Bilder, die einen sehr stark belasten"
Als die Züge gegen 6.45 Uhr zusammenstießen und sich die Triebwagen ineinander verkeilten, entgleiste einer der Züge, mehrere Waggons kippten zur Seite. "Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt", berichtete der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der die Unfallstelle besichtigte. "Das sind Bilder, die einen natürlich sehr stark emotional belasten, weil man sich nicht vorstellen kann, dass solche Unglücke auch bei uns vorkommen können."

Die Ursache für den Unfall auf der auch Mangfalltalbahn genannten Strecke ist noch unklar. Der Abschnitt wird mithilfe des "Punktförmigen Zugbeeinflussungssystems" kontrolliert - "ein System, das automatisch dafür sorgen soll, dass das Aufeinandertreffen von Zügen nicht stattfindet, indem Züge zwangsgebremst werden, wenn sie unberechtigt auf einer Strecke sind, Signale überfahren oder Ähnliches", erklärte Dobrindt. Das System war erst in der vergangenen Woche im Rahmen einer Routineuntersuchung kontrolliert worden - ohne Auffälligkeiten.

Menschliches Versagen mögliche Ursache
Einem Zeitungsbericht zufolge ist das Unglück womöglich auf menschliches Versagen zurückzuführen. Der Auslöser sei offenbar eine "verhängnisvolle Fehlentscheidung" eines Bahnmitarbeiters gewesen, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem mehr als 30 Tageszeitungen angehören, am Dienstagabend unter Berufung auf Ermittlerkreise.

Dem Bericht zufolge soll der Bahnbedienstete das automatische Signalsystem ausnahmsweise außer Kraft gesetzt haben, um einen verspäteten Triebwagen noch "quasi von Hand durchzuwinken". Der entgegenkommende Zug habe ebenfalls grünes Licht bekommen. Die Polizei wollte sich vorerst nicht zu dem Bericht äußern. Die Ermittlungen würden noch viel Zeit in Anspruch nehmen, die Spezialisten hätten mit ihrer Ermittlungsarbeit gerade erst begonnen.

Hilfe kam auch aus Österreich
Die Bergungsarbeiten gestalteten sich extrem schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Ein Großaufgebot von rund 700 Rettungskräften mit zahlreichen Hubschraubern und Krankenwagen kümmerte sich um die Verletzten. Hilfe kam auch aus Österreich. Hubschrauber brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, wo alle planmäßigen Operationen sofort abgesagt wurden, um Kapazitäten für die Versorgung der Opfer zu schaffen. Die zahlreichen Leichtverletzten wurden zunächst in einer Sammelstelle versorgt. Dabei half auch die Wasserwacht, die die Opfer auf das gegenüberliegende und besser erreichbare Ufer brachte.

Wegen Ferien zum Glück keine Schüler in den Zügen
In den Zügen auf dieser Strecke sitzen morgens zahlreiche Pendler, von denen viele weiter nach München fahren. Zum Glück seien keine Schüler in den Zügen gewesen, sagte ein Polizeisprecher - in Bayern sind derzeit Ferien.

Die 37 Kilometer lange Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim wurde komplett gesperrt. Die Bergung der Unglückszüge wird nach Einschätzung der Rettungskräfte noch mindestens zwei Tage dauern. Zunächst sollen Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks mit schwerem Schneidegerät versuchen, die Triebköpfe auseinanderzuschneiden und danach die Züge voneinander zu trennen. In der nächsten Phase sollen Bergezüge mit Kränen eingesetzt werden.

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