Schwerer Vorwurf

USA: "Gadafi legt an Bombenzielen Leichen ab"

Ausland
27.03.2011 20:08
Schwere Vorwürfe erhebt US-Verteidigungsminister Robert Gates gegen das Gadafi-Regime: Die Anhänger des Diktators sollen Leichen an den Angriffsorten der Koalitionsstreitkräfte ablegen, um den Anschein zu erwecken, dass unschuldige Zivilisten getötet werden. Libyens Regierungssprecher Ibrahim Mussa erhebt hingegen seinerseits schwere Vorwürfe gegen das Militärbündnis.

Die Vorwürfe der USA seien nicht haltlos, es gebe eine Menge Geheimdienstberichte darüber, dass Muammar al-Gadafi die Leichen von Menschen, die er töten ließ, an Orten platzieren lasse, die die Koalition zur Durchsetzung des Flugverbots angegriffen habe, so US-Verteidigungsminister Gates. Weiters betonte er, dass die Koalitionsstreitkräfte "äußerst vorsichtig" vorgegangen seien.

Libyens Regierungssprecher Mussa sieht dies anders: "Die Luftangriffe gegen unser Volk gehen mit voller Kraft weiter, es gibt große Verluste unter der Zivilbevölkerung." In der Nacht auf Sonntag soll die westliche Koalition Gadafi-Truppen auf dem 400 Kilometer langen Abschnitt zwischen Ajdabiya und Sirte massiv angegriffen haben. Das libysche Staatsfernsehen berichtete außerdem, die Flugzeuge hätten "militärische und zivile Areale" in der Stadt Sebha, 800 Kilometer südlich von Tripolis, bombardiert.

Siegeszug der Rebellen fortgesetzt
Unterdessen geht der Siegeszug der Rebellen in Libyen weiter, am Sonntag haben sie ihren Vormarsch fortgesetzt. Nach der Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt Ajdabiya erreichten die Aufständischen das weiter westlich gelegene Ukaila, wie der Fernsehsender Al Jazeera berichtete. Die Kämpfer seien in die Vororte der 110 Kilometer von Ajdabiya entfernt gelegenen Stadt eingezogen.

Wie der britische Sender BBC berichtete, nahmen die Rebellen auch den strategisch wichtigen Ölhafen der Stadt Brega ein. Die Truppen von Machthaber Gadafi sollen in der dünn besiedelten Region um Brega keinen Widerstand geleistet haben.

Rückeroberung Ajdabiyas war großer Erfolg
Erst am Samstag hatten die Oppositionsmilizen die Küstenstadt Ajdabiya zurückerobert. Die Gadafi-Truppen hatten sich zuvor unter den schweren Luftangriffen des westlichen Militärbündnisses zurückgezogen, das einen UNO-Sicherheitsratsbeschluss zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen durchsetzt.

Der Erfolg sei ein "großer moralischer Antrieb" für die Aufständischen, hieß es im Sender BBC. Im TV waren Bilder von zerstörten Panzern und Militärfahrzeugen Gadafis sowie jubelnde Aufständische zu sehen. Ein libyscher Sprecher hatte sogar zugegeben, dass die Bombardements der West-Alliierten den Regimetruppen zusetzen. "Die Luftschläge geben den Rebellen Deckung", sagte Regierungssprecher Mussa in Tripolis.

Unterdessen hat sich die NATO am Sonntag auf die vollständige Übernahme des Kommandos des Militäreinsatzes in Libyen geeinigt. Die Botschafter der 28 Mitgliedsländer hätten vereinbart, dass die Allianz das Kommando über alle Militäreinsätze in dem nordafrikanischen Land übernehme, sagte ein NATO-Vertreter am Sonntagabend nach dem Treffen der Botschafter in Brüssel. Die Luftangriffe zur Durchsetzung der Flugverbotszone über Libyen hatten vor gut einer Woche unter der Führung der USA, Frankreichs und Großbritanniens begonnen.

Gadafi soll ins Exil gehen
Der italienische Außenminister Franco Frattini schlug indessen ein Exil für Gadafi als Ausweg aus der Krise vor. Ganz Europa und die Vereinten Nationen hätten klargemacht, dass Gadafi kein akzeptabler Gesprächspartner mehr sei und daher sei eine "Lösung, bei der er an der Macht bleibt" nicht denkbar, sagte Frattini der Zeitung "La Repubblica" vom Sonntag. Ein Gang Gadafis ins Exil sei daher denkbar, auch in seinem Umfeld werde dieser Weg diskutiert.

Frattini will den Plan am Dienstag in London vorstellen, wenn sich die Außenminister der an der internationalen Militärkoalition gegen Gadafi beteiligten Länder sowie andere Staaten der Region treffen. Der Plan sieht demnach einen von der UNO überwachten Waffenstillstand sowie umfangreiche Kontakte mit den wichtigsten Stämmen des Landes und einen "ständigen humanitären Korridor" vor, an dem Italien bereits mit der Türkei arbeite. Italien hatte bisher die engsten Beziehungen der EU-Staaten zum Gadafi-Regime.

Obama sieht "wichtige Fortschritte"
US-Präsident Barack Obama sprach am Samstag von "wichtigen Fortschritten" der internationalen Militäraktion gegen das Regime Gadafis. "Gadafi hat das Vertrauen seines Volkes sowie die Rechtmäßigkeit zur Herrschaft verloren", sagte Obama in seiner wöchentlichen Rundfunkrede. "Die Hoffnungen des libyschen Volkes müssen verwirklicht werden." Das Weiße Haus kündigte eine wichtige Rede Obamas zu Libyen für Anfang der Woche an.

Obama sprach sich dafür aus, Gadafi für das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung zur Verantwortung zu ziehen. Zugleich mahnte er ihn, die Angriffe auf Zivilisten zu stoppen. "Diejenigen, die für Gewalt verantwortlich sind, müssen haftbar gemacht werden", forderte Obama.

Britischer Minister warnt vor Gadafi-Racheakten
Der britische Justizminister Kenneth Clarke warnte unterdessen vor einem Racheanschlag Gadafis im Stil des Lockerbie-Attentats. Großbritannien habe "guten Grund", Gadafi nicht mehr an der Macht sehen zu wollen, sagte Clarke in einem Interview der britischen Zeitung "The Guardian" am Samstag. "Die Menschen in Großbritannien haben einen Grund, sich an den Fluch Gadafis zu erinnern - Gadafi zurück an der Macht, der alte Gadafi, der Rache sucht; wir haben großes Interesse daran, das zu verhindern." Bei dem Attentat auf einen Pan Am-Jumbo über dem schottischen Ort Lockerbie 1988 waren 270 Menschen ums Leben gekommen.

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