Kritik an Österreich

“Humanitäre Krise” durch Tageskontingente?

Ausland
18.02.2016 13:03

Ab Freitag gelten in Österreich Tageskontingente für Flüchtlingsaufnahmen. Wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Mittwoch mitteilte, dürfen dann täglich maximal 3200 Flüchtlinge die Grenzen passieren. Außerdem sollen nur mehr 80 Asylanträge pro Tag angenommen werden. "Ein Rückstau auf slowenischer Seite und damit auch Drucksituationen an der Grenze" können nicht ausgeschlossen werden, sagte sie. Vor allem die Balkanstaaten befürchten nun gravierende Probleme - selbst von einer möglichen "humanitären Krise" ist die Rede.

Es besteht die Angst, dass es binnen Tagen zu Eskalationen auf der Balkan-Route kommt. "Slowenien ist ein Opfer Österreichs", hieß es gar am Mittwoch am Rande eines Treffens der EU-Spitzen mit den Staats- und Regierungschefs von Kroatien, Serbien, Mazedonien und Slowenien. EU-Ratspräsident Donald Tusk wolle diese Botschaft auch Bundeskanzler Werner Faymann kurz vor dem EU-Gipfel, der am Donnerstagabend beginnt, mitteilen.

Schulz: "Intellektuell brillante Leistung Österreichs"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich ebenfalls wenig erfreut über die österreichischen Tageskontingente. Wenn die österreichische Regierung sage, sie nehme keine Flüchtlinge auf und gleichzeitig argumentiere, dass die EU nicht funktioniere, dann "ist das eine intellektuell brillante Leistung", so Schulz im ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag. Er finde es "witzig", wenn Politiker wie Innenministerin Mikl-Leitner von "der EU" sprächen. "Was ist denn die EU? Die EU ist ihre Mitgliedsstaaten."

Kritisch äußerte sich der deutsche Sozialdemokrat generell zu Grenzschließungen: "Wenn wir Grenzen schließen, sagen wir den Leuten, ihr müsst wieder dorthin zurück, wo gebombt wird", sagte er unter Hinweis auf russische Bombardements in Nordsyrien. Es gebe zu viele Länder in der EU, "die sich aus der Verantwortung stehlen". "In dem Augenblick, in dem die Flüchtlinge in allen EU-Staaten verteilt würden, gäbe es keine Krise mehr."

Merkel: "Grenzsperren sind eine Scheinlösung"
Auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Grenzsperren als "Scheinlösung". Die Regierungschefin will beim EU-Gipfel in Brüssel einmal mehr für eine europäische Lösung mithilfe der Türkei werben. Allerdings steht Merkel immer mehr auf verlorenem Posten. Die ohnehin geringen Aussichten auf eine große Vereinbarung mit der Türkei erhielten am Mittwoch einen weiteren Rückschlag, weil der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu seine Teilnahme an den Beratungen in Brüssel nach einem Bombenanschlag in Ankara absagte.

Damit platzte auch ein Treffen der "Willigen" im Vorfeld des EU-Gipfels, wie das Bundeskanzleramt am Abend mitteilte. Faymann hätte sich von dem Treffen eine Vereinbarung zwischen Athen und Ankara über die direkte Rückführung von in der Ägäis aufgegriffenen Flüchtlingen gewünscht.

Mikl-Leitner nimmt Schulz-Aussage "nicht ernst"
Innenministerin Mikl-Leitner lässt die Kritik aus Brüssel und Berlin jedenfalls nicht gelten. Schulz' "flapsige" Bemerkungen nehme sie "nicht ernst", so die Ministerin. Natürlich setze die gesamte österreichische Regierung auf eine europäische Lösung. "Weil wir aber wissen, dass diese Zeit braucht, geht es jetzt darum, nationale Maßnahmen zu setzen. Und diese setzen wir nicht gegen Europa, sondern für mehr Europa", erklärte Mikl-Leitner.

Sie verteidigte die Entscheidung der Bundesregierung. Deutschland arbeite bereits seit Monaten mit Kontingenten. "Das hat uns vor Weihnachten in eine schwierige Situation gebracht" und zu einem großen Rückstau in Österreich geführt. Dass die österreichischen Kontingente nun zu einem Rückstau in Slowenien führen können, ist der Ministerin bewusst: "Selbstverständlich kann es auch zu einem Rückstau in Slowenien kommen und auch zu Druckpunkten. Deswegen haben wir ja den Zaun in Spielfeld gebaut - um derartige Druckpunkte auch bewerkstelligen zu können."

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