Gemischte Reaktionen

AK und IV wollen Familienbeihilfe umkrempeln

Österreich
09.01.2012 16:33
Arbeiterkammer (AK) und Industriellenvereinigung (IV) treten gemeinsam für eine Totalreform der Familienförderung ein: Geld- und Steuerleistungen sollen zu einer einzigen "Familienbeihilfe Neu" zusammengeführt werden, zusätzlich soll es zweckgebundene Gutscheine und einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze geben, erklärten AK-Präsident Herbert Tumpel und IV-Präsident Veit Sorger am Montag.

Österreich liege mit den Ausgaben für Familien weit über dem OECD-Schnitt, trotz der hohen Kosten sei aber das Ergebnis in Hinblick auf Geburtenrate und Frauenbeschäftigung nicht entsprechend, erläuterte Sorger die Initiative. Auch seien die Familienleistungen sehr komplex, man wolle dies vereinheitlichen und vereinfachen.

Drei Schwerpunkte der "Familienbeihilfe Neu"
Das Konzept enthält drei Schwerpunkte: Zunächst sollen Geld- und Steuerleistungen zusammengeführt werden, an ihre Stelle soll - unabhängig von der Zahl und vom Alter der Kinder - eine einzige "Familienbeihilfe Neu" treten. Dazu zählen Familienbeihilfe (inklusive Schulstartgeld), Kinderabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag und Alleinerzieherabsetzbetrag (inkl. Kinderzuschläge). Für jedes Kind gibt es demnach 210 Euro pro Monat, Eltern von behinderten Kindern bekommen zusätzlich 140 Euro und Alleinerziehende 50 Euro monatlich. Kosten würde das laut Sorger 4,8 Milliarden Euro.

Dazu würden zweckgebundene, nicht übertragbare Gutscheine in der Höhe von 35 Euro monatlich pro Kind (zwölf Mal im Jahr) bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres kommen, die gebündelt oder nach und nach eingelöst werden könnten - und zwar etwa für Kinderbetreuung, Nachmittagsbetreuung, Nachhilfe, Skikurse oder Musikausbildung. Bei etwa einer Million Anspruchsberechtigter käme man auf rund 420 Millionen Euro, so Sorger.

Regierung sollte Budget für Kinderbetreung aufstocken
Durch Umschichtungen wollen AK und IV den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen rasch decken: Ziel sei eine Schaffung von 35.000 neuen Plätzen für Unter-Dreijährige binnen vier Jahren, die Erweiterung der Öffnungszeiten von weiteren 70.000 Plätzen und eine Verbesserung der pädagogischen Qualität.

Tumpel forderte 100 Millionen Euro mehr für die Kinderbetreuung - mit den derzeit von der Regierung zur Verfügung gestellten 15 Millionen erreiche man das Barcelona-Ziel (Versorgungsgrad mit Betreuungsplätzen für Unter-Dreijährige von mindestens 33 Prozent) erst 2025, mit dem vorgelegten Vorschlag wäre dies innerhalb von vier Jahren möglich. Durch den Ausbau könnten mehr als 10.000 Arbeitsplätze in der Kinderbetreuung selbst geschaffen werden, auch gäbe es positive Effekte auf die Frauen-Berufstätigkeit.

Um Gutscheine und Kinderbetreuungsausbau zu finanzieren, sollen laut AK weitere steuerliche Leistungen abgeschafft werden: der Alleinverdienerabsetzbetrag (inkl. Kinderzuschläge), der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Mittelfristig auslaufen soll die längste Variante des Kinderbetreuungsgeldes.

Modell würde 100 Millionen Euro einsparen
Der Vorstoß sei nicht unmittelbar ein Beitrag zum Sparpaket, man habe schon länger daran gearbeitet - durch die neue Familienförderung würde laut Sorger aber ein Einsparungsvolumen von 100 Millionen Euro frei. Es entstünden keine Mehrkosten für das Budget, im Gegenteil, betonte auch Tumpel. Durch neue Arbeitsplätze und eine höhere Frauenbeschäftigung seien zusätzliche Einnahmen von 78 Millionen Euro zu erwarten.

Gefragt, ob es auch Familien gebe, die durch das Modell verlieren würden, meinte Tumpel: Insgesamt könnte es rein rechnerisch bei bestimmten Bereichen zu möglichen Verlusten kommen, betroffen wären höhere Einkommen oder Familien mit mehr Kindern. Umgekehrt gäbe es höhere Leistungen im mittleren und niedrigen Bereich - zumindest bis zum 15. Lebensjahr. Nicht vergessen dürfe man aber das zusätzliche Arbeitseinkommen, das durch bessere Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit möglich sei.

Unterschiedliche Reaktionen der Regierungsparteien
Mit der Regierung über die Ideen verhandelt habe man noch nicht, erklärte Sorger. Die ersten Reaktionen aus den Regierungsparteien könnten unterschiedlicher nicht sein.

Vertreterinnen der SPÖ haben den Vorschlag begrüßt. "Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen budgetären Situation braucht es intelligente Vorschläge wie diesen. Das sind Vorschläge für eine moderne Familienpolitik, die auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf abzielen und gleichzeitig dreistellige Millionenbeträge bringen", unterstrich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek in einer ersten Reaktion. "Die vielen, unübersichtlichen Geldleistungen zu streichen und stattdessen die 'Familienbeihilfe Neu' einzuführen, bringt für die Familien in Österreich eine enorme Erleichterung."

Familienminister Reinhold Mitterlehner steht den Vorschläge skeptisch gegenüber. Zwar sei er ebenfalls für mehr Transparenz und Vereinfachungen, aber strikt gegen eine Leistungskürzung. Nichts hält er von einer Streichung aller steuerlichen Leistungen für Familien oder dem Gutscheinmodell.

ÖVP-Familiensprecherin Ridi Steibl erklärte, die bestehenden Familienleistungen seien "vorbildlich". Die steuerliche Absetzbarkeit und das Kinderbetreuungsgeld sollten beibehalten werden. "Wir brauchen eine familienfreundliche Arbeitswelt und eine Stärkung der Wahlfreiheit." Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren wichtige Akzente gesetzt.

Ablehnung auch von BZÖ und FPÖ
"Richtig im Ansatz, aber falsch in der Reihenfolge", bewertete BZÖ-Familiensprecherin Ursula Haubner das Modell zu einer "Familienbeihilfe Neu". "Denn als ersten Schritt muss der Familienlastenausgleichsfonds auf eine nachhaltige Finanzierungsbasis gestellt werden, damit das Geld gesichert und nicht in der überbordenden Verwaltung untergeht. Auch das Steuersystem muss rasch geändert werden", forderte Haubner.

FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller lehnt die Reform der Familienbeihilfe ab. "Im Ergebnis wird - das wurde ja nicht einmal bestritten - den Familien Geld weggenommen. Das ist vor allem auch angesichts der bereits erfolgten Streichungen in jüngster Zeit unannehmbar." Sie kritisiert insbesondere die geplante Ausgabe von Gutscheinen für Betreuungsleistungen: "Es will offenbar nicht in den Kopf der rot-schwarzen Akteure, dass viele Eltern ihre Kinder selbst betreuen wollen, insbesondere bis zum Kinderarteneintrittsalter", so Kitzmüller.

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