Herkules-Aufgabe

Porsche-Chef Müller übernimmt das Steuer bei VW

Wirtschaft
25.09.2015 19:53
Porsche-Chef Matthias Müller ist der neue Chef von Europas größtem Autohersteller Volkswagen. Was in Medienberichten bereits vorweggenommen worden war, hat am Freitagabend der Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns bekannt gegeben. Müller folgt Martin Winterkorn nach, der wegen der Diesel-Affäre seinen Posten als Vorstandsvorsitzender am Mittwoch geräumt hat.

Müller will die Affäre um manipulierte Abgasmessungen von Dieselmotoren als zentrales Problem seiner Amtszeit sofort angehen. "Meine vordringlichste Aufgabe wird es sein, Vertrauen für den Volkswagen-Konzern zurückzugewinnen - durch schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz", sagte er am Freitag laut Mitteilung nach einer Sitzung des VW-Aufsichtsrats in Wolfsburg. Dazu gehöre es auch, "die richtigen Lehren aus der aktuellen Situation" zu ziehen, so der 62-Jährige.

Porsche-Chef erwartet Herkules-Aufgabe
Müller erwartet eine Herkules-Aufgabe - er muss den Konzern mit seinen 600.000 Mitarbeitern aus der schweren Vertrauenskrise führen, in die er durch die manipulierten Emissionswerte von Dieselmotoren geraten ist. Darüber hinaus gehören die Schwäche des VW-Absatzes in den USA, die Lage in China und die bisher stark zentralistische Struktur des Konzerns zu den größten Baustellen.

Betriebsratschef Bernd Osterloh fordert einen "grundlegenden Kulturwandel" in der Zwölf-Marken-Gruppe und stellte fest: "Matthias Müller kennen und schätzen wir für seine Entschlossenheit und Durchsetzungskraft. Er ist kein Einzelkämpfer, sondern Teamplayer. Das braucht Volkswagen jetzt." Der mächtige Arbeitnehmervertreter spielt damit auf ein Thema an, das VW schon länger beschäftigt: Es herrscht ein straffer Führungsstil, manche Manager sprechen gar von einem Klima der Angst. Schon früher gab es Berichte über Techniker, die weinend aus Produktabnahme-Gesprächen kamen.

Skandal weitet sich auch in Europa weiter aus
Nach Angaben von Volkswagen sind weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge von dem Abgas-Skandal betroffen. Allein in Deutschland sind es mindestens 2,8 Millionen Fahrzeuge, wie der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt erklärte. Im VW-Konzern wirkt sich der Abgas-Skandal inzwischen auch auf Töchter wie Audi, Skoda und Seat aus. Eine vollständige Liste der betroffenen Modelle gibt es noch nicht. Andere Hersteller wie BMW, Daimler oder Opel betonten, sich strikt an Abgasregeln zu halten.

Die Schweiz will als Sofortmaßnahme den Verkauf der betroffenen VW-Konzernfahrzeuge verbieten. Zudem wird eine spezielle Arbeitsgruppe eingesetzt.

Müller VW-Chef im zweiten Anlauf
Schon als Winterkorn sich im Frühjahr einen Machtkampf mit dem Konzernpatriarchen und damaligen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch lieferte, war Müller als Nachfolger im Gespräch. Damals setzte Winterkorn sich noch durch. Doch im Abgas-Skandal war der Druck am Ende zu groß, Winterkorn musste zurücktreten.

Die Karrieren der beiden Automanager sind eng miteinander verbunden: Als Winterkorn 2007 VW-Chef wurde, ging auch Müller nach Wolfsburg. Er übernahm die Leitung des Produktmanagements und wurde Generalbevollmächtigter des Konzerns. Zuvor hatten die beiden schon bei Audi zusammengearbeitet: Winterkorn war seit 2002 Vorstandsvorsitzender der VW-Tochter, auch Müller machte bei dem Ingolstädter Autobauer Karriere.

Werdegang begann bei Audi
Der am 9. Juni 1953 in Chemnitz geborene Müller, der als Kind mit seinen Eltern aus der damaligen DDR in den Westen floh, begann 1978 seine berufliche Laufbahn bei Audi. Nach seinem Abitur in Ingolstadt hatte er in seiner Heimatstadt zunächst eine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei dem Autohersteller gemacht, bevor er zum Informatik-Studium nach München ging. Bei Audi stieg er schließlich bis zum Leiter des Produktmanagements auf.

Eine heikle Aufgabe übernahm Müller im Jahr 2010, als er an die Spitze von Porsche rückte. Die Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen, aus der der Wolfsburger Konzern als Sieger hervorging, lag damals noch nicht lange zurück. Im März dieses Jahres konnte Müller für das Geschäftsjahr 2014 Rekorde des Sportwagenherstellers bei Auslieferungen, Umsatz und Ergebnis verkünden. "Porsche hat sich sehr erfolgreich entwickelt und ist heute besser aufgestellt denn je", freute sich der Vorstandschef bei der Präsentation der Zahlen.

Seit März ist Müller auch Vorstandsmitglied beim Porsche-Mutterkonzern Volkswagen. Zu den Unterschieden zwischen dem Stuttgarter Sportwagenhersteller und dem Wolfsburger Großkonzern sagte er vor Kurzem in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung": "Wir sind ein beinahe familiäres Unternehmen mit 20.000 Mitarbeitern, in Wolfsburg muss man weltweit 600.000 Leute führen." Führungsstil habe schon etwas mit Größe zu tun, "und was hier bei uns in Stuttgart funktioniert, muss nicht unbedingt auch in Wolfsburg funktionieren".

"Mag es nicht, wenn die Dinge zerredet werden"
Sich selbst beschrieb Müller als "umgänglichen Teamplayer", der versuche, seine Entscheidungen "einigermaßen kollegial und harmonisch durchzusetzen". Er könne aber auch "ziemlich konsequent" sein: "Ich mag es nicht, wenn die Dinge zerredet werden", sagte Müller über sich selbst.

Der Manager mit dem schlohweißen Haar und der unverkennbar bayrischen Sprachfarbe mischte sich auch in die Debatte um den Umgang mit den Zehntausenden Flüchtlingen ein, die derzeit nach Deutschland kommen. "Wir müssen uns Extremismus entgegenstellen und Haltung zeigen", sagte Müller der "SZ". "Bei Porsche arbeiten Menschen aus 56 verschiedenen Ländern - damit ist doch wohl alles gesagt." Es sei an der Zeit, "dass Wirtschaftslenker zu bestimmten Dingen ihre Meinung sagen".

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele