30 Todesopfer

Hochaus-Inferno: “Leute tot, weil gespart wurde!”

Ausland
16.06.2017 17:02

Nach dem verheerenden Hochhausbrand in London ist die Zahl der Toten am Freitag auf mindestens 30 gestiegen. Auch das erste Opfer wurde in der Zwischenzeit identifiziert - es handelt sich um einen syrischen Flüchtling namens Mohammed Alhajali. Mehr als 70 Menschen werden vermisst, wie britische Medien berichteten. "Leider wird die Zahl noch steigen", fügte Polizeisprecher Stuart Cundy hinzu. Indessen kommen immer mehr erboste Briten zu der Überzeugung, dass die Menschen im Grenfell Tower sterben mussten, weil bei der Sanierung gespart wurde.

Zwei Tage nach dem verheerenden Brand, der von einem defekten Kühlschrank verursacht worden sein soll, waren am Freitag alle Brandnester im Grenfell Tower gelöscht, wie Polizeisprecher Cundy erklärte. Die Feuerwehr suchte mit Drohnen und Suchhunden nach Menschen in dem total zerstörten Hochhaus. Einige der oberen Etagen waren wegen Einsturzgefahr noch immer unzugänglich.

Einige der Vermissten könnten unter den bereits geborgenen Toten sein, hieß es am Freitag weiter. Die Polizei warnte, dass manche Leichen möglicherweise nie identifiziert werden könnten. Laut Cundy wurden 24 Überlebende in Krankenhäusern behandelt, zwölf von ihnen schwebten in Lebensgefahr. Hinweise auf eine mögliche Brandstiftung gebe es bisher indessen nicht, wie der Polizeisprecher ergänzte.

Wut mischt sich in die Trauer
In die Trauer über die Todesopfer mischt sich mitterweile auch Wut. Vielfach wird die Frage aufgeworfen, ob die Katastrophe hätte verhindert werden können. Politiker, die rund um den Ort der Katastrophe versuchten, mit den Betroffenen einen Dialog zu führen, mussten sich dementsprechend heftige Vorwürfe gefallen lassen. So wurde etwa Andrea Leadsom, Umweltministerin im Kabinett von Premierministerin Theresa May, von wütenden Anrainern am Freitag regelrecht angeschrien, hieß es in einem Bericht der "Daily Mail". "Weil Geld gespart wurde, mussten Leute sterben", so der brisante Vorwurf, den Bürger der Tory-Politikerin entgegenschleuderten.

Dutzende wütende Demonstranten stürmten am Freitag zudem das Bezirksrathaus der von der Brandkatastrophe betroffenen Stadtteile Kensington und Chelsea. "Wir wollen Gerechtigkeit", "schämt Euch!", "Mörder!", riefen die Demonstranten, als sie das Rathaus stürmten, wie Reporter berichteten. Im Eingangsbereich des Gebäudes gab es Zusammenstöße mit Sicherheitskräften.

Premierministerin Theresa May hatte zuvor eine "umfassende Untersuchung" der Katastrophe angekündigt. Der Minister für Gemeinden und Kommunalverwaltung, Sajid Javid, sagte dem Rundfunksender BBC: "Etwas ist hier falsch gelaufen, etwas ist drastisch falsch gelaufen." Ähnliche Gebäude würden nun auf vergleichbare Gefahren hin untersucht, vor allem hinsichtlich der Außenverkleidung.

Feuerfeste Fassade hätte nur 6000 Euro mehr gekostet
Unterdessen wurden in den Medien immer mehr Details zu der Fassadenverkleidung bekannt, die in ihrer nicht feuerresistenten Form für Gebäude von mehr als zwölf Metern Höhe in den USA demnach verboten ist. Es handelt sich um Aluminium-Panele namens Reynobond der US-Firma Arconic. Mit Kunststofffüllung koste sie 24 Pfund (27 Euro) und sei damit nur zwei Pfund billiger als die feuerfeste Variante, berichtete die "Times".

Laut einer Rechnung der "Daily Mail" hätte die feuerfeste Variante mit lediglich rund 6000 Euro Mehrkosten zu Buche geschlagen - eine lächerlich geringe Summe für eine Maßnahme, die Leben hätte retten können, sind nun viele Bürger empört.

Angebracht wurden die Fassadenteile von der Firma Harley Facades, die in einer Erklärung mitteilte, dass sie keine Verbindung zwischen dem Brand und der Außenverkleidung sehe. Auch die für die Renovierung zuständige Firma Rydon versicherte, bei der Sanierung seien alle Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften eingehalten worden.

Fassaden-Panele wirkten laut Experten wie "Windkanal"
Der "Daily Telegraph" zitierte einen Brandschutzexperten, wonach die Panele wie ein "Windkanal" gewirkt hätten. Die Fassade mit ihren Hohlräumen habe "wie ihr eigener Kaminzug gewirkt", sagte Arnold Turling. Wie die Zeitung weiter berichtete, hatte das Gebäude zudem keine zentrale Sprinkler-Anlage und keine Feuerschutztüren.

Das Feuer im Grenfell Tower im Westen Londons war in der Nacht auf Mittwoch ausgebrochen und hatte sich über die Fassade rasend schnell ausgebreitet. Die Behörden vermuten, dass sich rund 600 Menschen zu dem Zeitpunkt in dem Hochhaus aufhielten. Viele von ihnen wurden im Schlaf überrascht.

Die Ursache für den Brand ist weiter unklar, doch verstärken sich Vermutungen, sie könne mit der jüngsten Renovierung des 24-stöckigen Gebäudes zusammenhängen. Das Hochhaus aus den 1970er-Jahren wurde bis zum vergangenen Jahr für umgerechnet 9,9 Millionen Euro aufwendig renoviert. Vor allem die Fassade wurde saniert und gedämmt.

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