Die Nacht gehört dem Leoparden. Auch auf 3500 Meter Höhe, im Phobjikha-Tal, jenem Vorposten des Himalaja, wo es selbst im Sommer gefriert ... Ein "Krone"-Lokalaugenschein im Bhutan.
Wie aus dem Nichts tauchen die neongrünen Augen der Raubkatze auf, erinnert sich Forrest Hartmann an jenen Abend, als er sich gegen 21 Uhr den Weg von der Forschungsstation durch die Dunkelheit in Richtung Unterkunft bahnte. "Diesen Blick", sagt der 24-jährige Wildtierbiologe, "sieht man nur einmal." Und auch sonst wird der Texaner den Aufenthalt in seinem Gastland wohl nie vergessen.
Glück ist in der Verfassung verankert, Bergsteigen verboten
Willkommen in Bhutan! Willkommen in einem der ungewöhnlichsten Länder der Welt. In welchem anderen Staat ist das Bruttonationalglück in der Verfassung verankert? Das zwischen China und Indien eingepferchte Königreich, von den Einwohnern Druk Yul (Reich des Donnerdrachens) genannt, schottet sich bewusst ab. Touristen müssen pro Tag eine 250-Euro-Gebühr begleichen. Der Schutz der Natur steht an erster Stelle. Kunstdünger ist ebenso verboten wie extreme Bergtouren. Die bis zu 7500 Meter hohen Gipfel sollen den Göttern vorbehalten bleiben. Alle Häuser sind - gesetzlich verordnet - im traditionell-tibetanischen Stil erbaut. Männer tragen spezielle Gho-Roben.
Kampf gegen die Armut im Tal der Österreicher
Doch was beim ersten Eindruck fast romantisch wirken mag, hat Schattenseiten. Bhutan ist einer der ärmsten Staaten der Welt. Deshalb engagiert sich unser Land hier auch. "Auf einer Augenhöhe", betont ADA-Programmdirektor Robert Zeiner. Und tatsächlich lässt sich im kleinen Land (750.000 Einwohner) der rot-weiß-rote Einfluss gut beobachten. Weil wir zum Beispiel unsere Stärken in Bio-Landwirtschaft und im sanften Tourismus vermitteln können. So hat die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit eine Tourismusschule in der Hauptstadt Thimphu unterstützt. Die Anstalt arbeitet mit der Fachschule Klessheim zusammen. Ein Ausbildungshotel ist fast fertig.
Unser Land als Vorbild für Ökologie und sanften Tourismus
Das eingangs erwähnte Phobjikha-Tal gilt sogar als "Little Austria". In der Naturschutzstation für die seltenen Schwarzkopfkraniche, für die auch Forrest arbeitet - er hat die Leoparden-Begegnung unbeschadet überstanden, schließlich sind die Tiere extrem scheu -, ist man Österreich dankbar. Hochspannungsleitungen hätten durchs Tal gezogen werden sollen: das sichere Aus für die Vogelkolonie! Schließlich konnten die Kabel unterirdisch verlegt werden. Jetzt setzt das Zentrum auf Öko-Fremdenverkehr. Auch das Projekt Urlaub auf dem Bauernhof scheint zu funktionieren.
Vor dem buddhistischen Kloster am anderen Ende des Tales flackern indes bunte Fähnchen. Gebetsmühlen klappern. Ein Bub, vielleicht sechs Jahre, sitzt in Mönchsrobe auf der Wiese und schaut den anderen Kindern beim Fußball zu. Mitspielen darf er nicht. Verstört blickt er in die Ferne. Alles, was er besitzt, trägt er am Körper. "Arme Familien", erzählt der hiesige Lama, "geben ihre Söhne oft bei uns ab." Das viel beschworene Glück: Im Land des Donnerdrachens ist es leider nicht allen hold …
Gregor Brandl, Kronen Zeitung
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