Wie es nun weitergeht

EU-Kommission kippt das Aus für Verbrenner-Autos

Außenpolitik
16.12.2025 17:42

Nun ist es offiziell! Die EU-Kommission hat das Aus für Verbrenner-Autos ab 2035 zurückgenommen. Während die Autoindustrie erleichtert ist, sind Klimaschutzorganisationen und die Grünen entsetzt.

Die EU-Kommission passte am Dienstag ihre Emissionsrichtlinien für die Autobranche an. Die CO2-Flottenemissionen müssen nach den neuen Regelungen ab 2035 nur noch um 90 Prozent sinken statt um 100 Prozent. Damit können auch danach noch neue Hybrid- oder Benzinautos oder Elektrofahrzeuge mit Benzingenerator an Bord, sogenannte Range Extender, zugelassen werden. Im Gegenzug müssen die Autobauer diese Emissionen durch den Einsatz von grünem Stahl aus der EU oder durch die Nutzung von CO2-neutralen Kraftstoffen wettmachen. Dazu zählen sogenannte E-Fuels.

Die weitreichendste Kehrtwende in der Klimapolitik
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuletzt in einem Brief zum Einlenken aufgefordert und davon gesprochen, dass auch „hocheffiziente Verbrenner“ in Zukunft weiter erlaubt bleiben sollen, ohne zu sagen, was damit gemeint ist. Sollten die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament dem Vorschlag der EU-Kommission zustimmen, wäre es die weitreichendste Kehrtwende in der Klimapolitik in den vergangenen fünf Jahren.

Der Druck seitens der Autobranche auf EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen war ziemlich ...
Der Druck seitens der Autobranche auf EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen war ziemlich groß. Schlussendlich gab die Deutsche nach.(Bild: AP/Geert Vanden Wijngaert)

Zugleich sollen allerdings Elektroautos weiter gefördert werden. Dazu schlägt die EU-Kommission einerseits vor, eine neue Kategorie kleiner E-Autos aus Europa bei der Berechnung der Flottengrenzwerte besonders zu begünstigen. Andererseits sollen Unternehmen und Mietwagenfirmen Vorgaben zum Einsatz von Elektroautos erhalten. Schließlich soll der Aufbau von Batteriefabriken und der dazugehörigen Rohstoffkette in Europa gefördert werden.

Künftige Regeln für den CO₂-Ausstoß

  • Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen die CO₂-Flottenemissionen der Autobauer ab 2035 um 90 Prozent sinken, statt völlig zu entfallen.
  • Waren nach den ursprünglichen Regeln nur noch Elektroautos und Wasserstoffantriebe erlaubt, so dürfen nun auch nach 2035 noch Autos mit Verbrennerantrieb verkauft werden.
  • Die CO₂-Zwischenziele für 2030 bleiben unverändert, aber Autobauer erhalten bis 2034 Supercredits für kleine, günstige Elektroautos aus EU-Produktion (bis 4,2 m Länge). Zusätzlich gibt es erneut Übergangsfristen für die Einhaltung schärferer Vorgaben – das verschafft den Herstellern mehr Flexibilität.
  • Die CO₂-Reduktionsziele für leichte Nutzfahrzeuge werden abgeschwächt (−40% statt −50% ab 2030). Auch bei schweren Nutzfahrzeugen sollen die Ziele angepasst werden, Details folgen noch.
  • Mit einem „Battery Booster“ von 1,8 Mrd. Euro will die EU Batterieproduktion, Zellfertigung, Forschung und Rohstoffketten in Europa ausbauen. Ziel ist es, europäische Elektroautos wettbewerbsfähiger zu machen und die Abhängigkeit von Importen zu senken.

Grüne: „China Schlüssel für Europas Zukunft übergeben“
Entsetzt zeigte sich die grüne EU-Abgeordnete Lena Schilling: „Dieser Vorschlag der Kommission ist nicht nur ökologischer Unsinn, sondern ein Angriff auf die europäische Industrie. Die Konservativen streuen der Öffentlichkeit Sand in die Augen und führen einen Kulturkampf, bei dem europäische Arbeitsplätze und die Gesundheit der Menschen unter die Räder kommen. Während China an uns vorbeizieht, bremst Europa sich selbst aus. Wer heute weiter auf den Verbrenner setzt, übergibt der chinesischen Autoindustrie die Schlüssel für Europas Zukunft.“

SPÖ warnt vor „Vollgas Richtung Klimacrash“
Kritisch gab sich auch der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder. Er sprach von einem „grundlegend falschen Schritt“ der Kommission die „mit rechten und konservativen Kräften auf dem Beifahrersitz mit Vollgas in Richtung Klimacrash“ rase. „Diese Geisterfahrt muss enden.“

FPÖ befürchtet „Mogelpackung“
Eine „Mogelpackung“ der Europäischen Volkspartei (EVP) ortete der freiheitliche Europaparlamentarier Roman Haider. Insgesamt versuche die Kommission „weiterhin mit aller Macht, den Bau klassischer Verbrennungsmotoren und leistbaren konventionellen Fahrzeugen unmöglich zu machen“.

ÖVP betont „Technologieoffenheit“
Sophia Kircher, Verkehrssprecherin der ÖVP im Europaparlament, sah in der Lockerung hingegen ein „Reparieren“ eines ursprünglich falschen Vorhabens: „Technologieoffenheit ist angesichts der Lage unserer Automobilindustrie der richtige Weg.“

Die Autoindustrie darf auch nach 2035 mit Benzin oder Diesel betriebene Autos herstellen.
Die Autoindustrie darf auch nach 2035 mit Benzin oder Diesel betriebene Autos herstellen.(Bild: APA/AP)

Greenpeace: „Eine von vielen katastrophalen Entscheidungen“
Als „schweren Rückschlag für den europäischen Klimaschutz und eine gefährliche industriepolitische Fehlentscheidung“ betrachten Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace die Entscheidung Brüssels. Den CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2035 nur um 90 statt wie bislang geplant um 100 Prozent zu senken, klinge nach einem kleinen Unterschied, „wäre aber fatal“. Greenpeace fordert nun, dass „Umweltminister Norbert Totschnig dem Entwurf der Kommission im EU-Umweltministerrat eine Absage erteilt“, hieß es in einer Aussendung am Dienstagabend.

Greenpeace-Klimaschutzexpertin Jasmin Duregger erinnerte: „Die Verwässerung des Verbrenner-Aus ist derzeit nur eine von vielen katastrophalen Entscheidungen, bei denen die EU-Kommission Klima- und Naturschutz demontiert. In den letzten Monaten wurden zahlreiche Rückschritte bei wichtigen klima- und umweltpolitischen Agenden gemacht. So hat die EU-Kommission sowohl das Lieferkettengesetz als auch die Entwaldungsverordnung ausgehöhlt.”

Verkehrsclub Österreich kritisiert „Zickzack-Kurs“
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ), der sich für eine umweltfreundliche Mobilität einsetzt, warnte, dass der „Zickzack-Kurs der EU-Kommission“ Unsicherheit verursache. „Die Kehrtwende der EU-Kommission ist umso unverständlicher, als schon jetzt einige Staaten zeigen, dass 100 Prozent abgasfreie Neuwagen deutlich vor dem Jahr 2035 erreicht werden können.“ So habe Dänemark bereits heuer einen Elektroauto-Anteil bei Neuwagen von 67 Prozent, Norwegen sogar von 95 Prozent, hielt VCÖ-Experte Michael Schwendinger fest. Weder E-Fuels und Biokraftstoffe noch Plug-in-Hybride seien eine Lösung für den Kfz-Bereich.

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