Täter war in Haft

So versagten die deutschen Behörden im Fall Berlin

Ausland
21.12.2016 22:41

Am Mittwoch ist rund um das Blutbad auf dem Berliner Adventmarkt erneut ein Tatverdächtiger präsentiert worden. Mittlerweile wird nach einem 24-Jährigen, der offenbar unter bis zu zehn Identitäten - unter anderem als Anis A. - bekannt ist, deutschlandweit gefahndet. Brisant: Von März bis September war der Mann sogar observiert worden und im August wegen gefälschter Ausweispapiere bereits einmal verhaftet gewesen, dann aber wieder freigelassen worden. Und das, obwohl er sogar abgeschoben werde hätte sollen! Nun herrscht Verwunderung, wie der Mann aus dem Blickfeld der Polizei entwischen konnte.

Der Tunesier soll 2011 als Flüchtling nach Italien gekommen und in einem Auffanglager für Minderjährige auf Sizilien untergebracht worden sein. Dort habe er Sachbeschädigungen und "diverse Straftaten" begangen, berichtet die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Mittwochabend unter Berufung auf Ermittlerkreise. Laut Angaben der Zeitung "La Stampa" soll er das Auffanglager angezündet haben. Als Volljähriger wurde er den Informationen zufolge festgenommen und kam vor Gericht. Er wurde zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt und nach Verbüßung der Strafe des Landes verwiesen worden.

Im Juli 2015 kam Anis A. über Freiburg schließlich nach Deutschland. Laut Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hatte er im April heurigen Jahres Asyl in Deutschland beantragt, im Juni sei sein Antrag aber abgelehnt worden. Dies wurde am Mittwoch auch offiziell bestätigt.

Im August festgenommen, aber wieder freigelassen
Im August - also bereits nach Ablehnung des Asylantrags - wurde der Tunesier laut "SZ" in Friedrichshafen mit einem gefälschten italienischen Ausweisdokument festgenommen, wenig später aber wieder freigelassen. Eine Abschiebung sei damals nicht möglich gewesen, so Ralf Jäger, der Innenminister Nordrhein-Westfalens, am Mittwochnachmittag. Zum einen sei dies daran gelegen, dass der Mann keine gültigen Ausweispapiere bei sich hatte, andererseits habe aber auch Tunesien bestritten, dass es sich bei Anis A. tatsächlich um einen Landsmann handle. Mittlerweile habe das Land die für die Abschiebung nötigen Papier jedoch an die deutschen Behörden übersandt - "zufälligerweise heute".

Wurde von März bis September observiert
Laut Angaben der Generalstaatsanwaltschaft waren gegen den Tunesier März Ermittlungen eingeleitet worden. Dabei sei es um Informationen gegangen, wonach der 24-Jährige einen Einbruch plane, um sich dabei Mittel für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen - "möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen", hieß es.

Der mutmaßlich Attentäter sei daraufhin observiert worden, auch seine Kommunikation sei überwacht worden. Allerdings hätten die "umfangreichen Überwachungsmaßnahmen" keine Hinweise zu den Vorwürfen erbracht. Deshalb habe "keine Grundlage für eine weitere Verlängerung der Anordnungen zur Überwachungsmaßnahmen mehr" bestanden, diese seien im September beendet worden, hieß es in einer Erklärung der Berliner Justiz weiter.

Im November erneut im Visier der Ermittler
Erneut ins Visier kam Anis A. den Ermittlern offenbar spätestens im November. Der Tunesier sei damals Gegenstand einer Sitzung des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums von Bund und Ländern gewesen, hieß es am Mittwoch aus Sicherheitskreisen in Berlin. Der Mann gelte als Gefährder, also jemand, dem Polizeibehörden Terrorakte zutrauen. Zudem sei er als "hoch mobil" eingestuft gewesen.

In großes Islamisten-Netzwerk eingebettet
Der Tunesier sei in ein großes Islamisten-Netzwerk eingebettet. So sei etwa im November der 32-jährige gebürtige Iraker Abu Walaa, zu dessen Gruppe der Verdächtige gute Kontakte unterhalten haben soll, gemeinsam mit vier weiteren Männern verhaftet worden. Die Männer sollen ein salafistisch-dschihadistisches Netzwerk betrieben haben, das Rekruten zum IS vermittelte. Abu Walaa galt seit Jahren als Chefideologe der deutschen Islamisten.

Womit der Fall auch politisch immer brisanter wird. Ein Ermittler, der am Mittwoch mit Medien sprach, sagte, ihm sei unklar, warum Anis A. aus dem Blickfeld der Polizei entkommen konnte.

krone.tv fragte Besucher am Wiener Christkindlmarkt: Angst vor Terror?

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