Neues Album

Primal Scream und die Wut auf den Neo-Liberalismus

Musik
15.03.2016 10:48

Kreative Freiheit und eine linkspolitische Ausrichtung charakterisieren seit 1982 die schottische Indie-Rockband Primal Scream. Auch das neue Album "Chaosmosis" überrascht musikalisch und greift aktuelle Themen auf. "Ich würde sagen, das Hauptthema der Texte ist depressiver Realismus. Die Musik dagegen ist exstatisch", sagte Bandleader Bobby Gillespie in einem Interview.

(Bild: kmm)

Speziell mit den Songs "100% Or Nothing", zu dem die Geschwister Haim einen Frauenchor im Refrain beisteuerten, und "Where The Lights Get In", einem Duett mit Sängerin Sky Ferreira, haben Primal Scream wunderbare Hymnen für die Tanzfläche auf der Scheibe, wie sie im Interview mit der APA erklärten. "Das Vorgängeralbum war üppig, viele Songs gingen über sieben Minuten. Diesmal wollten wir generell etwas Prägnanteres", betonte Gillespie.

Weniger ist mehr
Zehn knackige Songs und viel Abwechslung (die Schotten reihen etwa an den Powertrack "100% Or Nothing" das versponnene Folkstück "Private Wars") - so lässt sich "Chaosmosis" zusammenfassen. "Wir sind ja mit 40-Minuten-Platten aufgewachsen", nickte Gillespie. "Dann kam die CD, die Alben wurden länger, der Markt mit zu viel Musik übersättigt. Manche der Platten, die wir seit dem Teenageralter lieben, sind nur 30 Minuten lang. 30 aufregende Minuten ohne Füller."

Bei den Gästen ging es nicht darum, möglichst viele Stars der Namen Willen zusammenzutrommeln, bekräftigte Gillespie. "Das ist wie bei einem Film: Man sucht sich den richtigen Schauspieler für eine Rolle aus. Und wenn wir einen kraftvollen Frauenchor brauchen, dann wenden wir uns eben an Haim, mit denen wir bereits aufgetreten sind."

Kapitalismuskritik
Gillespie sieht sich als Künstler berufen, "zu reflektieren, was auf der Welt vor sich geht". Der Musiker sprach sich im Interview "für ein gemeinsames Europa" aus, fügte aber hinzu: "Klar, es muss sich etwas ändern. Die Neo-Liberalen haben die Macht übernommen. Aber die ursprüngliche Idee der EU war: keine Kriege mehr, keine Grenzen mehr. Großartig! Leider hat der Kapitalismus die Kontrolle übernommen. Man muss nur nach Griechenland schauen: Das Volk hat links gewählt und wurde von der Europäischen Zentralbank dafür bestraft. Die haben ein Exempel statuiert. Demokratie existiert in Europa nicht, nur als Illusion."

Dass er sich mit solchen Aussagen nicht nur Freunde macht, weiß Gillespie. "Man stellt mich als Kokain-Revoluzzer hin. Man sagt: 'Der hat so viel Geld mit Musik verdient, jetzt reißt er das Maul auf.' Die Leute verstehen nicht, dass jemand, der vom kapitalistischen System profitiert, das kapitalistische System kritisiert. Wenn jemand wie ich seine Position nutzt, um auf etwas aufmerksam zu machen, machen sie sich lustig. Aber sie werden mich nicht stoppen!"

Staatsfeind Nr. 1
Mit "sie" meint Gillespie auch Journalisten: "Selbst die Mitarbeiter der sogenannten liberalen Presse in Großbritannien sind in die selben Schulen gegangen wie die Politiker und Konzernmanager, sie kommen aus der gleichen Eliteklasse. England ist rechts, die Mehrheit des Landes konservativ, sehr nationalistisch. Die Zeitungen wissen genau, wie sie die Leute bedienen, sie manipulieren können."

Dass es so wenig echten Widerstand gegen Missstände gibt, stört Gillespie. "In den Sechzigern und Siebzigern gab es solidarische Massenbewegungen, so was existiert nicht mehr", sagte er. "Solidarität bedeutet heute, etwas im Internet zu liken." Und was Postings betrifft: "Die Leute sind auf die Regierung so angefressen, dass sie ihren Zorn auf andere Dinge übertragen. Man findet auf YouTube in den Kommentaren zu einem Musikvideo zum Beispiel Hasstiraden auf die Jacke, die der Bassist trägt. Verrückt! Das ist unfokussierter Zorn."

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