Interview Teil 2

Tomac: “Sind hier nicht im Heiligen Land”

Tirol
30.12.2015 09:15

Die Flüchtlingskrise war 2015 in Tirol das beherrschende Thema. Aber auch abseits davon gab es für die Exekutive viel zu tun. Landespolizeichef Helmut Tomac lässt das Jahr Revue passieren.

Das Jahr 2015 wurde gleich am Anfang von verheerenden Terrorattentaten in Paris (Charlie Hebdo) überschattet. Die Auswirkungen waren auch in Tirol sicht- und spürbar. Ihre Sicht der Dinge?
Mit 10. Jänner hat die Tiroler Polizei als Erstmaßnahme ihre Präsenz hochgefahren. Schließlich wurden über 11.000 Einsatzstunden dafür aufgewendet. Erhöhte Vorsicht war geboten, weil ja unter anderem auch die Hahnenkammrennen in Kitzbühel in diese Zeit hineingefallen sind. Besonderes Augenmerk wurde auch auf öffentliche Plätze wie Bahnhöfe, Einkaufszentren oder auf den Innenstadtbereich geworfen. Ende Jänner wurde die massive Polizeipräsenz wieder reduziert - wir sind dann Schritt für Schritt in den Normalbetrieb übergegangen

Immer wieder hört man, dass sich auch in Tirol Personen herumtreiben, die - in welcher Form auch immer - mit dem Dschihad in Verbindung gebracht werden. Gibt es konkrete Zahlen?
Die Polizei nennt in diesem Zusammenhang keine konkreten Bundesländer-Zahlen. Fakt ist: Wir leben hier in Tirol nicht im Heiligen Land. Es gibt Vorkommnisse - etwa Personen, die zu Leuten, die in den Dschihad ziehen wollen, Kontakte haben. Dann gibt es wieder welche, die eine einschlägige Kommunikation pflegen. Es gibt aber auch Personen, die tatsächlich in die Krisenregionen reisen. Außerdem hatten wir einen Fall, in dem eine Person, die aus Tirol in den Dschihad gezogen ist, offensichtlich ums Leben gekommen ist.
Rückkehrer gibt es in Tirol auch - diese stehen unter ständiger Beobachtung des Verfassungsschutzes. Aber auch der Anteil jener, die nicht mehr aus den Krisengebieten heimgekehrt sind, ist relativ hoch.

"Strafbarkeit für Freier ist unabdingbar!"

Themenwechsel. Erst Mitte Dezember sprengte die Polizei in Innsbruck einen brutalen ungarischen Zuhälter-Ring. Wie stehen aktuell die Zeichen im Kampf gegen die illegale Prostitution in der Landeshauptstadt?
Der Kampf gegen die illegale Rotlicht-Szene und den Menschenhandel ist durch die Polizei alleine nicht zu gewinnen. Wir können den illegalen Straßenstrich nur eindämmen, und das gelingt uns mit solchen Ermittlungserfolgen. Letztlich braucht es aber ein Gesamtpaket. Ich habe es ja schon vor zwei Jahren gesagt, hinsichtlich illegaler Prostitution ist eine Strafbarkeit von Freiern unabdingbar. Dazu gibt es von der Politik einen Vorstoß - wo dieser derzeit hängt, weiß ich nicht.
Zudem gilt es, rechtlich restriktiver zu werden. Im Bereich der Prostitution gilt nach wie vor das Phänomen des Dauerdeliktes. Das bedeutet, dass bei Anzeigenerstattung gegen eine Prostituierte diese weiter ihrer Tätigkeit ungestraft nachgehen kann, solange das Erstverfahren nicht abgeschlossen ist. Im Kampf gegen die illegale Prostitution ist dies natürlich ein unerträglicher Zustand. Man stelle sich vor: Ein Polizist zeigt eine Dame an, sie macht weiter und schaut zu, wie Streifenwagen an ihr vorbeifahren.

Bleiben wir in der Landeshauptstadt: Stichwort: Nordafrikaner-Szene...
Die Nordafrikaner-Thematik steht und fällt mit dem Problem der Nichtabschiebbarkeit. Das heißt: Eine Abschiebung der illegal Aufhältigen ist nur dann möglich, wenn ihr Heimatland sich im Vorfeld bereit erklärt, sie zu übernehmen. Solange eine Außerlandesbringung nicht möglich ist, werden wir das Grundproblem der Marokkaner-Szene nicht bewältigen können. Wir haben heuer mit gezielten Maßnahmen, etwa mit mehr Präsenz am Hauptbahnhof, zumindest einer steigenden Tendenz entgegengewirkt. Die Dimension der Szene bewegt sich zwischen 60 und 80 marokkanischen Staatsbürgern.

Polizeiposten Bahnhof: Noch Details zu klären

Apropos Hauptbahnhof: Wie steht es aktuell um die geplante Polizeiinspektion?
Ziel war und ist, Ende 2016 diese Inspektion in Betrieb zu nehmen. Die zusätzlichen 12 Planstellen sind bereits sicher. Gesamt werden dort 48 Beamte ihren Dienst versehen. Bis mit dem Bau begonnen werden kann, gilt es nun noch diverse Kostendetails zu klären - die Freigabe durch das Finanzministerium.

Mit dem G7-Gipfel in Bayern und der Bilderberg-Konferenz in Telfs stand die heimische Polizei auch bei zwei weltpolitischen Ereignissen im Großeinsatz...
In den Planungen der polizeilichen Arbeit 2015 war das Zusammentreffen von G7 und Bilderberg das Highlight schlechthin - zwei Konferenzen von weltweiter Bedeutung. Die Terrorattentate in Paris und Kopenhagen haben die Planungen hinsichtlich Gefahrenstufe noch einmal brisanter gemacht. Im Endeffekt ist dann alles friedlich abgelaufen. Das war alles andere als selbstverständlich, wenn man sich die Bilder von anderen Veranstaltungsorten in Erinnerung ruft. Letztlich haben wir keine Bilder von Chaos und Übergriffen in die Welt hinaus geliefert, sondern jene des Friedens und Zusammenarbeitens. Während den beiden Veranstaltungen waren bis zu 1900 österreichische Beamte im Einsatz - es gab in dieser Zeit nur eine einzige Festnahme.

Zum Abschluss: Abgesehen von G7 und Bilderberg, welche Ereignisse aus 2015 sind Ihnen aus polizeilicher Sicht sonst noch besonders in Erinnerung geblieben?
Da gibt es etwa eine ganze Reihe von geklärten Straftaten. Ein paar Stichworte: Schrebergarten-Mord in Arzl, Banküberfall Völs vom Jahr 2008, Millionen-Coup Geldtransporter bzw. Geldlogistikfirma, Sicherstellung Falschgeld in Höhe von 100.000 Euro, Brände Pillerseetal, Diebstahl eines wertvollen archäologischen Kunstgegenstandes,

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