Nach Schulden-Deal

Griechische Wirtschaft befürchtet Pleitewelle

Wirtschaft
22.07.2015 17:45
Nach der vorläufigen Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott droht nun in der Wirtschaft eine Pleitewelle. Seit Wochen sind Kapitalverkehrskontrollen in Kraft und schnüren vielen international vernetzten Firmen die Luft zum Atmen ab: Wenn das bis Mitte August so weitergeht, stehen nach Ansicht der Handelskammer in Athen Unternehmen reihenweise vor dem Aus.

In einem Brandbrief an das Finanzministerium machte Kammerpräsident Konstantinos Michalos seinem Ärger nun Luft: "Wir müssen Ihnen mitteilen, dass ein Großteil der griechischen Firmen kurz davor steht, den Betrieb einzustellen." Die Kontrollen waren Ende Juni eingeführt worden, um der Kapitalflucht einen Riegel vorzuschieben und ein Ausbluten des Finanzsystems zu verhindern.

Kapitalverkehrskontrollen als große Gefahr
Damals räumten viele Griechen ihre Konten aus Furcht vor einer Pleite des Landes leer. Nun hat Griechenland aber wieder eine Perspektive in der Eurozone: Das Land will sich in den anstehenden Detailverhandlungen bis zum 20. August ein bis zu 86 Milliarden Euro schweres Rettungspaket seiner Gläubiger sichern. Bis dahin müssen die Firmen wohl mindestens noch durchhalten. In einigen Staaten haben Kapitalverkehrskontrollen noch viel länger bestanden - so etwa in Zypern, wo sie 2013 eingeführt wurden und die letzten Beschränkungen erst heuer fielen.

Die Kontrollen in Griechenland könnten sich als Bumerang erweisen. Firmen, die Waren aus dem Ausland beziehen, können ihre Rechnungen seit Wochen nicht mehr begleichen - "ein Riesenproblem in vielen Bereichen", klagte der Handelskammer-Chef. Nach der vorläufigen Einigung Griechenlands mit den Gläubigern samt Brückenfinanzierung seien die Firmen leer ausgegangen: "Das ganze Geld, das das Land nun bekommen hat, wurde für Gehälter von Staatsdienern und für Pensionisten ausgegeben, oder um die Bankautomaten aufzufüllen", so Michalos. Geldtransfers der Firmen seien dabei ausgespart worden.

Schleppende Bürokratie bringt Unternehmen in die Bredouille
Auch die Bürokratie bremst die Firmen offenbar aus. Auf Antrag kann Geld zwar trotz der Kapitalverkehrskontrollen ins Ausland transferiert werden. Doch die zuständige Kommission winkt diese nicht einfach durch. So hat ein Konzern aus der Nahrungsmittelbranche eine Auslandsüberweisung von 650.000 Euro beantragt. Bewilligt wurden jedoch nur 9.000 Euro, wie Michalos erläuterte: "Das ist nicht lustig." Das betroffene Unternehmen gehöre zu den Schwergewichten auf dem Inlandsmarkt und müsse nun ernsthaft darüber nachdenken, die Produktion dichtzumachen.

Lieferung nur gegen Vorkasse
Viele Geschäftspartner im Ausland trauen den griechischen Firmen in Finanzangelegenheiten zudem nicht mehr über den Weg. Diese bittere Erfahrung machte auch die Einkaufsmanagerin von Pitsos, dem größten einheimischen Produzenten von Elektronikgeräten. Keine Schraube erhalte sie mehr ohne vorherige Zahlung, sagte Vasiliki Mourafeti: "Früher haben wir alle 14 Tage Ware erhalten. Jetzt heißt es: 'Griechenland ist pleite. Lieferung nur gegen Vorkasse.'"

Bis Jahresende wird "Grexit"-Frage entschieden
Der Verbleib Griechenlands in der Eurozone ist unterdessen unter Volkswirten umstritten. Jüngste Umfragen unter Ökonomen von Großbanken, Versicherungen und Fonds ergaben, dass sie einen Ausstieg der Griechen aus dem Euro ("Grexit") zwar aktuell für abgewendet sehen. Gut 70 Prozent rechnen laut der Nachrichtenagentur "Bloomberg" aber damit, dass Athen bis Ende 2016 aus der Währungsunion draußen ist. "Das nächste halbe Jahr wird entscheidend sein. Wenn wir das überstehen und die Reformen geeignet sind, das Wirtschaftssystem zu verbessern, dann wird das 'Grexit'-Thema langfristig keines mehr sein", sagte Allianz-Chefökonom Michael Heise am Mittwoch.

EZB erhöht Rahmen für Notkredite um weitere 900 Millionen
Am Mittwochnachmittag verschaffte die Europäische Zentralbank den angeschlagenen griechischen Banken Insidern zufolge mit der erneuten Aufstockung von Notfallhilfen weiteren Spielraum. Die Währungshüter erhöhten die Obergrenze für die sogenannten ELA-Liquiditätshilfen (ELA steht für Emergency Liquidity Assistance) an die Institute um 900 Millionen Euro. Am vergangenen Donnerstag hatte der EZB-Rat erstmals seit Ende Juni den Rahmen für die Notkredite erhöht - ebenfalls um 900 Millionen Euro. Damit dürfte das Limit für die Bankenhilfen inzwischen bei annähernd 91 Milliarden Euro liegen.

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