"Krone" in Athen

“Für uns ist das wie der zweite Holocaust”

Ausland
13.07.2015 17:00
Bob Marleys Stimme tönt aus dem Lautsprecher in der kleinen Taverne. "You make me feel alright", singt er. Hier, im Hafen von Athen. Vier Griechen starren auf den Bildschirm eines Fernsehers - Angela Merkel spricht dort, berichtet von einer vermeintlichen Einigung. Nur daran glauben will an diesem Tag keiner so richtig, an ein Happy End.

Christus, er ist 69 Jahre alt, ballt seine Faust, klopft dreimal auf sein Herz. Die Entscheidung aus Brüssel hat er gespannt mitverfolgt, er sagt nur eines dazu, schulterzuckend, emotionslos: "Die Situation ist aussichtslos, aber es war das Beste, was Tsipras im Moment machen konnte." Der ehemalige Finanzbeamte nippt vom Kaffee im Wettbüro, ein Zurück gibt es für ihn nicht - es wäre "die Hölle, zu Drachmen zu wechseln".

"Alles Geld der Reichen ist weg"
Kaum jemand will das hier in Athen. Es gibt kein Zurück für die Menschen - obwohl sie teilweise alles verloren haben. Nur Würde und Seele nicht. Ministerpräsident Alexis Tsipras scheint der Held zu sein, selbst alte Männer sagen das. Selbst Margaritis, er ist 78 Jahre alt, steht zu ihm, dem "jungen Politiker". Jahrzehntelang schipperte der Pensionist für Reederei-Urgestein Aristoteles Onassis als Kapitän über die Meere. Was die Zukunft bringen mag, weiß aber auch der Weltenbummler nicht: "Vielleicht wird's besser, vielleicht schlechter. Alles Geld der Reichen ist weg. Nur die Armen sind geblieben."

Und wirklich: Die Lokale am Meer sind allesamt geöffnet, doch die Sessel an den Balkonen sind am Tag der Entscheidung für ein weiteres Miteinander der EU-Staaten mit Griechenland leer. Jubel? Nein, die ältere Bevölkerung hat sich anscheinend aufgegeben. Kostas sagt nur eines dazu: "Wir wollen eine bessere Zukunft für unsere Jugend." Martha ist eine der jungen Menschen in Athen, sie strahlt, ist zuversichtlich, als wäre die Welt in Ordnung. "Alles wird gut", sagt die attraktive Modeexpertin.

"Sie wollen uns finanziell töten"
Polimeners (67) ist völlig anderer Meinung. Der pensionierte Journalist drückt die Lage der Nation brutal aus: "Für uns ist das wie der zweite Holocaust, selbst nach der Einigung. Sie wollen uns finanziell töten. Das darf nicht passieren in einem modernen Europa." Bob Marley singt noch immer über die Lautsprecher der Taverne, alle sind entspannt. Brüssel hin oder her. Kapitän Margaritis muss lachen auf die Frage zu seiner Zukunft und ob er glücklich ist: "Ja, bin ich. Weil ich in einem schönen Land lebe und meine Frau liebe."

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