"Krone"-Interview

Kill It Kid: “Bleib am Boden und wachse natürlich”

Musik
17.03.2015 17:00
Unüblich für junge Musiker mitten in ihren 20ern stehen die Briten von Kill It Kid nicht auf Indie-Sounds oder Chart-Hits, sondern auf alten US-Blues, traditionellen Folk, kantigen Rock und beißenden Grunge. Mit ihrem dritten Studioalbum "You Owe Nothing" und dem Ohrwurm "Caroline" schaffte es das Quartett 2014 auch bei uns zu größerer Bekanntheit. Vor dem Auftritt beim New Sound Festival in der Ottakringer Brauerei nahmen sich Chris Turpin (Gitarre, Gesang), Stephanie Ward (Keyboard, Gesang) und Marc Jones (Schlagzeug) etwas Zeit, um mit uns über "beschissene" Indie-Hype-Bands, den Zugang zu alter Musik, natürlich wachsenden Erfolg und Britney Spears zu sprechen.
(Bild: kmm)

"Krone": Leute, ihr spielt eine interessante Mischung aus altem Blues Rock, Grunge, Folk und Americana-Einflüssen und habt musikalische Vorbilder wie Robert Johnson oder Etta James. Das ist für eine Band in eurem Alter ziemlich ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Chris Turpin: Ich habe schon sehr früh Bands wie Fleetwood Mac oder Led Zeppelin gehört und von dort hat es mich logischerweise zum frühen Blues zurückverschlagen. Ich baute wirklich eine obsessive Beziehung zu diesen Künstlern auf und kam dann zur Detroit-Rockszene wie zum Beispiel den Kills. Also es gab schon immer eine gute Mischung aus Altem und Neuem. Robert Johnson hat mich wirklich enorm fasziniert. Als ich ihn erstmals hörte, war für mich klar, dass ich mir alles krallen muss, was er jemals aufgenommen hat. Damit war mein Weg vorprogrammiert.
Stephanie Ward: Ich habe anfangs Jazz-Piano gespielt und bin dadurch automatisch auf Billie Holliday gestoßen. Als ich 14 war entdeckte ich Diana Krall und lernte ihre Musik zu lieben. Das war ziemlich irre, weil ich aus einer kleinen, rauen britischen Stadt komme, wo eigentlich alle anderen nur Hip-Hop und derartige "Tough-Guy-Musik" hörten. Vom Jazz ging es dann zum Blues, was ich aber nicht erklären kann. Jeder kennt doch die Lage, wenn dich eine bestimmte Art von Musik plötzlich trifft. Ich war halt ziemlich jung dran.
Marc Jones: Das war auch der Grund, warum wir zusammenfanden. Ich habe sonst niemandem in meinem Alter gekannt, der auf Blues stand. Als ich Chris mit seiner Gitarre sah, war ich begeistert. So etwas gab bei uns in der Gegend nirgends.

"Krone": Ich denke, eure Eltern werden mit dieser Entwicklung mehr als nur glücklich sein, nachdem sie in jungen Jahren selbst wohl die gleichen Idole hatten?
Jones: Das stimmt schon. Meine Mutter liebt unsere Musik. Eigentlich sollten wir eher etwas machen, was sie total anpisst, aber irgendwie klappt das nicht. (lacht)

"Krone": Ihr habt eure Band nach einem Zitat eines Songs des US-Bluesers Blind Willie McTell benannt. Ist das eine bloße Hommage oder schwingt da auch eine Botschaft mit?
Turpin: Lyrics wie diese wurden schon immer von Rock-'n'-Roll-Bands hochgespien und haben ihre Ursprünge im Blues. Die Leute sagen ja, der Rock 'n' Roll wäre der Bastard-Sohn des Blues. Das schwingt auch bei Kill It Kid mit. Eine Songzeile für die Ewigkeit, die aber immer aneckt. Die andere Seite ist die, dass es gerade bei uns in England unendlich viele Indie-Bands gibt, mit denen wir nichts anfangen können. Wir wollten wieder stärker zum Ursprung zurück, alles etwas härter und rauer machen. Es sollte nichts poliert sein, und das spiegelt auch der Bandname wider. Er soll einfach raue Brutalität erkennen lassen. (lacht)

"Krone": Es gab ja schon Interviews, wo du, Chris, betont hast, dass du keine dummen Pop- und Hipster-Bands magst. Wie definieren sich solche Bands für dich?
Turpin: Gute Frage. Die kommen und gehen ja immer.
Ward: Ich finde es einfach dumm, dass es gerade in Großbritannien so viele Hype-Bands gibt. Wir haben selber mit so vielen Bands gespielt, die ein, zwei Wochen unterwegs waren und dann völlig in der Versenkung verschwanden. Es geht da gar nicht so um die Musik selbst, sondern um die Kultur des Erfassens dieser Musik. Dieses ständige Kommen und Gehen.
Jones: Die meisten Bands blühen mit einer Single auf und verschwinden schnell völlig von der Bildfläche. Wir haben da eine recht komfortable Position, weil wir schon drei Alben veröffentlicht haben, aber noch nie den großen Erfolg hatten. Bei uns geht alles in kleinen Schüben. Ich hoffe, dass auch das Hörverhalten der Menschen wieder zum Ursprünglichen zurückgeht. Eben nicht auf schnelle Hits bauen, sondern die Songs genießen, nicht überhypen, aber dafür bestehen sie auch den Test der Zeit. Wir haben so viele Bands kommen und gehen sehen und sind froh, nicht dazuzugehören.

"Krone": Glaubt ihr überhaupt, dass bei diesen kurzlebigen Bands ehrliche Musik im Spiel ist?
Turpin: Die meiste Zeit jagen die Leute nur einem Trend nach. Du siehst so oft Bands, die andere kopieren oder richtiggehend nachsabbern. Die haben dann meist kurzen, aber großen Erfolg. Damit hat es sich dann aber wieder.

"Krone": Glaubt ihr, dass die Hörer in Großbritannien durch diese Hype-Bands auf eine falsche Fährte gelockt werden?
Jones: Hauptsächlich passiert das in bestimmten Bereichen Londons – dort zentrieren sich diese Trends. Es gibt auch viele Radiostationen, die nur auf diese Hypes aufspringen.
Ward: Es liegt aber auch an den Labels, dass sie fast jede junge Indie-Band signen. Da gibt es meist eine erfolgreiche Single, die dem Label genug Kohle bringt, und sie investieren ein bisschen in die Band. Dann merken die Bands aber, dass sie keine Langlebigkeit haben, schaffen keine finanzielles Auskommen mehr und versinken. Auch bei uns waren nach den ersten Erfolgen schnell Leute, die sich um uns scharten und uns alles Mögliche einreden wollen. Wir haben aber glücklicherweise schnell verstanden, dass wir immer touren und hart arbeiten müssen. Wenn du jung bist und dein erstes Album herausbringst, weißt du vieles nicht. Die Musik reflektiert im Prinzip immer das Klima, in dem du dich als Künstler befindest.
Jones: Viele Leute gehen auch zu verkrampft an die Sache heran. Sie erwarten, dass ihr erstes Album einfach durchstarten muss, andererseits wären sie weg vom Fenster. Das ist natürlich schlecht für die Kreativität, wenn du dir schon so früh so viel Druck aufladest. Die Leute sollten besser am Boden bleiben. Man sollte natürlich wachsen.

"Krone": Sind wir schon in einer Zeit angelangt, in der Image und Mode längst wichtiger sind als die Musik selbst?
Jones: Das glaube ich gar nicht.
Ward: Es kann schon so sein. Wir haben unser erstes Album so jung gemacht, dass wir noch keinen Stylisten oder überhaupt eine Ahnung von dem Ganzen hatten. Uns haben einfach Freunde geholfen und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich kann es aber nachvollziehen, dass Style und Image wichtig sind, denn die Leute da draußen bewerten dich nach diesen Kriterien. Das entscheidet oft darüber, ob sie dich hören oder nicht. Da können auch die ganz Großen nicht raus. Man darf das jedenfalls nicht völlig vernachlässigen.

"Krone": Mit dem dritten Album "You Owe Nothing" habt ihr es 2014 in ganz Europa zu respektabler Bekanntheit geschafft. Fehlt euch etwas von den frühen Karrieretagen?
Jones: Nachdem wir wie gesagt natürlich gewachsen sind und uns den Respekt und Erfolg überall hart erarbeiten müssen, haben wir zumindest keine Stufe übersprungen oder verpasst. Auch die Shows werden immer größer und wachsen ganz natürlich.
Turpin: Es ist sehr schön zu sehen, dass sich die Menschen für dich interessieren und zu deinen Shows kommen. Dafür haben wir lange und hart gearbeitet. Wäre das unser erstes Album und hätten schon so viel Erfolg, wäre es wohl schwierig für uns.
Ward: Es ist aber immer noch kein Problem, vor vielen Leuten ziemlich nervös zu werden. (lacht) Daran ändert sich einfach nichts.
Jones: Du kannst auch die guten Shows genießen. Wir haben jahrelang Konzerte gespielt, zu denen kein Mensch gekommen ist. Aber es wurde von Woche zu Woche immer besser.
Ward: Damals hofften wir, dass überhaupt jemand kommt und jetzt denken wir uns oft: "Shit, schon wieder so viele Leute da." (lacht)

"Krone": Als ihr vor sieben Jahren mit der Band begonnen habt – hattet ihr schon gewisse Erwartungen?
Turpin: Ich wüsste nicht, was man erwarten sollte? Große Partys vielleicht, ja. (last du ohnehin schon geschafft, was du dir gewünscht hast. Das ist ein ganz spezielles, großartiges Gefühl.
Ward: Ich hatte keine Ahnung, wie die Musikindustrie arbeitet, und wollte einfach nur vor vielen Leuten spielen.
Turpin: Als Kid willst du gut spielen, eine Band gründen, ein Album aufnehmen, einen Labelvertrag unterschreiben und dann touren. Das war's und das haben wir jetzt alles erlebt. (lacht)
Jones: Wir lieben es einfach zu spielen. Auch wenn es nur eine Handvoll Leute sind – wenn die Stimmung passt, ist das unbezahlbar.

"Krone": Habt ihr alle den harten Weg genommen? In Pubs bei Open-Mic-Nächten gespielt?
Turpin: Ja, das war auch wichtig.
Jones: Das war auch verdammt hart, du kannst ja schnell mal ausgebuht werden. (lacht) Chris hatte mich damals schon fasziniert, denn er sah auf der Bühne aus wie ein Zwölfjähriger. Ich spielte damals in Metal-Bands, war aber schon immer an Blues interessiert. Also ging ich mal in das Pub und sah Chris das erste Mal. Ich dachte mir nur, wie schrecklich das alles sei, der Typ sieht aus wie zwölf und alles wirkte so furchtbar. (lacht) Ich habe ihn wirklich danach bewertet. Dann aber ging er auf die Bühne, spielte und ich war hin und weg.

"Krone": Stephanie, mit deinem Jazz-Background würde es dir sicher auch am Herzen liegen, mehr Jazz-Parts bei Kill It Kid zu integrieren, oder nicht?
Jones: Oh mein Gott, das würde ich lieben!
Ward: Nicht zwingend. Das sind einfach zwei verschiedene Paar Schuhe und ich kann mir nicht vorstellen, dass das passen würde.
Jones: Warum nicht? Wir könnten mit in der Show eine kleine Jazz-Sektion einbauen. (lacht)
Ward: Das wäre ja mal interessant. Vielleicht auch ein paar kubanische Chill-out-Parts.
Jones: Ich lege ein paar Samba-Grooves drauf und baue auch einen Heavy-Metal-Teil ein. (lacht)

"Krone": Chris und Stephanie teilen sich die Vocal-Parts auf euren Alben. Wie entscheidet ihr, wer welchen Teil singt, und gibt es da auch mal heftige Kämpfe und Diskussionen, wenn man sich durchsetzen will?
Turpin: Keine physischen Kämpfe. (lacht) Der Song sagt uns eigentlich schon, wer den Gesangspart übernehmen soll. Im Prinzip sind die Songs schon fast auf die jeweilige Stimme zugeschnitten, da gibt es selten Diskussionen darüber.
Ward: Ich liebe die Harmonie, also bin ich sehr glücklich. (lacht)

"Krone": An "You Owe Nothing" habt ihr knapp ein Jahr geschrieben und es fiel euch nicht immer leicht. Habt ihr jetzt mal genug oder seid ihr motiviert, an neuem Material zu schreiben?
Turpin: Da sind wir uns noch nicht so ganz sicher. Wir haben einen Haufen neuer Songs, aber wir schauen mal wie es jetzt live weitergeht. Wir haben schon drei Alben geschrieben, was für unser Alter ja nicht so wenig ist. Wir haben uns noch nicht so genau überlegt, was wir als Nächstes machen, weil "You Owe Nothing" wirklich ein harter und langer Prozess war. Diesen Berg zu erklimmen war nicht einfach.
Jones: Würdest du jetzt ganz direkt fragen, ob wir gerade an einem neuen Album schreiben, würde ich nein sagen. Das dauert noch ein bisschen. Wir haben das Studio speziell beim Arbeiten am letzten Album lieben gelernt. Vor allem, weil wir unter anderem in L.A. waren und dort einen Swimmingpool hatten.
Turpin: Wir hatten einen Riesenvorteil – Zeit. Wenn du die hast, dann geht alles so viel angenehmer und besser vor sich. Bei den ersten beiden Alben hatten wir einfach viel zu wenig Zeit.
Jones: In L.A. waren wir in einem Studio, das war wie das Abbey Road Amerikas. Alleine schon die Anwesenheit in diesem Gebäude war ein Wahnsinn. Eine unglaubliche Erfahrung. Wir waren auch im "House Of Blues" – das waren tolle Erlebnisse.

"Krone": Chris, du könntest ohnehin ein guter Studio-Geek sein. Optisch könntest du locker als Sohn der britischen Porcupine-Tree-Legende Steven Wilson durchgehen.
Jones: Das solltest du auch Wilson sagen – möglicherweise lässt er sich ja dann testen. (lacht)

"Krone": Ihr habt schon mit den unterschiedlichsten Bands die Bühne geteilt und wahnsinnig viele Erfahrungen gesammelt. Was wäre denn euer Traum-Line-up?
Jones: Ich glaube, die meisten Bands, die wir gerne begleiten würden, sind wohl zu alt oder gar schon tot. (lacht)
Turpin: Mit Neil Young ein Konzert zu geben, das wäre schon unglaublich.
Jones: Wir waren einmal ganz knapp dran.
Ward: Wir waren sehr oft sehr nahe an etwas Tollem dran, geklappt hat es dann aber selten. (lacht)
Turpin: Wir haben noch nie eine große Outdoor-Show gespielt. Das wäre schon auch eine großartige Erfahrung, könnten wir dort mal jemanden begleiten.
Jones: Egal wen. Britney Spears wäre auch mehr als okay. (lacht)

"Krone": Ernsthaft gefragt – würdet ihr so viel Mut und Selbstironie besitzen, um einen Britney-Spears-Song zu covern?
Ward: Chris ist doch ein Riesenfan. (lacht)
Turpin: Sagen wir so - es wäre möglich. (lacht)

"Krone": "You Owe Nothing" hatte auch viel mehr Rock-Einflüsse als eure vorhergehenden beiden Alben. Warum?
Turpin: Wir waren wirklich noch verdammt jung und auch naiv, als wir unseren ersten Plattenvertrag unterschrieben haben. Auf dem ersten Album waren einfach die Songs zu hören, die sich über die Zeit so angesammelt hatten. Von dort weg sind wir vom Blues zum Country gewandert, aber gleich danach wurde es deutlich härter. Marc hat schon immer in Metal-Bands gespielt und mit akustischen Instrumenten zu touren ist absolut schrecklich. Wir wollten einfach etwas härter werden, weil das auch live viel besser ankommt. Es gab übrigens viele Magazine, die nicht über uns schreiben wollten, weil wir eine englische Band seien, die amerikanische Musik macht. Ich bin noch heute erstaunt über diese Ansicht, denn es gäbe kaum eine englische Rockband ohne die Seele des amerikanischen Blues. Es gibt vielleicht ähnlich geartete Bands wie die Black Keys, aber kaum welche aus England. Da stehen wir ziemlich eigenständig da.

"Krone": Werden Kill It Kid nun von Album zu Album noch härter? So dass ihr euch möglicherweise sogar mal in "Kill All Humans" umbenennt?
Turpin:(lacht) Das ist schwer zu sagen, ob wir noch härter werden. Wir mögen große Songs und einen eingängigen Groove. Das fasziniert uns und wir sind jedenfalls nicht daran interessiert, jemals ein Album zu schreiben, bei dem sich die Songs wiederholen oder zu gleich klingen.

"Krone": Legt ihr euren Fokus darauf, einmal einen richtig großen Hit zu schreiben?
Turpin: Das wäre natürlich toll, aber so einfach ist das nicht. (lacht)
Ward: Das Geheimnis eines großen Hits liegt sicher darin, ihn nicht erzwingen zu können. Wenn wir uns auf einen großen Hit fokussieren würden, würde das auch bedeuten, wir stellen alles drumherum hinten an. Das ist aber sicher nicht der Fall bei uns.
Jones: Für viele Bands war ein großer Hit der Karrieretod. Da war's dann, aus und vorbei. Zumindest haben wir das Glück, dass wir längst über die Gefahr eines "One-Hit-Wonders" hinaus sind. (lacht)

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