"Krone"-Reportage

Paris: “Jetzt erst recht” trotz Ausnahmezustand

Ausland
10.01.2015 17:26
Der Terror hat Paris seine Unschuld geraubt - auf dem Weg zurück zur Normalität ist an der Seine aber eine Jetzt-erst-recht-Stimmung zu spüren. "Krone"-Reporterin Catherine Lankes berichtet aus der französischen Hauptstadt.

Das Leben in der Stadt an der Seine scheint noch immer teils stillzustehen. In den Bistros ist es fast unangenehm still, man hört kein Lachen. Thema Nummer eins ist "Charlie Hebdo" - die Geiselnahmen und der Tod der Journalisten beschäftigen Pariser genauso wie Touristen. "Mich als Franzosen zu fragen, wie ich mich gefühlt habe, als ich vom Attentat gehört habe - das ist wie einen Amerikaner zu fragen, wie 9/11 war. Ich habe geweint", meint ein junger Mann in einem Cafe in der Pariser Innenstadt.

U-Bahn-Stationen ausgestorben
Die großen U-Bahn-Stationen sind beinahe leer gefegt, das Wachpersonal omnipräsent. Kaum ein Weg außer Haus, bei dem man nicht auf Militärs mit Waffe im Anschlag trifft. Auch auf dem Flughafen Charles de Gaulle sind die Sicherheitsvorkehrungen spürbar.

Auch die Studentinnen Marianne und Jade wollen an der Solidaritätskundgebung teilnehmen. (Bild: Kronen Zeitung)
Auch die Studentinnen Marianne und Jade wollen an der Solidaritätskundgebung teilnehmen.
(Bild: Kronen Zeitung)
(Bild: AP)
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Blumenmeer vor der "Charlie Hebdo"-Redaktion (Bild: AFP)
Blumenmeer vor der "Charlie Hebdo"-Redaktion

Auch das Geschäft leidet unter den Nachwirkungen des Anschlags. Am 7. Jänner hat in Frankreich der Winterschlussverkauf begonnen. Trotz der herabgesetzten Preise sind heuer allerdings nur wenige in Einkaufslaune. In der Galerie Lafayette, dem Nobelkaufhaus in der Nähe der Oper, bestätigt eine Verkäuferin: "Für einen Samstagvormittag ist wirklich sehr wenig los. Die Menschen wollen nicht einkaufen gehen. Und sie haben Angst."

Leere Straßen im jüdischen Viertel
In Le Marais, dem jüdischen Zentrum im Herzen von Paris, sind die Straßen leer. In der Rue de Rosiers mussten die Geschäfte nach der Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt am Freitag schließen. Auch am Samstag trifft man dort nur wenige Menschen, an der Tür der jüdischen Bäckereien liest man: "Heute, 10. Jänner, ausnahmsweise geschlossen". Neun Männer der Polizeieinheit CRS bewachen am Sabbat die Synagoge in der Nebenstraße.

Aber nicht alle wollen sich der Angst beugen: Ein jüdisches Imbisslokal in der Rue des Rosiers verkauft am Freitagabend trotz Verordnung Sandwiches und Kaffee über die Theke. "Ja, offiziell haben wir geschlossen, aber zum Mitnehmen geht's schon. Unser Leben geht weiter", so die Besitzerin. An der Tür steht "Je suis Charlie", ich bin Charlie.

"Man muss lachen dürfen"
Diese Solidarität will auch ein Theater wenige Häuser weiter zum Ausdruck bringen. Der Spruch soll in Großformat an der Wand plakatiert werden. Nicolas Hustache, Mitglied der Direktion der Bühne, ist überzeugt: "Man muss lachen dürfen. Der Humor ist die Waffe der Demokratie. Wir stehen gemeinsam."

Marianne Moufakkir und Jade Kuppers, zwei französische Studentinnen, sind am Freitagabend auf dem Eislaufplatz vor dem Rathaus: "Natürlich gehen wir zur Demonstration am Sonntag. Man muss zeigen, dass Frankreich, dass ganz Europa keine Angst hat."

Buchhändler: "Jetzt erst recht"
In Montmartre, am Fuß der Kirche Sacre Coeur, sind die Geschäftstüren gespickt mit "Je suis Charlie"-Plakaten. In den Fenstern stehen abends Kerzen, die an die Toten erinnern sollen. Der Anschlag hat die Franzosen getroffen. Aber "Charlie Hebdo" ist für Frankreich kein Grund zum Aufgeben: "Jetzt erst recht", beteuert ein Buchhändler im 9. Bezirk in Paris. Auch an seiner Tür steht in fetten Lettern "Je suis Charlie".

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