Es klingt wie ein Aprilscherz mit Preisschild, wie der feuchte Traum eines jeden Elektroauto-Skeptikers, der bisher nur mit den Augen gerollt hat: 500 Kilometer Reichweite, weiterfahren nach 99 Sekunden – und das Ganze für unter 6000 Euro. Gibt’s nicht? Gibt’s doch. Aber (noch) nicht bei uns.
Der Aion UT Super, frisch aus den Hallen der chinesischen GAC Group, will nichts weniger als die E-Mobilität neu erfinden. Und zwar nicht als Prestigeobjekt, sondern als Volks-Stromer. Doch hinter der Schlagzeile steckt – wie so oft – ein chinesisches Matroschka-Püppchen voller Schichten und Widersprüche.
99 Sekunden Ruhm
Der Akku wird nicht mühsam geladen, sondern einfach ausgetauscht. Einmal kurz anhalten, alter Akku raus, zack, neuer Akku rein – so simpel wie ein Boxenstopp in der Formel E.
In China funktioniert das bereits an rund 800 Wechselstationen, betrieben vom Konzern Aion, der wiederum auf den Zellgiganten CATL und auf JD.com als Technologiepartner setzt.
JD.com? Das ist jene E-Commerce-Maschine, die in Europa mittlerweile MediaMarkt und Saturn betreibt und in Asien den Online-Marktriesen Tiki kontrolliert. Man kann also davon ausgehen: Wenn irgendwo eine Batterie hängt, weiß JD, wie man sie verkauft.
Der Preis ist heiß – aber nur halb
Unter 6000 Euro für ein Elektroauto klingt nach dem sensationellen Durchbruch, auf den Europa seit Jahren wartet. Das Fahrzeug verfügt über „fortschrittliche intelligente Funktionen“ wie einen 14,6-Zoll-Zentralbildschirm mit drahtloser Handyintegration, intelligentem Sprachassistenten und Fahrerassistenzsystemen auf Level 2.
Doch der Clou: Der Akku gehört nicht dazu. Wer ihn dauerhaft will, legt rund 11.000 Euro extra hin. Sonst mietet er ihn für rund 50 Euro im Monat.
Damit kippt die Euphorie etwas ins Mathematische: Wer zehn Jahre fährt, hat die Batterie längst zweimal bezahlt. Und plötzlich sieht das Elektro-Wunder gar nicht mehr so billig aus, sondern nur noch clever verpackt.
Vom Hochglanz zur Wirklichkeit
500 Kilometer Reichweite? Auf dem Papier, sicher. Aber in der Realität bleibt davon nicht viel. 500 Kilometer nach chinesischer Norm sind nicht viel mehr als 300 Kilometer nach WLTP. Was das dann real bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.
Das Fahrzeug verfügt über fortschrittliche intelligente Funktionen wie einen 14,6-Zoll-Zentralbildschirm mit kabellosem Telefonanschluss, intelligenter Sprachinteraktion und Fahrerassistenzsystemen der Stufe L2. Sicherheitsmerkmale umfassen ABS, Bremskraftverteilung, Traktionskontrolle und mehrere Airbags.
Und die 99-Sekunden-Wechselstationen?
Die stehen – Überraschung – in China. Natürlich liebäugeln die Chinesen mit Europa. Doch zwischen einem funktionierenden Markt in Shenzhen und der Typenzulassung in Österreich liegen Welten. Sicherheitsnormen, Garantiebedingungen, Crashtests, Servicenetz – alles, was ein Auto in Europa teuer macht, steht noch auf der To-do-Liste.
Ob sich ein Aion UT Super zwischen Skoda, BYD und Dacia Spring behaupten könnte, hängt weniger vom Akkuwechsel ab als davon, wer im Notfall das Kundendiensttelefon abhebt.
Und doch – ein Signal
Trotz aller Fragezeichen bleibt der Aion ein Signal aus Fernost: China denkt Mobilität nicht mehr nur als Transport, sondern als System – vernetzt, austauschbar, skaliert. Dass dabei ein Online-Händler wie JD.com mitmischt, ist fast schon poetisch: Der Konzern, der uns Fernseher und Handys verkauft, liefert bald vielleicht auch den Akkuwechsel – zwischen Waschmaschine und Wochenangebot.
Fazit
Der Aion UT Super ist kein Witz, kein Blender, sondern ein ernstgemeinter Versuch, die Elektromobilität zu industrialisieren, zu demokratisieren – und gleichzeitig zu monetarisieren. Er riecht ein bisschen nach Zukunft, ein bisschen nach Risiko, und ganz stark nach dem, was China am besten kann: Tempo.
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