
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich am Donnerstag erneut zwei Misstrauensanträgen im EU-Parlament stellen. Die Anträge waren von den „Patrioten für Europa“ sowie der Linken eingebracht worden. Ihre Chancen, durchzugehen, sind gering. Die österreichischen EU-Abgeordneten aller Fraktionen außer der FPÖ kündigten an, gegen die Anträge zu stimmen.
Kritik an der Kommission gibt es aber von vielen Seiten. Die Patrioten kritisieren etwa die Migrations- und Handelspolitik der Kommission, die linke Fraktion Inaktivität mit Blick auf die Lage im Gazastreifen.
Letzter Misstrauensantrag im Juli abgeschmettert
Erst im Juli war ein Misstrauensantrag im Parlament abgelehnt worden. Von den österreichischen EU-Abgeordneten hatten die anwesenden Mandatare der FPÖ geschlossen für den Misstrauensantrag gestimmt, die Parlamentarier von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen geschlossen dagegen. Auch diesmal gilt es als unwahrscheinlich, dass der Antrag durchgeht.
Lopatka: Keine Chance auf Mehrheit
Die Anträge haben laut ÖVP-EU-Delegationsleiter Reinhold Lopatka „keine Chance auf eine Mehrheit“: „Die politische Mitte wird dafür sorgen, dass die Kommission weiterarbeiten kann“, zeigte er sich vom Erfolg seiner Fraktionskollegin (Europäische Volkspartei) überzeugt.
Die politische Mitte wird dafür sorgen, dass die Kommission weiterarbeiten kann.
ÖVP-EU-Delegationsleiter Reinhold Lopatka
„Das zweite und dritte Misstrauensvotum gegen von der Leyen wird zum Spielball der Fraktionen am rechten und linken Rand. Dabei laufen wir Gefahr, das Instrument des Misstrauensvotums als solches massiv zu entkräften und zu banalisieren“, warnt SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder.
Schieder mit Kritik an EU-Chefin, aber ...
Das heiße aber nicht, dass „wir den derzeitigen Kurs von der Leyens stützen“, betont der Sozialdemokrat. Die Deutsche müsse „jetzt unter Beweis stellen, dass sie auch liefert, was sie verspricht“. Er fordert, „beim Europäischen Green Deal (für Klimaschutz, Anm.) voranzuschreiten statt zurückzurudern, eine wettbewerbsfähige und zukunftsorientierte Wirtschaft in Europa zu kreieren und vor allem den Menschen mit echten Maßnahmen für ein leistbares Leben, eine Perspektive zu bieten“.
Das zweite und dritte Misstrauensvotum gegen von der Leyen wird zum Spielball der Fraktionen am rechten und linken Rand.
SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder
Vilimsky: „Die Liste der Verfehlungen ist lang“
„Fehlende Transparenz, Kompetenzüberschreitungen, die Gefährdung der europäischen Wirtschaft und eine katastrophale Migrationspolitik – die Liste der Verfehlungen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist lang“, kritisierte der freiheitliche Delegationsleiter Harald Vilimsky.
Seit Beginn ihrer Amtszeit habe von der Leyen immer wieder bewiesen, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sei. „Ihre Politik folgt einer realitätsfremden Agenda und richtet sich gegen die Interessen der Bevölkerung. Es ist höchste Zeit, dass diese Frau ihren Stuhl räumt.“ Die FPÖ gehört zur Fraktion „Patrioten für Europa“.
Es ist höchste Zeit, dass diese Frau ihren Stuhl räumt.
Der freiheitliche Delegationsleiter Harald Vilimsky über EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
NEOS: Kritik legitim, aber Lähmung brandgefährlich
„Wer die Europäische Kommission stürzt, legt Europa lahm“, warnt hingegen NEOS-EU-Abgeordnete Anna Stürgkh. Kritik sei „legitim, aber Lähmung ist brandgefährlich“. Nur ein Abwählen der gesamten Kommission sei möglich und dazu sage sie ein „klares Nein“ wie schon im Juli. Die Misstrauensanträge sind für sie das „absolut falsche Instrument“.
Wer die Europäische Kommission stürzt, legt Europa lahm.
Die NEOS-EU-Abgeordnete Anna Stürgkh
Auch ihre Fraktion habe Kritik an der Politik von der Leyens, als Beispiel nannte sie von der Kommission zurückgezogene Gesetzesvorschläge im Umweltbereich oder den EU-US-Handelsdeal, damit sei sie „natürlich nicht zufrieden“.
Auch für den Delegationsleiter der österreichischen Grünen, Thomas Waitz, ist es „unverantwortlich“, die Kommission jetzt abzuwählen. Er zählt die Problembereiche auf, die Europa jetzt habe: US-Präsident Donald Trump, Klima, Handel – „Bei aller Kritik, die ich teile, muss man sie in den politischen Fragen stellen“, positioniert sich auch der Grüne klar gegen die beiden Misstrauensanträge.
Es ist unverantwortlich, die Kommission jetzt abzuwählen.
Thomas Waitz, Delegationsleiter der österreichischen Grünen
Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig
Ein Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission ist äußerst selten. Damit er zur Abstimmung im EU-Parlament kommt, müssen im Vorfeld zehn Prozent der EU-Abgeordneten dafür sein. Im Erfolgsfall muss die Kommission geschlossen zurücktreten. Eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen wäre dafür nötig. Dies ist bisher noch nie geschehen. Die von einem Korruptionsskandal erschütterte Kommission unter Jacques Santer trat 1999 zurück, bevor über ihr Schicksal abgestimmt werden konnte.
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