Appell an Fischer

Koalition bootet Wissenschaft aus – Unis empört

Österreich
13.12.2013 19:29
Weite Teile des heimischen Universitätsbetriebs reagieren empört auf das Aus für das Wissenschaftsministerium in der künftigen Bundesregierung. Der Chef der Universitätenkonferenz, Heinrich Schmidinger, appellierte am Freitag an Bundespräsident Heinz Fischer, "keine Regierung ohne Wissenschaftsminister anzugeloben". Die größte Hochschule des Landes, die Uni Wien, zeigte sich "bestürzt über den geringen Stellenwert für Wissenschaft und Unis, der aus der Abschaffung des Ministeriums zum Ausdruck kommt". Auch die Hochschülerschaft hat eine unmissverständliche Botschaft an die Regierung: "Wir sehen uns auf der Straße wieder."

Florian Kraushofer vom Vorsitzteam der ÖH erklärte: "SPÖ und ÖVP sind an Ignoranz kaum zu übertreffen. Nach dieser Entscheidung ist zu erwarten, dass in Zukunft die Wissenschaft noch mehr ins Hintertreffen gerät. Dass ein derart wichtiger Bildungsbereich dermaßen marginalisiert wird, ist ein Wahnsinn."

Die nunmehrige Zusammenlegung von Wissenschaft und Wirtschaft unter der Ägide von Minister Reinhold Mitterlehner sieht die Hochschülerschaft mehr als skeptisch: "Eine Zusammenlegung der beiden Bereiche wird dazu führen, dass die Ökonomisierung der Bildung auch in den nächsten Jahren weitergehen wird", so Kraushofer.

Rektorenchef appelliert an "Freunde in der Wirtschaft" und SPÖ
Rückendeckung für die Studierendenvertretung kam von den Rektoren. Schmidinger schickte per Aussendung einen Hilferuf an die SPÖ und "unsere Partner und Freunde in der Wirtschaftskammer und in der Industriellenvereinigung - wenn schon von den ÖVP-Granden, die sich bisher ganz anders geäußert haben, keine Einsicht zu erwarten ist".

Die Sozialdemokraten dagegen hätten "jetzt Gelegenheit, Entschlossenheit zu demonstrieren". Pikant am Appell an Fischer, ein Kabinett ohne Wissenschaftsminister nicht anzugeloben, ist der Umstand, dass dieser selbst von 1983 bis 1987 das Wissenschaftsressort leitete.

FPÖ um Forschungsstandort besorgt
Die FPÖ sorgte sich nicht zuletzt um den Wissenschafts- und Forschungsstandort Österreich, der durch die Abschaffung des entsprechenden Ministeriums "eine weitere massive Schwächung" erlebe, so der freiheitliche Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck. Schon jetzt sei Österreich am absteigenden Ast, die Lippenbekenntnisse im Regierungsprogramm, die im Wesentlichen aus der letzten Legislaturperiode fortgeschrieben würden, könnten daher nicht mehr ernst genommen werden. "Das ist ein Schlag ins Gesicht der jungen Generation und das Eingeständnis des völligen Scheiterns in diesem wichtigen bildungspolitischen Bereich", sagte Karlsböck.

Nahezu wortgleich äußerte sich kurz darauf Team-Stronach-Wissenschaftssprecher Marcus Franz, der die Abschaffung des Ministeriums als "Schlag ins Gesicht aller Österreicher, die studieren und sich gerne weiterbilden", bezeichnete. Für Franz ist damit offensichtlich, dass SPÖ und ÖVP die Wissenschaft nichts wert ist.

Glawischnig: Wissenschaft "Anhängsel des Wirtschaft"
Für Grünen-Chefin Eva Glawischnig ist das Aus für die Wissenschaft als eigenes Regierungsamt, das in den vergangenen fünf Jahren von Karlheinz Töchterle geleitet wurde, "vollkommen unverständlich". Die Wissenschafts- und Forschungsagenden würden "zum Anhängsel der Wirtschaft degradiert".

Auch die NEOS finden kein gutes Haar an der Einsparungsmaßnahme: "Die Zusammenlegung von Wissenschaft und Wirtschaft in einem gemeinsamen Ministerium zeugt entweder von absoluter Unwissenheit, was Wissenschaft braucht und was Wirtschaft ist, oder es herrscht hier in der ÖVP absolute Ignoranz", so Wissenschaftssprecher Nikolaus Scherak in einer Aussendung. Diese Absicht sei nicht nur eine gefährliche Drohung, sondern auch ein "Schuss ins Knie der universitären Zukunft in Österreich".

Auch Töchterle sieht "ganz schlechte Symbolik"
Der im hektischen ÖVP-Parteivorstand am Donnerstagabend ausgebootete Töchterle (siehe Infobox) sieht am Tag danach im Aus für sein Ressort eine "ganz schlechte Symbolik für viele in der Wissenschaft". Wissenschaft und Forschung würden einen bedeutenden Teil der Stärke Österreichs ausmachen. "Jetzt zu sehen, dass das nur eine Appendix in einem anderen Ministerium ist, wird viele schmerzen", so der Tiroler.

Platter spricht von "gravierender Fehlentscheidung"
Von einer "gravierenden Fehlentscheidung" sprach Tirols ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter, der ebenfalls einen "Affront" gegenüber Studenten, Universitäten, Lehrenden und dem Personal ortete. "So kann man mit Menschen nicht umgehen", zeigte sich Platter am frühen Freitagabend ziemlich erbost.

Zustimmung kam dagegen - wenig überraschend - vom ÖVP-Wirtschaftsbund. Dort wird argumentiert, dass "eine erfolgreiche Wirtschaft, nachhaltiges Wachstum und damit auch Arbeitsplätze von fortschrittlichen Technologien und Forschung abhängen", wie es Generalsekretär Peter Haubner ausdrückte. Er verwies auf Deutschland, wo die Bereiche Wirtschaft und Technologie ebenfalls in einem Ministerium gebündelt sind.

Regierungspartner wehren sich gegen Kritik
Regierungschef Werner Faymann und sein Vizekanzler Michael Spindelegger verteidigten sich am Rande der Präsentation des Regierungsprogramms gegen die scharfe Kritik. Spindelegger meinte, es ginge nicht um die "Liquidierung eines Ministeriums" (siehe Story in der Infobox).

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