„Krone“-Kommentar

Wenn die Sittenwächter an der Schule weiblich sind

Susanne Wiesinger ist Lehrerin an einer Brennpunktschule in Wien-Favoriten und Buchautorin.(Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Der junge Sporttrainer war ratlos. Mit den Worten „Da wissen Sie sicher besser Bescheid“ hat er mir die bitterlich weinende Nadira übergeben. Er musste sich außerdem wieder um seine Station auf unserem Abschlussfest kümmern.

Die Achtjährige redete sofort: „Die Großen sagen, ich bin nicht wie eine Muslima angezogen.“ Zur Erklärung: Nadira trug ein ärmelloses Sporttrikot. Darüber hinaus blitzte ein wenig ihr Bauchnabel hervor.

Um diese Thematik genauer zu besprechen, habe ich also „die Großen“ zu mir geholt. Die selbsternannten Sittenwächter waren diesmal ausschließlich weiblich. Sie erklärten mir aufgeregt: „Wir wissen eh, sie ist noch klein und darf das. Aber bald darf sie es nicht mehr!“

Jetzt musste unser Sportfest warten, denn das wollte ich unbedingt klären. Ich stellte klar, dass sie dieses Oberteil auch tragen darf, wenn sie älter ist. So wie zwei von den „Großen“ sogar am Sportfest ein Kopftuch tragen dürfen.

In Österreich sind ärmellose Sporttrikots für Frauen nämlich erlaubt. Wie viel davon nachhaltig angekommen war, weiß ich nicht. Immerhin entschuldigten sich die Mädchen bei Nadira, und jede ging wieder ihrer Wege.

Nur Masal, eine afghanische Schülerin, meinte trotzig: „In Afghanistan ist das aber verboten.“ Mein Tonfall wurde nun schärfer: „Stimmt, aber Nadira und du leben jetzt hier. Jedes Mädchen kann anziehen, was ihm gefällt. Ich kann das auch gerne deinen Eltern erklären.“

Sie nickte. Die Botschaft war nun angekommen.