Festivalfinale

Nova Rock: Von Geländeläufern und Zimmermännern

Musik
15.06.2025 03:59

Am Abschlusstag verbrauchten die Nova Rocker bei weiterhin steigenden Sommertemperaturen noch einmal die letzten Energiereserven, um Top-Acts wie Electric Callboy, Wanda, den Idles oder Heaven Shall Burn gebührend abzufeiern. Das Riesenevent endete friedlich und ohne gröbere Pannen – die 2026er-Edition wirft indes ihre Schatten voraus.

kmm

Wenn Wendis böhmische Blasmusik zum vormittäglichen Halligalli ruft, dann ist das Ende des Nova Rock nicht mehr weit. Alljährlich finden sich tausende Menschen auf staubigen Flächen zusammen, um dem volkstümlichen Treiben zu lauschen und sich die ersten Biere in den Rachen zu keltern. Die Hydration wird in Nickelsdorf von Tag zu Tag wichtiger. Exponentiell mit den Temperaturen steigt auch der Hopfenkonsum. Das freut die Feiernden und Verkaufenden gleichermaßen und so ist der Promillepegel schon bei den frühen Acts auf einem amtlichen Niveau angelangt. Obwohl der vierte Festivaltag heuer an einem Samstag stattfindet, scheinen nach den Top-Headlinern Linkin Park und Slipknot schon einige Festivaltouristen abzureisen. Während der Glutmugel erbarmungslos auf die Schädel brennt, feuern All Faces Down ein Metalcore-Feuerwerk ab, huldigen Versengold dem Schlager-esken Mittealterrock und metal-rappen sich die deutschen Butcher Sisters (die natürlich Männer sind) mit schrägem Humor durch ihr noch relativ junges Œuvre.

Nach vier Tagen Festivalgaude sehnen sich die größten Nova-Fans nach Ruhe und Normalität.
Nach vier Tagen Festivalgaude sehnen sich die größten Nova-Fans nach Ruhe und Normalität.(Bild: Andreas Graf)

Das Scheitern überwunden
„Der gemeinsame Nenner bei uns ist Metal“, sagt ausgerechnet Rapper Alexander Bechtel im „Krone“-Gespräch. Gemeinsam mit Nicklas Stroppel bildet er das Frontduo des kuriosen und humoristischen Projekts, das in seinen vordergründig witzigen Texten auch eine Menge Arbeiterklasse-Alltagswahrheiten versteckt hat. „Ich war fünf Jahre lang Zimmermann und bin eigentlich seit 15 Jahren mit allen möglichen Bands gescheitert“, führt Stroppel im Gespräch aus, „egal wie schlecht mein Tag als Musiker in dieser Band ist, es ist trotzdem der beste Job der Welt“. Ein Job, der die bunte Truppe bald für eine Einzelshow in die Wiener Simm City bringen wird. Brachialhumor und harte Riffs inklusive. Das kalifornische Punkrock-Cover-Kollektiv Me First And The Gimme Gimmies stiehlt wieder erfolgreich aus der Pop- und Rock-Diskografie, die Franzosen Landmvrks sind mit ihrem harschen Metalcore live härter als auf Platte.

Spike Slawson, Frontmann und Spaßvogel der legendären Me First And The Gimme Gimmes.
Spike Slawson, Frontmann und Spaßvogel der legendären Me First And The Gimme Gimmes.(Bild: Andreas Graf)

Der eigentliche Höhepunkt des Tages findet vor einer kargen Kulisse statt. Die britischen Idles haben sich über die letzten Jahre zu einer der besten Livebands des Planeten entwickelt und beweisen diese Fähigkeit auch in einem für sie schwierigen, weil metallisch durchzogenen Habitat. „Wir sind die Coldplay und The Offspring des Post-Punk“, scherzt Frontmann Joe Talbot mit rosa Haaren und politisch konnotiertem Shirt. Lead-Gitarrist Mark Bowen nützt die Zeit am burgenländischen Acker indes, um ihn noch während des Sets der Band ausgiebig zu erkunden. Er durchbricht sämtliche Wavebreaker und Security-Bereich-Barrikaden und springt mit seinem Stromruder – in ein Kleid gewickelt – weit bis zur Burgenland-Arena nach hinten. Ein paar Fans fällt es auf und sie freuen sich, zwei Securitys jagen ihn zurück auf die Bühne während er vor ihnen davonrennt - derartig gelungenen Slapstick hat das Nova Rock auch noch nicht gesehen. Eine anarchistische Galavorstellung.

Wo Idles draufsteht, ist eine gehörige Portion drinnen –sie bewiesen sich auch beim Nova Rock.
Wo Idles draufsteht, ist eine gehörige Portion drinnen –sie bewiesen sich auch beim Nova Rock.(Bild: Andreas Graf)

Gelungener Neubeginn
Währenddessen gniedeln sich auf der Red Stage die britischen Power-Metaller Dragonforce durch 20 Jahre Computer-Nerdtum. Gitarrist Herman Li ist nicht nur Griffbrettwunderwuzzi, sondern auch Manager der Band und als gelernter IT-Techniker für den visuellen Arcade-Aufbau auf der Bühne verantwortlich. Das Kollektiv entführt in ungezwungene und spaßige Fantasy-Welten und bringt damit einen angenehm unschuldigen, fiktionalen Charakter auf die Bühne in einer Welt, deren Realität einen manchmal erschlagen kann. Der deutsche Musiker Alligatoah vermischt derweil auf der Blue Stage Metal mit Hip-Hop und seinem doch recht deutschen Humor. Viel spannender ist da auf der Red Bull Stage die Rückkehr der schwedischen Metalcore-Schmiede Adept. Neun Jahre lang hat man nichts mehr veröffentlicht, der Gig am Nova Rock ist erst der zweite seit 2019. Frontmann Robert Ljung zeigt sich im „Krone“-Talk im Vorfeld nervös. „Es ist wie ein Neubeginn. Man weiß nicht, was kommt.“ Ein paar brettharte Riffs und Feuersalven später ist allen klar – das Comeback ist gelungen.

Eigenwilliger Humor, skurrile Kleidung: Alligatoh räumte auf den Pannonia Fields zwar ab, aber ...
Eigenwilliger Humor, skurrile Kleidung: Alligatoh räumte auf den Pannonia Fields zwar ab, aber nicht jeder Schmäh hat gezündet. (Bild: Andreas Graf)

Je später der Abend, umso schwieriger wird die Entscheidung, welche Bands man sich ansehen möchte. Die Wiener Strizzis von Wanda sind im Nova-Rock-Segment immer eine ambivalente Erfahrung. Urbane Lässigkeit mit Amore-Schmäh trifft auf sommerliche Illuminierung und Menschen, die sich lieber von dicken Riffs und Doublebass-Salven bearbeiten lassen. Marco Wanda und Co. ist das – wie immer – egal und man zieht seinen Stiefel durch. Da dürfen Hits wie „Bologna“, „Lascia mi fare“, das psychedelische „Va Bene“ und auch das Nirvana-Cover „Territorial Pissings“ nicht fehlen. Anfangs wirkt die Band etwas müde und der Funke will nicht so recht überspringen, mit Fortdauer grooven sich Künstler und Publikum aber gut ein. Trotz allem würde man sich manchmal ein bisschen mehr Feuer wie früher wünschen – es steht den Songs einfach besser zu Gesicht.

Eine Tschickt geht immer – das dachte sich auch Marco Wanda beim Singen seiner größten Hits.
Eine Tschickt geht immer – das dachte sich auch Marco Wanda beim Singen seiner größten Hits.(Bild: Andreas Graf)

Mehr als nur Ersatz
Mit einer Ausnahmesituation müssen währenddessen Heaven Shall Burn auf der Red Stage klarkommen. Frontmann Marcus Bischoff liegt mit einer üblen Halsinfektion daheim. Anstatt die anstehenden Konzerte abzusagen, hat man kurzerhand die deutsche Gesangslehrerin und Brüllstimme Britta Görtz engagiert und die liefert richtig ab. In den wenigen Tagen Vorbereitungszeit konnte sie sich freilich nicht die gesamte Diskografie der Band draufschaffen, aber bei Klassikern wie „Endzeit“, „Voice Of The Voiceless“ oder „Hunters Will Be Hunted“ ersetzt sie den Stammsänger nach bestem Wissen und Gewissen. Man lehnt sich nicht zu weit raus, wenn man hier einen etwas weit hergeholten Vergleich zu Linkin Parks Emily Armstrong herstellt. Während die sich auf der Bühne unwohl zu fühlen schien und statisch agierte, legt Görtz alles rein und bietet den Fans eine Spitzenvorstellung. Das Edge Of Sanity-Cover „Black Tears“ gibt es dann eben zweimal. „Bitte schreibt das nicht auf Setlist.FM“, sorgt Gitarrist Maik Weichert für Lacher, „bald kommen wir wieder mit vollem Besteck. Und wer weiß, vielleicht haben wir zwei Sänger und geben Britta gar nicht mehr her“. Einen Versuch wäre es tatsächlich wert …

Wer manchmal einfach sein Hirn ausschalten und Spaß haben möchte, der ist bei den Butcher ...
Wer manchmal einfach sein Hirn ausschalten und Spaß haben möchte, der ist bei den Butcher Sisters goldrichtig.(Bild: Andreas Graf)

Das Festival beschließen dieses Jahr die beiden Elektro-Metaller Nico Sallach und Kevin Ratajczak von Electric Callboy. Deren Karriereaufstieg geht fast Hand in Hand mit jenem beim Nova Rock. 2022 noch ein Nachmittag-Act, 2023 Headliner auf der Red Stage – heute Abend wird erstmals die größte Bühne beschlossen. Ganz so massiv wie bei den US-Superstars Slipknot und Linkin Park ist der Fanaufmarsch dabei aber nicht, was mitunter auch daran liegt, dass am Finaltag traditionell viele Anwesende früher abreisen. Für eine fette Abrissparty ist das Duo mit Band (u.a. auch mit dem von Sum-41 losgeeisten Drummer Frank Zummo) aber immer zu haben. Songs wie „Elevator Operator“, „Hypa Hypa“ und „Tekkno Train“ ballern in den Nachthimmel, dazwischen gibt es ein paar ruhige Cover wie „Crawling“ von Limp Bizkit und „I Want It That Way“ von den Backstreet Boys. Schlager, wie bei „Hurrikan“, darf auch nicht fehlen. Electric Callboy sind ein Partywurlitzer, der rundum aufgeht und Erfolge feiert. Da können auch die Prog-Metaller von Dream Theater nicht mithalten, die auf der Red Stage aber doch mehr Leute vor sich versammeln als es Cradle Of Filth parallel zu Linkin Park taten.

Eine Electric-Callboy-Show hat sich längst zu einem Top-Produkt gemausert – auch die ...
Eine Electric-Callboy-Show hat sich längst zu einem Top-Produkt gemausert – auch die Pyro-Effekte sind noch von schlechten Eltern.(Bild: Andreas Graf)

Nova Rock 2026
Mit dem Ende des Nova Rocks beginnen auch schon die Vorbereitungen zum nächsten. Von 11. bis 14. Juni 2026 wird es über die Bühne gehen, Bring Me The Horizon und The Offspring haben sich bereits fix dazu angesagt. Unter www.novarock.at kann man sich bereits mit Early-Bird-Tickets eindecken und alle weiteren Infos zusammensuchen.

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