Aufregung um Manifest

SPD-Granden meutern gegen Kreml-Politik von Merz

Außenpolitik
11.06.2025 18:37

Der neue deutsche Bundeskanzler ist erst wenige Wochen im Amt, hat aber bereits jetzt interne Probleme: Prominente Politiker des Koalitionspartners SPD stellen sich gegen die neue Sicherheits- und Verteidigungspolitik der seiner Regierung – und damit gegen die eigene Parteiführung.

In einem Manifest fordern Sozialdemokraten unter anderem direkte diplomatische Gespräche mit Russland, das seit mehr als drei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Merz betonte zuletzt, dass ein Dialog aktuell nicht zielführend sei.

Schützenhilfe erhält der Bundeskanzler auch von anderen SPD-Spitzenpolitikern: Verteidigungsminister Boris Pistorius warf seinen Parteikollegen „Realitätsverweigerung“ vor.

Manche wollen Putins Nähe suchen
In ihrem Grundsatzpapier dringen die sogenannten SPD-Friedenskreise auf eine Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik. Von einer stabilen Friedens- und Sicherheitsordnung sei Europa aktuell weit entfernt, beklagen sie und werben für Deeskalation und schrittweise Vertrauensbildung statt Rüstungswettlauf.

Unterzeichnet ist das Grundsatzpapier unter anderem von Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, Außenpolitiker Ralf Stegner und mehreren Bundestags- sowie Landtagsabgeordneten. Unterstützung kam auch vom Juso-Chef Philipp Türmer. Ob alle der mehr als 100 Unterschriften von SPD-Mitgliedern stammen, ist unklar.

Manifest schafft Unruhe vor Parteitag
Brisant wird das Manifest auch durch den Zeitpunkt der Veröffentlichung: Vor dem Parteitag Ende des Monats dürfte es für Unruhe in der SPD sorgen. Dann wollen die Sozialdemokraten nicht nur ihre Spitze neu wählen, sondern auch den Prozess für ein neues Parteiprogramm nach dem Debakel bei der Bundestagswahl beginnen. Kurz zuvor steht der NATO-Gipfel an, bei dem es um eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben gehen wird.

Putin lässt die Ukraine täglich bombardieren.
Putin lässt die Ukraine täglich bombardieren.(Bild: AP/Gavriil Grigorov)

Die Unterzeichner fordern, „nach dem Schweigen der Waffen wieder ins Gespräch mit Russland zu kommen, auch über eine von allen getragene und von allen respektierte Friedens- und Sicherheitsordnung für Europa“. Vor echten vertrauensbildenden Maßnahmen sei bereits eine behutsame Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte nötig.

Dass Putin bisher kein Interesse an einem solchen Waffenstillstand zeigt, wird nicht erwähnt. Genauso wenig das folgenlose Telefonat des damaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz im November mit Putin. Oder dass dieser zuletzt immer wieder zeigte, wie wenig er von diplomatischen Vermittlungsversuchen unter anderem von US-Präsident Donald Trump hält.

Politiker wollen Ab- nicht Aufrüsten
Die SPD-Friedenskreise wenden sich zudem gegen eine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland und gegen die Erhöhung des Verteidigungshaushalts – wie es beim NATO-Gifpfel in Den Haag beschlossen werden soll. Sie beklagen, aktuell werde ein „Zwang zu immer mehr Rüstung und zur Vorbereitung auf einen angeblich drohenden Krieg“ beschworen, statt Verteidigungsfähigkeit mit Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik zu verknüpfen.

Die Unterzeichner warnen: „Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen NATO und Russland.“

Herbe Kritik an Manifest
Politiker anderer Parteien zeigten sich entsetzt: „Wann wird begriffen, dass Russland nicht verhandeln und keinen Frieden will“, schrieb der Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter auf X. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann betonte: „Wir alle wünschen uns Frieden, und niemand sehnt ihn mehr herbei als die Menschen in der Ukraine. Leider wurden alle Versuche, einen Waffenstillstand zu erreichen oder Friedensgespräche zu führen, von Präsident Putin durchkreuzt und abgelehnt.“ Das Papier der SPD-Politiker blende ernste Realitäten aus und werde der wahren Bedrohung nicht gerecht. Die AfD dagegen begrüßte das Papier.

Dass das Manifest nicht die Haltung der gesamten SPD widerspiegelt, zeigen die durchaus harschen Reaktionen. Verteidigungsminister Pistorius sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden.“ Russland wolle den Frieden nicht, und wenn nur zu eigenen Bedingungen. „Mit diesem Putin können wir nur aus einer Position der Stärke verhandeln.“ Nötig sei die eigene Verteidigungsfähigkeit.

SPD-Chef Klingbeil unter Zugzwang
Die Genossen ringen schon seit langem mit der Aufarbeitung ihrer Russland-Politik. Mit Spannung wird die Debatte beim Parteitag erwartet – denn auch im neuen Parteiprogramm dürften sich die Sozialdemokraten zu dem Thema positionieren.

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