Unfassbar grausam

Ägypten: Beduinen foltern Migranten für Lösegeld

Ausland
23.07.2013 17:00
Auf der ägyptischen Halbinsel Sinai gehen einige Beduinenstämme einem grausamen Geschäft nach: Sie foltern Tausende Migranten aus Afrika, um Lösegeld zu erpressen, wie das "Süddeutsche Zeitung Magazin" berichtet. Damit die Familien zahlen, werden ihre Angehörigen brutal gequält - ist dennoch nichts zu holen, werden die Organe der Opfer verscherbelt.

Selomons Hand besteht nur noch aus einer Klaue. Vier Tage lang war er von seinen Peinigern mit Eisenketten an der Decke aufgehängt worden - "wie ein geschlachtetes Tier", erzählt der 28-jährige Informatiker im "Süddeutsche Zeitung Magazin".

Dabei hatte er schon davor eine Tortur hinter sich: Er war vor der Diktatur in seinem Heimatland Eritrea geflohen, bevor er im Ostsudan gekidnappt und an Menschenhändler verkauft wurde. Diese brachten ihn zu Beduinen auf der Sinai-Halbinsel - "keine Menschen", so Selomon, sondern "blutrünstige Bestien". Acht Monate lang wurde er dort gequält, bis seine Schwester die verlangten 30.000 Dollar zusammen hatte.

Flucht vor Krieg und Hunger bringt noch mehr Leid
Tausenden afrikanischen Migranten sei es bereits wie dem 28-Jährigen ergangen, heißt es im Bericht, vor allem Menschen aus Eritrea, aber auch anderen kriegs- und hungergeplagten Ländern Afrikas wie Äthiopien, Somalia und dem Sudan. Mit Stöcken, Ketten und Eisenstangen würden sie so lange verprügelt, bis sie die Telefonnummern ihrer Familien verraten.

Unfassbar grausame Foltermethoden
Dann gehe die Folter weiter: Die Opfer würden vergewaltigt, gebrandmarkt, mit kochendem Wasser überschüttet, mit Stromschlägen gequält und angezündet - die Familien müssten die Schreie per Handy mit anhören und zahlen. Ist kein Geld zu holen, würden die Opfer getötet oder aufgeschnitten - als letzte Tat würden ihre Organe verkauft.

Folterknechte lernten unter Mubarak
Ein Folterknecht, der seiner Tätigkeit für umgerechnet 120 Euro im Monat nachgeht, erzählte gegenüber dem Magazin von weiteren brutalen Methoden: Frauen würden in Strohzäune eingerollt und angezündet, ein Baby habe man der Brust der Mutter entrissen, erwürgt und damit Fußball gespielt, Menschen auf einen glühenden Metallrost gelegt. "Afrikanisches Barbecue", so der Mann, "schwarzes Fleisch". Er habe sein Handwerk in den Folterkammern von Ex-Präsident Hosni Mubarak gelernt, viele seiner Kollegen seien dort selbst jahrelang gefoltert worden - Mubarak war bekannt für seine harte Hand besonders gegenüber Beduinen.

Brutales Geschäft ist höchst lukrativ
Die Kidnapper sind laut UNO eines der grausamsten Menschenhandelsnetzwerke weltweit. Ihr brutales Geschäft ist höchst lukrativ: Expertenschätzungen zufolge wurden in den letzten Jahren mehr als 10.000 Folteropfer freigekauft, die Einnahmen könnten bei rund 300 Millionen Dollar liegen.

Tausende überlebten Qualen nicht
Rund 60.000 afrikanische Migranten haben es laut der Organisation Ärzte für Menschenrechte in den letzten Jahren illegal über die Grenze von Ägypten nach Israel geschafft - davon wurden bis zu 7.000 von Beduinen misshandelt. Über 4.000 überlebten die Qualen nicht - ihre Leichen würden in der Wüste verrotten, heißt es. Weitere tausend Menschen sollen sich noch in der Gewalt der Kidnapper befinden.

Chaos in Ägypten hilft Menschenhändlern
Insbesondere seit Mubaraks Sturz im Februar 2011 sei der Sinai ein rechtsfreier Raum, berichtet das "Süddeutsche Zeitung Magazin". Militante Islamisten würden den Norden ebenso terrorisieren wie bewaffnete Banden, immer wieder komme es zu Anschlägen und Angriffen auf die Polizei. Die Kidnapper blieben bei all dem Chaos weitgehend unbehelligt.

Andere Beduinen wollen Praxis unterbinden
Immerhin versuchen immer mehr Ärzte, aber auch Führer anderer Beduinenstämme, dem grausamen Geschäft ein Ende zu bereiten. Zwar werden sie mit Morddrohungen überhäuft, doch es seien schon erste Erfolge zu berichten, sagt etwa Scheich Ibrahim Al-Manei: Der Beduinenführer nehme entflohene Afrikaner auf, päpple sie auf und sorge für die soziale Ächtung ihrer Kidnapper. Einige Frauen hätten sich etwa bereits von ihren brutalen Ehemännern scheiden lassen, so Al-Manei, und er dränge darauf, die Folterer in Geschäften nicht mehr zu bedienen. "Kommen Sie in einem Jahr wieder, dann haben wir den Menschenhandel von innen ausgetrocknet", gibt er sich zuversichtlich.

Radikale Islamisten gegen Menschenhändler
Hilfe für die Folteropfer kommt zudem von unerwarteter Seite: Radikale Islamisten betrachten das Foltern unschuldiger Menschen als Sünde und haben bereits Beduinen angegriffen, die ihre grausamen Tätigkeiten nicht einstellen wollten. Doch das allein wird nicht reichen, denn das Geschäft ist zu lukrativ.

Journalist musste Tortur mit anhören
Das musste auch der Journalist Michael Obert vom "Süddeutsche Zeitung Magazin" feststellen: Er wurde am Ende seiner Sinai-Reise von einem Handy aus einem der Foltercamps angerufen. In der Leitung war eine Frau, Tzega, sie sei 21 und stamme aus Eritrea, erzählte sie. 40.000 Dollar Lösegeld verlange man von ihr. Im Hintergrund sei ein metallisches Geräusch zu hören gewesen, so der Journalist, anschließend ein markerschütternder Schrei. "Ich blute! Ich blute!", schrie die Frau am Telefon. "Helft mir! Mein Gott, sie schneiden mir die Finger ab!" Dann sei die Verbindung abgerissen.

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