Wer hat sich nicht schon einmal im Nachhinein geschämt, weil er wütend war? Wut darf sein, es kommt jedoch darauf an, wie man diese herauslässt. Worauf man achten sollte und was bei unterdrückter Wut passiert, erklärt ein Arzt, Life-Coach und Meditationstrainer aus Wien.
„Grundsätzlich war es evolutionsbedingt wichtig, Wut zu zeigen“, erklärt Dr. Nidal Moughrabi, Arzt, Life-Coach und Meditationstrainer aus Wien. „Sie wurde in Urzeiten v. a. dazu eingesetzt, einem Revierkampf vorzubeugen, in dem man selbst als Abwehrmaßnahme ,Zähne zeigte‘.“
Emotionen zu äußern ist menschlich und normal
Mittlerweile steht fest, dass man das genetische Programm auch heute noch zulassen sollte. Wobei gleich gesagt werden muss: Jemanden anzubrüllen oder sogar zu schlagen ist selbstverständlich nicht in Ordnung! Besser im privaten Rahmen die Gründe offen ansprechen („Ich bin aufgebracht, weil...“). In einen Polster zu boxen hilft oft ebenso gut.
Außerhalb der eigenen vier Wände abwägen, was adäquat ist und was nicht: Manchmal muss man seine Wut auch kurzfristig hintanstellen, z. B. bei einer Polizeikontrolle, oder nur gemäßigt zeigen, wie vor seinem Chef (etwa: „Das macht mich jetzt sauer...“).
Wer kennt das nicht? Es hat Ihnen jemand den Vogel gezeigt oder die Vorfahrt genommen? Sie sind stinkwütend. Der Experte rät zu Folgendem:
Wie erlernen wir den richtigen bzw. erkennen den falschen Umgang mit der Wut? „Viele meiner Patienten erzählen, dass sie als zornige Kinder häufig mit den Worten ,Komm zurück, wenn du wieder normal bist‘ in ihr Zimmer geschickt wurden. Auf diese Art haben sie fälschlicherweise gelernt, es wäre nicht normal, wütend zu sein“, berichtet Dr. Moughrabi. „Das Kind denkt dann, es wäre verkehrt, also nicht normal – was keinesfalls stimmt.Vielmehr handelt es sich bei dieser Vorgehensweise um ein brutales Machtinstrument.“
Was wäre die richtige Reaktion von Eltern?
„Sie sollten auf keinen Fall schreien, sondern dem Kind das Gefühl geben, es auch trotz seiner Wut zu lieben. Wobei Mutter und Vater dennoch zeigen dürfen, wenn sie deswegen nicht gut drauf sind, ganz nach dem Motto: ,Du bist genervt, ich bin es ebenso gerade.‘ So lernt der Nachwuchs, dass sowohl er als auch seine Eltern diese Emotion offenbaren dürfen.“ Natürlich sei das mitunter eine Gratwanderung, gibt der Experte zu. Ein versöhnliches Ende des Streits wäre: „Wir beruhigen uns jetzt beide wieder.“
Die eigene Wut immer hinunterzuschlucken, macht auf Dauer krank. Es drohen vor allem Depressionen.

Dr. Nidal Moughrabi, Arzt, Life-Coach und Meditationstrainer aus Wien
Bild: Moughrabi
Wenn man seine Wut immer hinunterschluckt – was passiert dann? „Das macht auf Dauer krank. Es drohen vor allem Depressionen. Einer schwedischen Studie zufolge bekommen Arbeitnehmer, die ihren Ärger chronisch unterdrücken, doppelt so oft Herzinfarkte wie jene, die ihn hinauslassen“, erklärt der Meditationstrainer. „Und irgendwann, manchmal Jahre später, bricht der Frust mit aller Wucht in einer völlig anderen Situation heraus.“
Solch angestaute Wut dauerhaft loszuwerden ist ein längerer Prozess. Da sich viele schämen, einen Psychotherapeuten aufzusuchen oder in einer Gruppe darüber zu reden, hat Dr. Moughrabi einen „Wut-Coaching“-Videokurs (Infos dazu auf seiner Homepage) entwickelt, anhand dessen Betroffene anonym und jederzeit an sich arbeiten können.
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