CBR1000RR-R im Test

Neue Honda Fireblade: Feingeist und Dampfhammer

Motor
12.03.2024 05:00

Es hat noch immer nicht gereicht zum Gewinn der seriennahen WSBK-Weltmeisterschaft, obwohl die Honda CBR1000RR-R Fireblade so ein Hammer-Eisen ist, mit dem stärksten Motor am Markt. Daher kommt jetzt die neue Generation, durch und durch feingeistig überarbeitet. Und zwar so, dass nicht nur Rennfahrer, sondern auch ambitionierte Normalos etwas davon haben.

(Bild: kmm)

Es braucht ein halbes Studium, um alle Details der neuen Fireblade zu durchblicken. Ich will hier nicht mit übertriebener Darstellung von Details ermüden, aber das Wichtigste gehört gesagt.

Das Allerwichtigste in Kürze
Die überarbeitete Honda Fireblade ist tatsächlich besser fahrbar und angenehmer im Umgang, als es die erste Ausführung der völlig neuen Generation von 2020 war. Die nervte vor allem mit ihrer zu langen Übersetzung. Die wurde nun geändert, alle Gänge kürzer übersetzt.

Außerdem wurde der Motor überarbeitet, sodass er aus der Mitte heraus mehr Druck liefert und geschmeidiger abliefert (sehr aufwendig). Dazu mächtige Änderungen an Elektronik und Fahrwerk. Auch die Sitzposition wurde entspannt. Also: Sie fährt sich besser. Warum? Wen es interessiert, der liest hier weiter. Oder schaut das Video.

Optimierter Motor mit zwei Drosselklappenmotoren
Es bleibt bei 217 PS bei 14.000/min. und einem maximalen Drehmoment von 113 Nm bei 14.000/min. (ja, das Drehzahlniveau ist noch immer höher als etwa bei BMW). Aber der Drehmomentverlauf hat sich geändert, wenn auch nicht weltbewegend (siehe Grafik).

Dafür wurden der Zylinderkopf, die Verdichtung (13,6 statt 13,4), die Ventilsteuerung und die Ventilfedern überarbeitet, die Kurbelwelle und die Pleuel sind leichter (und bei den Einlassventilen haben sie auch noch je 1 Gramm gefunden). Insgesamt ist der Motor rund ein Kilogramm leichter als vorher, was das ganze Bike handlicher macht.

Die Besonderheit des 1000-ccm-Vierzylinders ist aber, dass die Drosselklappen 1 und 2 sowie 3 und 4 getrennt von einander angesteuert werden. Beim leichten Gasanlegen öffnen sich nur 1 + 2, bevor bei stärkerem Dreh am Griff auch 3 + 4 dazukommen. Das hilft beim Herausbeschleunigen aus der Kurve, schont Hinterreifen und Nerven.

Beim Anbremsen kann damit die Motorbremswirkung erhöht werden: Dazu öffnen die Klappen 3 und 4, aber ohne Sprit zu bekommen. Zusätzlich schließt sich die Auspuffklappe. Geht man dann wieder ans Gas, schließen 3 und 4 wieder kurzzeitig, bevor ihr Durchsatz wieder gebraucht wird.

Das Umschalten ist auch deutlich hörbar. Der Motor darf mächtig röhren, obwohl das Geräuschniveau dank des um einen Liter gewachsenen Akrapovic-Endtopfes um 5 dB gesunken ist. Alles Euro5+-konform.

Damit der Motor bestens beströmt wird und Ram Air optimal genutzt werden kann, verzichtet Honda bei der Fireblade auf ein klassisches Zündschloss und verwendet einen Funkschlüssel mit einem Startknopf links hinter der Verkleidung.

Kodo der dritte, aus der Drehzahlmitte?
Das mit der Mehr-Power aus dem mittleren Drehzahlbereich muss ich nochmal aufgreifen: Wie gesagt, der Motor ist durchzugsstärker geworden und das Getriebe wurde kürzer übersetzt. Die Testbikes fühlten sich dadurch leistungsmäßig besser an. Ohne einen direkten Vergleich zu haben: Ich denke, dass ich etwa auf einer BMW tendenziell öfter einen höheren Gang verwendet hätte. Aber ich musste zumindest nirgendwo in den ersten Gang zurückschalten. Allerdings hatten die Vorserien-Testbikes einen Zahn mehr am Hinterrad, waren also kürzer übersetzt als die Serienbikes.

Drei Versionen, bis zu 13.000 Euro Aufpreis

Wie bisher gibt es zwei Versionen der Fireblade, das Standard-Modell und die Edelvariante mit dem Zusatz SP. Die Basis kostet 26.990 Euro und kommt mit Nissin-Bremsen (330-mm-Scheiben vorn) und einem konventionellen Showa-Fahrwerk. Die SP, die uns Honda in Portimao zur Verfügung gestellt hat, kostet 32.090 Euro. Hier sind feine Brembo-Stylema-Stopper und das adaptive Fahrwerk von Öhlins verbaut. Streng limitiert: die Carbon Edition um 39.990 Euro. Übrigens: Die Zweikolbenbremse an der 220er-Scheibe hinten stammt übrigens generell von Brembo.

Neues Öhlins-Fahrwerk Serie bei der SP
Die CBR1000RR-R Fireblade SP im Modelljahr 2024 ist das weltweit erste Serienbike, das mit den brandneuen „Öhlins Smart Electronic Control (SE-C 3.0)“-Federelementen ausgestattet ist. Die 43-mm-NPX-Gabel und der TTX36-Hinterraddämpfer nützen sogenannte Spool-Valve-Elemente (Schieberventil-Technik) und bieten nach Honda-Angaben eine Federung in Rennqualität. Ansprechverhalten, Fahrqualität und Kurvenstabilität werden über den Federungshub gesteuert.

Alles wird über eine OBTi-Schnittstelle (Öhlins Object Based Tuning) verwaltet. Dazu gehören auch digitale Federvorspannungs-Empfehlungen auf dem TFT-Display. Das bedeutet: Man gibt am Display das Gewicht des Fahrers ein und bekommt angezeigt, wie man Gabel und Federbein manuell einstellen soll.

Zu den Standardeinstellungen an Gabel und Federbein lassen sich zusätzlich drei individuelle User-Modi wunschgemäß zusammenstellen und speichern. So lassen sich unterschiedliche Einstellungen für wechselnde Bedingungen wie Wetter, Reifenverschleiß oder Kraftstoffmenge konfigurieren und dann während der Fahrt aufrufen bzw. aktivieren.

Elektronik mit Sechs-Achsen-Gyrosensor
Wie bisher ist (bei allen Fireblades) eine Sechs-Achsen-IMU verbaut, über die Traktionskontrolle (neun Stufen plus aus), ABS, Wheelie- und Stoppie-Kontrolle, Motorbremse, Lenkungsdämpfer (dreistufig einstellbar) und (bei der SP) das Fahrwerk gesteuert werden. Das ABS ist weiterhin nicht abschaltbar, hat aber nun drei Modi: Standard, Track und Race. Im Race-Modus ist das Hinterrad-ABS abgeschaltet, das am Vorderrad soll nur bei massiven Rutschern eingreifen.

Alles wird über drei fixe Fahrmodi namens 1, 2 und 3 oder über frei konfigurierbare User-Modes gesteuert, die über das Fünf-Zoll-TFT-Display (mit fünf verschiedenen Layouts) bzw. den 4-Wege-Schalter abgerufen bzw. programmiert werden. Das bedarf durchaus einer gewissen Einarbeitungszeit.

Die Launch Control hält die Drehzahl bei 6000, 7000, 8000 oder 9000/min. konstant.

Mehr Flex im Rahmen
Der Alu-Brückenrahmen hat ein Kilogramm verloren, außerdem einiges an Steifigkeit. Besser gesagt: Er hat an Flex gewonnen, was das Umlegen in die Kurve erleichtert bzw. die Lenkpräzision erhöht und für mehr Grip und Gefühl sorgt: Die seitliche Steifigkeit sank um17 Prozent, die Torsionssteifigkeit um 15 Prozent.

Der Radstand beträgt nun 1455 mm, Lenkkopfwinkel und Nachlauf betragen 24,7° bzw. 101,9 mm. Das Gewicht vollgetankt beträgt 201 kg (Carbon Edition: 200 kg). Die Gewichtsverteilung liegt vorne/hinten bei 53/47 Prozent. Montiert werden Reifen der Dimension 200/55-ZR17, vorn 120/70-ZR17, entweder Pirelli Diablo Supercorsa SP V3 oder Bridgestone RS11.

Neue Sitzposition
Auch die Sitzgeometrie wurde geändert. Man sitzt auf 830 mm Höhe. Der Lenker liegt 9 mm höher und 23 mm näher am Fahrer, während die Fußrasten 16 mm tiefer positioniert wurden. Das Schaltschema ist ganz einfach umkehrbar, indem man das Gestänge im alternativen Gewinde verschraubt. Die Form des 16,5 (bisher 16,1) Liter großen Tanks wurde adaptiert, um einen besseren Knieschluss zu ermöglichen. Insgesamt fühle ich mich mit 1,88 m Körpergröße spürbar wohler als bisher.

Fahrzit
Die Honda CBR1000RR-R ist vor allem als SP noch mehr ein Hightech-Gerät als bisher. Doch der immense Aufwand ist nicht Selbstzweck, sondern ist im Fahrbetrieb spürbar. Das ganze Paket ist insgesamt stimmiger als bisher. Ob das reicht, um die WSBK-Weltmeisterschaft zu gewinnen, wird sich weisen. Für den Normalfahrer zahlen sich die Neuerungen definitiv aus. Das alte Modell ist derzeit noch vergünstigt zu bekommen, die neue Generation kommt im April zum Händler (26.990 Euro/SP 32.090 Euro). Bevor man sich für die alte entscheidet, empfiehlt es sich, mit dem Händler ins Detail zu gehen. Der Zeitaufwand lohnt sich.

Noch etwas für Feinschmecker: Limitiert auf 300 Stück für Europa wird um 39.990 Euro eine Carbon-Edition angeboten. Die sieht mit ihren Carbon-Karosserieteilen nicht nur edel aus, sondern ist auch ein Kilogramm leichter. Ob sie 7000 Euro Aufpreis wert ist, ist fraglich, denn Carbon-Felgen werden nicht angeboten.

Generell ist die Fireblade alltagstauglicher als früher - aber auch definitiv besser für die Rennstrecke.

Warum?
Gelungenes Hightech-Paket
Druckvollerer Motor mit kürzerer Übersetzung

Warum nicht?
Die Stärkste, aber nicht die Leichteste

Oder vielleicht ...
... BMW S 1000 RR/M 1000 RR, Yamaha R1/R1 M, Ducati Panigale V4/S/SP2

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