Kilometerlange Wege

Passagiere verzweifeln am “Skylink-Marathon”

Österreich
13.07.2012 17:01
Enorme Vorteile sollte der neue Wiener Flughafenterminal Skylink bringen - so erhofften es sich zumindest die Betreiber. Doch viele Passagiere spüren nach der Eröffnung des mittlerweile in "Check-in 3" umgetauften Gebäudes nur Verschlechterungen. Vor allem die langen Wege werden beklagt. Wer Pech hat, dem steht vor und nach dem Flug ein kilometerlanger Fußmarsch bevor. Erfahrene Planer schlagen die Hände über dem Kopf zusammen.

Betroffen von den langen Wegen sind in erster Linie solche Passagiere, die an den alten C-Terminals abfliegen oder ankommen. Denn wegen Umbauarbeiten infolge der Skylink-Eröffnung sind viele Durchgänge in den alten Terminals versperrt, was große Umwege nach sich zieht. Außerdem liegt das neue Gepäckband nun im Skylink und damit noch ein gutes Stück hinter der alten Anlage.

Ein Video, das ein Passagier gedreht hat, verdeutlicht die Misere (siehe oben). Der Filmer geht nach der Landung zügigen Schrittes voran, überholt zahlreiche andere Passagiere und kommt nach etwa fünf Minuten im Eilschritt beim "alten" Gepäckband an, das mittlerweile hinter Bauzäunen versteckt liegt. Von hier aus geht seine Reise noch einmal fast genau so lange weiter, ehe er nach neun Minuten und gut einem Kilometer endlich seine Kofferrückgabe erreicht (siehe Karte, Wegpunkte sind als rote Stecknadeln eingezeichnet). Wer dann noch im Parkhaus P3 geparkt hat, der darf mit seinem Gepäck noch einen weiteren Kilometer laufen, so wie Peter Franz, der kürzlich mit Air Berlin aus Sizilien zurückkam. "Meine Koffer wogen 30 Kilo. Und der Gepäckwagen nutzte mir herzlich wenig, weil auf dem derzeitigen Weg Treppen sind."

Labyrinth auf dem Weg vom Bahnhof zum Gate
Nicht viel besser ergeht es Passagieren vor ihrem Abflug - vor allem dann, wenn sie mit dem Zug anreisen und bei Air Berlin oder Niki einchecken müssen. Ihr Weg führt sie seit Neuestem durch ein wahres Labyrinth (siehe Karte). Am Bahnhof müssen sie mit dem Lift zu den Taxiständen fahren. Von dort aus gelangen sie nahe der alten Empfangshalle über einen Korridor und eine Rolltreppe an das Ende von Terminal 2. Dieser muss zur Gänze durchquert werden, ehe die Reisenden im leer stehenden Terminal 1 ankommen und von dort zu ihrem Check-in in Terminal 1a gelangen. Dann geht es zurück in Terminal 2 und über eine Treppe zur neuen zentralen Sicherheitskontrolle im Untergeschoß des Gebäudes. Nach einer weiteren Treppe folgt schließlich die Abzweigung in Richtung C-Gates, die nach etwa 300 weiteren Metern erreicht werden. "Ich möchte mal wissen, wie das alte Omas oder kleine Kinder schaffen sollen", sagt Passagierin Melanie Janssen.

Air Berlin und Niki haben mittlerweile eigens eine Internetseite eingerichtet, auf der sie ihre Passagiere vorwarnen. Denn die sind über diese Odyssee alles andere als erfreut. "Der Weg zum Ausgang ist eine Zumutung. Früher war man schnell raus. Jetzt rennst gefühlte 500 Meter länger, das nervt, wenn du nur Handgepäck hast und heim willst", macht sich ein User auf der Experten-Plattform austrianaviation.net Luft. "Die Verbindung zwischen altem und neuem Teil erinnert mehr an eine Pfadfinder-Tour als an einen überschaubaren Flughafen", pflichtet ihm ein anderer bei. Und ein dritter Kommentator ätzt: "Der Weg ist echt wahnsinnig lang und wirkt auf der zweiten Hälfte auch ziemlich schiach. Aber durch den extralangen Weg fällt zumindest weniger auf, wie lange sie in Wien für die Gepäckrückgabe brauchen."

"Wandertour in einer Saunalandschaft"
Andere Passagiere sprechen im Internet und gegenüber krone.at von "Chaos", einem "Superfail" und einer "Wandertour in einer Saunalandschaft". "Es ist ein ewiger Marsch, hin zur alten Gepäckbänder-Halle - was eh immer schon ein Krampf war. Ich verstehe einfach nicht, wie man das so unpraktisch planen kann", so Janina Manner. Ähnlich sieht es Geschäftsmann Franz Prosch, der in diesem Jahr bereits 60.000 Meilen im Jet zurückgelegt hat. Er zieht eine eindeutige Bilanz: "Ich habe schon viele Airports gesehen. Aber in Wien sind die Laufzeiten inzwischen gewaltig. Eine Katastrophe ist das. Der Flughafen ist ein Horror für Leute, die es eilig haben oder nicht mehr ganz so gut zu Fuß unterwegs sind."

Auch Behindertenverbände fragen sich wenig überraschend, wie es zu der Fehlplanung mit den langen Wegen kommen konnte. "Wir haben damals ja angeboten, beratend zur Seite zu stehen, aber uns wurde beschieden, dass das nicht nötig sei. Schließlich seien da Fachleute bei der Arbeit", sagt Markus Ladstätter vom Behindertenberatungszentrum für selbstbestimmtes Leben, Bizeps. "Die Wege sind viel zu lang, außerdem fehlen Sitzgelegenheiten zum Ausruhen", konstatiert er. Und Ladstätter hat nur wenig Hoffnung auf Verbesserungen: "Zumindest bei den Entfernungen wird man wohl nichts mehr machen können."

Stararchitekt: "Wie das KGB-Hauptquartier in Moskau"
Auch Bau-Experten schütteln den Kopf über die derzeitige Situation. Professor Wolf Prix, international ausgezeichneter Star-Architekt und Gründer des Wiener Architekturbüros Coop Himmelb(l)au, gießt kübelweise Häme aus: "Das ist eine gigantische Fehlplanung. Die Anlage ist kein bisschen funktional, so darf man heutzutage keinen Flughafen mehr bauen. Die Wege sind viel zu lang. Das ist ein gewaltiger Irrgarten, aber kein Airport", macht er im Gespräch mit krone.at aus seiner Meinung keinen Hehl. Auch optisch hält er den neuen Flughafen für wenig gelungen. "Aus ästhetischer Sicht ist der Skylink eine Katastrophe. Da muss man nur noch einen roten Stern oben rankleben, dann sieht das Gebäude aus wie das KGB-Hauptquartier in Moskau."

Geschwungener Grundriss als Wurzel allen Übels?
Architekt Sepp Frank war einst bei der Ausschreibung für den neuen Terminal mit seinem Vorschlag unterlegen. Er ist ein intimer Kenner der Materie und weiß um das Grundproblem des neuen und des alten Terminals - denn das sei in beiden Fällen das gleiche. "Bei der Ausschreibung hieß es damals, dass auch der Neubau den Grundriss einer eleganten Sichel haben soll. Das Problem ist aber, dass wegen der geschwungenen Form keine Laufbänder eingebaut werden können. Mit denen könnte man Passagiere aber bequem über weite Strecken transportieren. Dass der Fehler aus dem alten Terminal nun beim Skylink wiederholt wurde, macht mich sprachlos."

Frank verweist auf Sir Norman Foster, den wohl berühmtesten Flughafen-Konstrukteur der Welt. Dieser habe gemahnt, dass zunächst die Logistik und die Funktionen geplant werden müssten, ehe man "eine leichte Hülle" über diese Strukturen werfe. "Aber hier in Wien wurde zuerst die Hülle entworfen und dann versucht, die Logistik und die Funktionen hineinzupressen. Die Sichel ist eine denkbar schlechte Form für solch ein Gebäude", sagt Frank, der wie Professor Prix Laufstrecken von 500 Metern als absolutes Maximum betrachtet.

Flughafen-Betreiber verspricht Verbesserungen
Immerhin: Der Flughafen-Betreiber ist sich der Problematik mit den langen Wegen bewusst. "Die Besucher sind noch an die alte Infrastruktur gewöhnt. Aber die stammt aus Zeiten, in denen wir nur halb so viele Passagiere abfertigen mussten wie jetzt. Wachstum bedeutet leider auch längere Wege", sagt Sprecher Peter Kleemann. Mittelfristig werde man die Strecken aber verkürzen. So soll ab 2013 die Halle mit dem alten Gepäckband ohne großen Bogen durchquert werden können. "Und weitere Verbesserungen sollen bis 2014 folgen." Wie diese aussehen und wie stark der Weg letztlich verkürzt wird, kann Kleemann derzeit aber noch nicht sagen.

"Wir kennen die Situation jedenfalls und wissen um die Unannehmlichkeiten, gerade auch für Passagiere, die über den Bahnhof anreisen. An unserem Flughafen müssen derzeit zwei Welten zusammenwachsen. Die Kritik, die infolge dieses Prozesses aufkommt, nehmen wir gerne an."

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