Im Exil in Chile

Honecker-Witwe ohne Reue: DDR war “besseres System”

Ausland
08.03.2012 10:43
Seit mehr als 20 Jahren lebt die Witwe des früheren DDR-Staatschefs Erich Honecker im Exil in Chile. Westliche Medien hielt sie sich stets eisern vom Hals. Doch nun hat Margot Honecker, die vielen Beobachtern zufolge als heimliche Machthaberin der DDR galt, in einem Gespräch mit dem ostdeutschen Publizisten Frank Schumann ihr politisches Vermächtnis zu Protokoll gegeben. Das Interview-Buch "Zur Volksbildung" beinhaltet eine Rundum-Verteidigung der DDR als das "bessere System".

Die Telefonistin Margot Honecker hatte schnell Karriere gemacht. Mit 22 Jahren war sie jüngste Abgeordnete in der Volkskammer, dem DDR-Parlament. Rund 26 Jahre, von 1963 bis zu ihrem Rücktritt im Herbst 1989, fungierte sie dann als Chefin des Volksbildungsministeriums im Arbeiter- und Bauernstaat. Heute sagt sie, die DDR-Schule habe das humanistische Menschheitsideal vermittelt: Unabhängig von sozialer Herkunft oder wirtschaftlicher Lage der Eltern - alle Kinder hätten die gleiche Bildung bekommen. Die DDR habe auf Gleichheit, Gerechtigkeit, Glück und Wohlstand gefußt.

Unverrückbares Weltbild
Margot Honecker zeigt sich in dem Interview mit sich im Reinen. Die DDR sei nicht an ihren Fehlern zugrunde gegangen, sondern: "Wir haben es nicht vermocht, dem Gegner hinreichend Widerstand entgegenzusetzen." Zwänge in der DDR? "Nirgendwo gibt es einen Staat, in dem die Bürger mit allem einverstanden sind, was ihnen der Staat vorschreibt." Indoktrination? Die Einheit von Bildung und Erziehung sei Vorbereitung auf das Leben gewesen, "Sinn der Volksbildung war nicht, Gegner des Sozialismus oder desinteressierte Mitläufer zu erziehen".

Was die Militarisierung des Unterrichts betrifft, erklärt Honecker, Ausgangspunkt für den Wehrkunde-Unterricht sei die "Rüstung der NATO" gewesen. Zwangsadoptionen von Kindern, deren Eltern ausreisten? Schon der Begriff sei falsch - "aber wunderbar demagogisch", so die Witwe ironisch. Zwang hätten schließlich die ausgeübt, die ihre Kinder verantwortungslos zurückließen, so dass sich die DDR ihrer annehmen musste. Die Kleinen seien übrigens in gute Hände gegeben worden, während die, die die DDR verließen, sich meist nur ein bequemeres Leben erhofft hätten.

Margot Honecker teilt strikt in Gut und Böse. DDR-Friedens- und Umweltaktivisten habe der Westen als fünfte Kolonne in Stellung gebracht, einige Bürgerrechtler seien später noch "als Narren am Hofe übernommen" worden. Die aufmüpfigen Schüler eines Ostberliner Gymnasiums, die 1988 relegiert wurden, hätten politisch provoziert. Jeder Dissident habe Rückendeckung aus dem Westen bekommen. Seit 1990 werde die DDR mit "antikommunistischer grobschlächtiger Hetze" überzogen. Gepredigt werde das Recht des Stärkeren - das sei falsch. Da lande man dann bei "Deutschland, Deutschland über alles".

"Weder zornig noch verbittert"
Seit 1992 wohnt Margot Honecker in Santiago de Chile, in der Nähe von Tochter und Enkeln. Im April wird die schmale Frau 85 Jahre alt. Ihr Mann Erich lebte nur kurz in der chilenischen Hauptstadt - er starb 1994, ein Jahr nachdem er Deutschland verlassen hatte. Zuvor war der Prozess wegen der Todesschüsse an der Mauer gegen den schwer krebskranken Spitzenfunktionär eingestellt worden.

Margot, die glühende und zugleich nüchterne Verteidigerin der Schule im Sozialismus, die sich mit langen Spaziergängen fit hält, lobt das Internet als "wunderbare Einrichtung". Dort sei sie täglich mehrere Stunden unterwegs - und auf dem Laufenden über die Bundesrepublik. Zudem sei sie in Chile gut vernetzt. Abschließend meint sie: "Ich bin weder zornig noch verbittert" - auch wenn die DDR nicht wiederkomme. Doch es gehe nicht mehr darum, Wunden zu lecken. Ihre Empfehlung: Die DDR-Erfahrungen sollten für kommende Kämpfe aufbewahrt werden.

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